Der zweitägige Jahreskongress der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) startete am 24. Oktober mit einem Festakt zum 40-jährigen Bestehen der Koordinierungsstelle. Im Anschluss an den Rückblick auf vier Jahrzehnte Einsatz für die Organspende standen diejenigen Fachthemen im Mittelpunkt, die die Transplantationsmedizin derzeit beschäftigen – und dies sind weiterhin die niedrigen Organspendezahlen und mögliche Maßnahmen, diese zu verbessern.
Der Blick auf die aktuellen Zahlen verdeutlicht, wie dramatisch die Lage nach wie vor für die Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten ist: So gab es von Januar bis September in den rund 1.200 Entnahmekrankenhäusern 714 postmortale Organspenderinnen und Organspender gegenüber 718 im Vergleichszeitraum 2023. Die Summe der in Deutschland entnommenen Organe, die über die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant alloziert und schließlich in Deutschland oder im Ausland transplantiert werden konnten, lag bis September 2024 bei 2.158 (Vorjahreszeitraum: 2.185). Von Januar bis September 2024 konnten 2.314 Organe aus Deutschland und dem Eurotransplant-Verbund hierzulande transplantiert werden, im Vergleichszeitraum 2023 waren es 2.283.
Warteliste ist nur die Spitze des Eisbergs
Der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel, erklärt dazu: „Nach wie vor stagnieren die Organspendezahlen in Deutschland auf einem zu niedrigen Niveau. Derzeit stehen mehr als 8.200 Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten, für die eine Organtransplantation oft die letzte Hoffnung ist. Wir hätten die medizinischen Möglichkeiten zu helfen, uns fehlen aber die Organe.“ Rahmel weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beispielsweise von den knapp 100.000 Dialysepatienten in Deutschland circa ein Drittel laut Expertenschätzungen ebenfalls von einer Transplantation profitieren könnte.
„Viele Patienten schaffen es aufgrund der geringen Chancen auf ein Spenderorgan gar nicht erst auf die Warteliste“, kritisiert der Mediziner und ergänzt: „Die derzeitige Warteliste mit 6.400 registrierten Nierenpatienten ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Für diese Patienten steht die Ersatztherapie der Dialyse zur Verfügung, während Menschen, die vergeblich zum Beispiel auf ein Herz oder eine Lunge warten, versterben. Im letzten Jahr waren das in Deutschland insgesamt 667 Patientinnen und Patienten.“
Screening-Tool DETECT
Im ersten und entscheidenden Schritt im Ablauf einer Organspende müssen mögliche Spenderinnen oder Spender zunächst auf den Intensivstationen überhaupt erkannt werden. „Hier leistet das von der Hochschulmedizin Dresden in Kooperation mit der DSO entwickelte automatisierte elektronische Screening-Tool DETECT wertvolle Unterstützung. Das Tool rückt mögliche Organspender in den Fokus der Transplantationsbeauftragten, indem es Patientinnen und Patienten mit einem unmittelbar bevorstehenden oder bereits eingetretenen irreversiblen Hirnfunktionsausfall systematisch erkennt“, so die DSO.
Ermutigend sei die in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegene Anzahl der Meldungen möglicher Organspender aus den Krankenhäusern, erläutert Rahmel. Dies führte jedoch aufgrund von fehlenden Zustimmungen oder medizinischen Kontraindikationen nicht zu mehr Spenden.
Zudem setzt sich im Jahr 2024 die rückläufige Entwicklung der Zahl der Spenderorgane fort. Die Anzahl der entnommenen Organe pro Spender sinkt, was die Mangelsituation weiter verschärft. Dies liegt häufig darin begründet, dass das mediane Alter der gemeldeten (2007: 55 Jahre, 2023: 61 Jahre) und der realisierten Organspender (2007: 53 Jahre, 2023: 58 Jahre) über die vergangenen Jahre stetig zugenommen hat. Damit kommt es häufiger zu Abbrüchen des Organspendeprozesses wegen medizinischer Kontraindikationen oder unzureichender Spenderorganqualität.
Neue Technologien als Hoffnungsträger
Mit der Maschinenperfusion steht mittlerweile ein Verfahren zur Verfügung, das der DSO zufolge ein enormes Potenzial verspricht, was Konservierung, Evaluation und im Idealfall Behandlung der Spenderorgane betrifft. „Aktuell steht bereits die Umsetzung der überarbeiteten Richtlinie der Bundesärztekammer zur Nierentransplantation hierzulande in den Startlöchern, die die grundsätzliche Perfusion von Spendernieren mit erweiterten Spenderkriterien vorsieht. Auch die schnelle und zuverlässige Beurteilung und Charakterisierung von Spenderorganen nach der Entnahme lässt sich beispielsweise durch digitale Bildgebungen wesentlich steigern und trägt damit zur Qualitätssicherung bei“, teilt die DSO mit.
Die Antwort auf den Organmangel könnte auch in modernen Technologien liegen, die das Potenzial haben, den Transplantationsprozess zu beschleunigen und damit mehr Leben zu retten. Als möglicher Ausblick in die Zukunft werden von daher die Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz für die Transplantationsmedizin sowie die Xenotransplantation Themen des Kongresses sein.
Organspende-Register und Widerspruchsregelung
Ohne die Solidarität der Bevölkerung wird sich die Situation der Organspende langfristig jedoch kaum verbessern lassen. Der Medizinische DSO-Vorstand weist darauf hin, dass sich die Zahl der Organspenden, die an einer fehlenden Zustimmung scheitern, in den letzten Jahren erhöhte: In der Hälfte der Fälle war das der Grund für den Abbruch der Organspende. Insbesondere, wenn die Verstorbenen zu Lebzeiten ihren Willen weder schriftlich noch mündlich geäußert hatten, gab es in der Hälfte der Fälle keine Zustimmung von den Angehörigen. Umso wichtiger sei es, dass jeder Bürger seine Entscheidung eigenständig treffe und auch dokumentiere, appelliert Rahmel. Derzeit würde die Entscheidung immer noch in zwei Drittel der Fälle von den Angehörigen getroffen.
„Aus Sicht der DSO ist auch das seit März verfügbare digitale Organspende-Register eine weitere Option, die genutzt werden sollte, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen“, sagt Thomas Biet, Kaufmännischer DSO-Vorstand. Es zeichne sich allerdings bereits ab, dass das Register per se nicht zu mehr dokumentierten Zustimmungen führe und auf diesem Wege die Trendwende geschafft werden könne. Denn bislang (Stand Mitte Oktober 2024) haben nur rund 180.000 Menschen eine Erklärung dort hinterlegt. Möglicherweise steigen die Zahlen aber noch, wenn mehr Bürgerinnen und Bürger über einen elektronischen Personalausweis verfügen oder eine Registrierung über die Krankenkassen-App möglich ist.
Auch könnte das Register sein volles Potenzial künftig entfalten, wenn die Widerspruchsregelung doch noch eingeführt werden sollte, äußert Biet: „Durch den jederzeit möglichen Zugriff der Kliniken auf das Register ist so gewährleistet, dass ein hinterlegter Widerspruch sicher auffindbar ist und dann auch entsprechend berücksichtigt wird. Es wäre zudem schon viel erreicht, wenn die Widerspruchsregelung die Auseinandersetzung mit dem Thema Organspende erneut fördere und mehr Menschen eine Entscheidung dazu treffen würden.“
Die Vorteile der Widerspruchsregelung betont auch Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des DSO-Stiftungsrates, der sich seit Jahren dafür stark macht: „Wir brauchen einen Systemwechsel bei der Organspende. Aus medizinischer Sicht, vor allem aber aus der Sicht der schwer kranken Patienten auf den Wartelisten für eine Transplantation wäre eine solche Regelung der Idealfall und würde uns langfristig nutzen.“
Quelle: DSO
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