Neues aus der Rechtsprechstunde

Der SVR gab 2021 die Empfehlung, grundsätzlich mit Geburt oder Zuzug für jede Person eine ePA per Opt-out-Verfahren einzurichten und zu nutzen (siehe SVR, BT-Drucks. 19/28700, Rn. 11 ff., 163 ff.). Auch sollten ePA-Daten für die „patientenwohldienliche Forschung“ zukünftig zugänglich sein (SVR, BT-Drucks. 19/28700, Rn. 202). Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) konkretisiert dies in seiner Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege vom März 2023 (BMG, Digitalisierungsstrategie [2023], S. 4): „Alle Versicherten erhalten eine ePA, die sie ein Leben lang begleitet. Die freiwillige Nutzung ist durch [ein Opt-out] sichergestellt. Bei der Versorgung wird auf die darin enthaltenen Gesundheits- und Pflegedaten zugegriffen, relevante Daten werden aufwandsarm [im Rahmen der] Versorgung eingestellt und, soweit kein Opt-out vorliegt, für Forschungszwecke [...] datenschutzkonform zugänglich gemacht.“ Daher enthält der Entwurf eines Digital-Gesetzes der Bundesregierung (Stand bis zum Redaktionsschluss) die Umstellung auf ein Opt-out-Modell. Dieser Artikel soll daher einen kleinen Überblick über die wichtigsten Regelungen geben, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Gesetzlich Krankenversicherte (im Folgenden: Versicherte) können bereits seit dem 1. Januar 2021 die kostenlose Zurverfügungstellung einer ePA bei ihren Krankenkassen beantragen (§§ 341 Abs. 1 Satz 1, 342 Abs. 1 SGB V). § 341 Abs. 1 Satz 2 SGB V stellt klar, dass die Anlage und „Nutzung“ der ePA durch den Versicherten freiwillig sind. Mit dem Antrags- und Einwilligungserfordernis wird die informationelle Selbstbestimmung der Versicherten doppelt abgesichert, um die Patientensouveränität, insbesondere in Form der „Datenhoheit“ (§§ 334 ff. SGB V) zu wahren.

Die einmal erteilte Einwilligung kann vom Versicherten jederzeit mit Wirkung für die Zukunft und ohne Angaben von Gründen (vgl. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 DSGVO, § 343 Abs. 1 Nr. 4 SGB V) widerrufen werden. Darüber hinaus besteht ein Löschungsanspruch (§§ 337 Abs. 2 beziehungsweise § 344 Abs. 2 SGB V; Art. 17 Abs. 1 DSGVO). Zu beachten ist, dass die ePA die lebenslange Krankengeschichte abbilden soll. Daher erfolgt keine reguläre Datenlöschung, sodass im Fall eines Krankenkassenwechsels die Daten übertragen werden können (§ 342 Abs. 2 Nr. 2 lit. d SGB V, vgl. Art. 20 DSGVO).

Die in § 203 StGB genannten Heilberufsgruppen (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB), das heißt, alle in Deutschland niedergelassenen (Vertrags)(zahn)Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Psycho- und Physiotherapeuten, Hebammen sowie Pflege-, Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen, einschließlich von berufsmäßig tätigen Gehilfen als mitwirkende Personen i. S. v. § 203 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StGB (zum Beispiel MT) sowie einer Vielzahl von Heil- (zum Beispiel Logopäden) und Hilfsmittelerbringern (etwa Optiker) haben Zugriffsrechte auf die ePA. Der Zugriff wird durch eine „eindeutige bestätigende Handlung durch technische Zugriffsfreigabe“ gewährt (vgl. § 339 Abs. 1 Satz 2, § 353 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB V).

Verantwortlich (Art. 4 Nr. 7 Var. 2, Halbs. 2 DSGVO) für die in der ePA verarbeiteten medizinischen Informationen zum Zweck der Anlage und Nutzung sind die Krankenkassen (§ 341 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 307 Abs. 4 SGB V). Diese haben in der Regel keine Zugriffs- und Ausleserechte (vgl. § 352, § 344 Abs. 2 Satz 2 SGB V).

Sobald Zugriffsberechtigte, wie beispielsweise ärztliche Personen, einen zulässigen Up- beziehungsweise Download von Daten in die beziehungsweise aus der ePA vornehmen, kommt es zu einem Verantwortungswechsel, einschließlich eines Wechsels im anwendbaren Datenschutzrecht (vgl. § 341 Abs. 4 Satz 2 SGB V).

Eine Ergänzung des Berufsgeheimnisschutzes (s. § 9 MBO-Ä; § 203 Abs. 1 StGB) im SGB V wird gefordert, da sämtliche Zugriffsberechtigten einer strafbewerten Geheimhaltungspflicht unterliegen sollten.

Nach § 363 SGB V dürfen ePA-Daten zu „Forschungszwecken“ benutzt werden, wenn die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind.

Die Versicherten bestimmen gemäß § 363 SGB V, welche Daten aufgrund ihrer wirksamen und freiwilligen Einwilligung für die ePA freigegeben werden (sogenannte Datenfreigabe). Zudem können sie auf Grundlage einer informierten Einwilligung für ein bestimmtes Forschungsvorhaben oder für bestimmte Bereiche der wissenschaftlichen Forschung Daten zur Verfügung stellen (sogenannte Datenspende).

Was bedeutet die ePA für Sie? Als Versicherte sollen Ihre Patientensouveränität erhalten bleiben, indem Sie entscheiden, ob und welche persönlichen Gesundheitsdaten von wem genutzt werden dürfen. Ohne Ihre rechtswirksame Einwilligung dürfen diese Gesundheitsdaten nicht genutzt werden.

Als Zugriffsberechtigte stellt die schnelle Datenverfügbarkeit einen Vorteil dar, der aber durch erhebliche Bürokratie belastet ist. Zudem werden Versicherte, die mangels technischer Affinität oder persönlicher Ablehnung über kein geeignetes Endgerät verfügen, hiervon nicht umfasst. Bei Forschungszwecken ist zu beachten, dass viele aussagekräftige Daten wünschenswert sind, andererseits das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Versicherten zu wahren ist, indem insbesondere Daten so sparsam und sicher wie möglich verarbeitet werden, um den Vertrauensschutz und den Geheimhaltungswillen zu wahren.

Spannend wird sein, wie sich die ePA durchsetzen wird, da bisher die Zurverfügungstellung der ePA von Versicherten nur in geringem Umfang beantragt wurde. Als Lösung wird die sogenannte Opt-out-ePA diskutiert. In diesem Fall wird den Versicherten eine ePA zur Verfügung gestellt. Die Versicherten können dann von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen. Diese Lösung ist nur denkbar, wenn ein Grundrechtseingriff vermieden wird, das heißt, die Versicherten es selbst in der Hand behalten, eine Verletzung ihres informationellen Selbstbestimmungsrechts abzuwenden.

Entnommen aus MT im Dialog 12/2023

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