Laut Deutscher Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) sind allein in Deutschland 400.000 Menschen von Parkinson betroffen. Bei Morbus Parkinson handelt es sich um eine chronisch fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung, die unter anderem zu steifen Muskeln (Rigor), verlangsamten Bewegungen (Bradykinese) und unkontrollierbarem Zittern (Tremor) führt. Der vorgestellte neue Test könnte eine frühe und genaue Diagnose und Behandlung der Erkrankung ermöglichen, bevor das Gehirn zu stark geschädigt ist, so das Fazit einer neuen Studie. „Dieses Ergebnis komplexer methodischer Entwicklungen der letzten Jahre ist ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung sowie ein Durchbruch im Biomarker-Bereich und für die Entwicklung von neuen Therapien“, bestätigt PD Dr. Kathrin Brockmann, Oberärztin und Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen und Mitglied im Vorstand der DPG.
Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay
Bei Parkinson verklumpt im Gehirn das Protein Alpha-Synuclein und lagert sich ab. Das führt zu einer Fehlfunktion und zum Tod der Nervenzellen. Das neue Verfahren, der sogenannte Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA), soll den Nachweis des fehlgefalteten Proteins im Hirnwasser nachweisen, was ein früher Hinweis auf eine sich anbahnende Parkinson-Erkrankung sein könnte. An der multizentrischen weltweiten Studie, die von der Michael J Fox-Stiftung (Parkinson’s Progression Markers Initiative [PPMI]) gefördert wurde, waren Forschungsteams aus den USA, Israel und Deutschland (Kassel und Tübingen) beteiligt.
Vorteile bei modifizierenden Therapien in Therapiestudien
In der Studie wurden mit dem neuen Verfahren insgesamt 1.123 Menschen mit diagnostizierter Parkinson-Erkrankung, häufigen Vorstadien der Erkrankung und gesunde Personen untersucht [1]. Über alle untersuchten Gruppen hinweg fand der Test das fehlgefaltete Protein bei 88 Prozent. Bei Menschen mit einer Parkinson-Vorform hing die Trefferquote stark von der Symptomatik ab: Das Protein wurde bei 97 Prozent der Teilnehmenden mit beeinträchtigtem Geruchssinn nachgewiesen, aber nur bei 63 Prozent der Menschen mit REM-Traumschlafstörung. Bei den meisten Teilnehmenden mit einer Parkinson-Vorform, bei denen das Protein im Hirnwasser nachgewiesen wurde, gab es aber noch keine Hinweise auf Veränderungen der Nervenzellen in der Substantia nigra. Die Entdeckung fehlgefalteten Alpha-Synucleins im Nervenwasser könnte somit sehr früh auf die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung hinweisen. Dies wäre eine Voraussetzung für den Einsatz neuer modifizierender Therapien in Therapiestudien.
Unterschiedliche Profile der Patienten
Interessanterweise zeigten sich dabei im Hirnwasser bei Parkinson-Patientinnen und -Patienten mit genetischen Veränderungen je nach betroffenem Gen ganz unterschiedliche Profile. So wiesen in einer Studie des an der Methodenentwicklung beteiligten Tübinger Forschungsteams 93 % der Parkinson-Patientinnen/Patienten mit Mutationen im GBA-Gen ein klares Alpha-Synuclein-Profil auf, während dies in nur 78 % der Patientinnen/Patienten mit Mutation im LRRK2-Gen zu finden war und Patientinnen und Patienten mit zwei Mutationen in den Genen Parkin oder PINK1 gar kein fehlgefaltetes Alpha-Synuclein im Nervenwasser aufwiesen [2].
Eignung für Identifizierung von Patienten
Diese Ergebnisse aus der deutschen Studie konnten nun so auch in der weltweiten PPMI-Studie bestätigt werden. „Die unterschiedlichen Sensitivitäten sind ein Hinweis auf die unterschiedlichen Wege, auf denen sich das fehlgefaltete Alpha-Synuclein im Nervensystem ausbreitet“, erklärt Brockmann. Somit eigne sich die (Nervenwasser-)Analyse mit diesem neuen SAA zur Identifizierung von Patientinnen und Patienten mit fehlgefaltetem Alpha-Synuclein. „Da es derzeit tatsächlich erste Studien mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des Alpha-Synucleins gibt, ist es wichtig vorherzusagen, bei welchen Patientinnen/Patienten fehlgefaltetes Alpha-Synuclein vorliegt, welches das Fortschreiten der Erkrankung treibt“, so Brockmann.
Entwicklung von neuen Biomarkern und Therapien?
Bisher kommen die Betroffenen für die Parkinson-Diagnose erst dann in die Klinik, wenn sie die klassischen motorischen Symptome wie Bewegungsverlangsamung, Steifigkeit und Ruhezittern bemerken. Zu diesem Zeitpunkt läuft der Erkrankungsprozess im Gehirn aber schon viele Jahre. „Wir sind also eigentlich zu spät mit der Diagnose, weil schon viele Nervenzellen untergegangen sind“, so Brockmann. „Wir können durch diesen Test nun direkt für jeden Patienten und jede Patientin individuell sagen, ob das verklumpte Alpha-Synuclein vorliegt. Damit wird nicht nur die Diagnosestellung, sondern auch die Planung von Parkinson-Studien und schlussendlich die Behandlung der Patientinnen/Patienten deutlich verbessert. Der Test wird zukünftig sicher als Screening-Untersuchung genutzt werden“, so ihre Einschätzung. Am besten gelingt der Test im Hirnwasser, doch es werden auch weniger invasive Analysen in Blut, Haut und Schleimhaut in Studien untersucht.
Quelle: DPG
Artikel teilen