Wer unter einem schweren therapieresistenten essentiellen Tremor oder Parkinson-Tremor leidet, kann sich in Bonn mit dieser Methode behandeln lassen. Für eine deutschlandweit erste Studie sind Patienten mit ausgeprägtem Tremor gesucht, die auf verschiedene Therapiemethoden nicht angesprochen haben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Verfahren mit mehr als 1 Million Euro.
Im Schnittpunkt der Wellen wird das Hirngewebe erhitzt
Essentieller Tremor gehört zu den häufigsten neurologischen Bewegungsstörungen. Er tritt auf, wenn der Betroffene aktiv etwas tut: die Hand zittert bei der Unterschrift, oder wenn ein Glas Wasser zum Mund geführt wird. Ein Mensch, der an Parkinson erkrankt ist, zittert dagegen typischerweise in Ruhe. Bei dem neuen Verfahren schalten fokussierte hochintensive Schallwellen von außen diejenigen Areale im Gehirn ab, die für den essentiellen Tremor oder Tremor bei Parkinson verantwortlich sind. Für die notwendige hochpräzise Lokalisation sorgt die mit Hilfe der Magnetresonanztomographie gesteuerte Neuronavigation, damit nur der gewünschte, etwa zwei Millimeter große Bereich – etwa so breit wie eine Bleistiftmine – in der Tiefe des Gehirns inaktiviert wird. Dazu werden von 1.024 Positionen rund um den Schädel Ultraschallwellen – jede für sich ungefährlich für das Hirngewebe – auf den Zielpunkt gesendet und dort gebündelt. „Nur dort in diesem Schnittpunkt der Wellen wird das Hirngewebe erhitzt und so inaktiviert“, sagt Prof. Dr. Hans Schild, Direktor der Klinik für Radiologie am Universitätsklinikum Bonn. Dazu wird ebenfalls MR kontrolliert die Temperatur am Zielpunkt bis auf etwa 55 bis 60 Grad Celsius gesteigert.
Nachteil: Vorgehen ist nicht reversibel
Dem großen Vorteil des neuen Verfahrens, dass der Schädel nicht wie bei der bereits etablierten Tiefen Hirnstimulation geöffnet werden muss, steht der Nachteil gegenüber, dass die Inaktivierung des Hirngewebes anders als bei der Tiefenhirnstimulation nicht reversibel ist. „Es ist eine Alternative, da viele Patienten vor dem Öffnen des Schädels und der Vorstellung von ‘Elektroden im Kopf’ zurückschrecken“, sagt Prof. Dr. Ullrich Wüllner, Leiter der Sektion Bewegungsstörungen an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikum Bonn.
Schrittweises Vorgehen sichert jedem Patienten eine optimale Therapie
„Das Attraktive ist, dass es sich schon während des Eingriffs zeigt, ob es funktioniert oder ob gegebenenfalls nachjustiert werden muss“, sagt Prof. Dr. Hartmut Vatter, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Bonn. Denn der MRgFUS erlaubt durch kontrollierte Energiesteigerung den Effekt bei einer Temperatur unterhalb 50 Grad Celsius auszutesten. Mit einer reversiblen Hemmung am Zielort wird also geprüft, ob der Tremor wie gewünscht bei dem während des Eingriffs wachen Patienten abnimmt. Nach den ersten internationalen Studien lässt sich durch die Kombination aus fokussierten Ultraschall und MR-Steuerung während des Eingriffs der essentielle Tremor signifikant verbessern. „Obwohl die bisherigen weltweit erzielten Ergebnisse sehr vielversprechend sind, ist die Therapie derzeit noch als experimentell anzusehen“, sagt der klinische Studienleiter Prof. Wüllner. „Der Nutzen aber auch die Risiken müssen weiter wissenschaftlich untersucht werden – und dazu werden wir hier in Bonn beitragen.“
Patienten für deutschlandweit erste Studie gesucht
In welchem Ausmaß der MR-gesteuerte hoch fokussierte Ultraschall den Tremor bessern kann, soll nun erstmals in Deutschland am Bonner Universitätsklinikum untersucht werden. Dort kümmert sich ein interdisziplinäres Team aus Neurologen, Neurochirurgen und Radiologen um die Teilnehmer. An der Studie können volljährige Patienten mit einem schweren essentiellen Tremor mit Halte- oder Aktions-Symptomatik sowie Parkinson-Patienten mit einem schweren Tremor teilnehmen, wenn mittels medikamentöser Therapie die Symptomkontrolle unzureichend ist oder intolerable Nebenwirkungen aufgrund der Medikation auftreten.
Anmeldung zum Vorgespräch und weitere Informationen bei:
Veronika Purrer, Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Bonn,
Telefon 0228/287-15714 oder E-Mail Veronika.Purrer@ukbonn.de
Quelle: idw/Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Artikel teilen