Neue Behandlungsmöglichkeit für Schlaganfallpatienten

MRT-basierte Thrombolyse
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Studienleiter Prof. Dr. Götz Thomalla
Welche Therapie für einen Schlaganfallpatienten in Frage kommt, entscheidet sich meinst am MR-Scanner. Studienleiter Prof. Dr. Götz Thomalla (r.) Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
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Eine von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitete Studie („WAKE-UP“) hat erstmals gezeigt, dass auch Patienten, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden und die Symptome erst nach dem Aufwachen am nächsten Morgen feststellen, von einer sogenannten Thrombolyse profitieren können.

Die Wiedereröffnung des verstopften Blutgefäßes im Gehirn durch ein Medikament ist bisher nur möglich, wenn der Symptombeginn bekannt ist und nicht länger als 4,5 Stunden zurückliegt. In der WAKE-UP-Studie gelang es nun erstmals, mittels MRT-Diagnostik geeignete Patienten für die Thrombolyse auszuwählen, auch ohne den Zeitpunkt des Schlaganfalls zu kennen. Bei ihnen traten geringere neurologische Symptome oder Behinderungen auf als bei anderen Patienten. Die für die klinische Behandlung von rund 20 Prozent aller Schlaganfallpatienten wichtigen Studienergebnisse wurden zeitgleich bei der European Stroke Organisation Conference in Göteborg präsentiert und im Fachmagazin New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Schritt zur Verbesserung der Behandlung

„Das positive Ergebnis der WAKE-UP-Studie ist ein großer Schritt zur weiteren Verbesserung der Behandlung von Schlaganfallpatienten, da die Studie die Möglichkeit eröffnet, eine große Zahl von Patienten mit einer Thrombolyse zu behandeln, die bisher davon grundsätzlich ausgeschlossen waren“, sagt Prof. Dr. Götz Thomalla, Erstautor der Studie und Leitender Oberarzt in der Klinik für Neurologie des UKE. „Die Behandlung auf der Basis der MRT-Bildgebung ohne Wissen um den Zeitpunkt des Symptombeginns stellt einen Paradigmenwechsel für die Thrombolyse beim Schlaganfall dar.“ Auch Prof. Dr. Christian Gerloff, Direktor der Klinik für Neurologie und Stellvertretender Ärztlicher Direktor des UKE, schätzt die Bedeutung der Studie ausgesprochen hoch ein: „Die Ergebnisse von WAKE-UP werden einen direkten Effekt auf die klinische Praxis der Schlaganfallbehandlung haben. Auf der Basis der Studienergebnisse werden wir in Zukunft bei vielen Schlaganfallpatienten eine bleibende Behinderung abwenden können.“

Frühe Therapie schützt vor bleibenden Behinderungen

Schlaganfall ist die zweithäufigste Todesursache und die häufigste Ursache für bleibende Behinderung im Erwachsenenalter in der westlichen Welt. Ursache ist in der Regel der Verschluss eines Blutgefäßes im Gehirn (Ischämie) durch ein Blutgerinnsel (Thrombus). In der Folge stirbt das durch das verschlossene Gefäß versorgte Hirngewebe ab. Das Blutgerinnsel kann medikamentös durch die Behandlung mit einer Thrombolyse aufgelöst werden. Geschieht dies rechtzeitig, können bleibende neurologische Symptome oder eine Behinderung verhindert werden. Die intravenöse Thrombolyse mit dem Wirkstoff Alteplase ist eine effektive und sichere Akutbehandlung für den ischämischen Schlaganfall, wenn der Therapiebeginn innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach Symptombeginn erfolgt. „Bei rund 20 Prozent aller Patienten mit akutem Schlaganfall ist der genaue Zeitpunkt des Symptombeginns jedoch unbekannt, etwa weil die Symptome erst beim morgendlichen Erwachen bemerkt werden oder weil Patienten unbeobachtet einen Schlaganfall erleiden und aufgrund von Sprachstörungen keine Auskunft über den Symptombeginn geben können“, erläutert Prof. Thomalla. Diese große Gruppe von Patienten kam bislang allein aufgrund des fehlenden Wissens um das Zeitfenster für eine Thrombolyse nicht in Frage.

Mit MRT geeignete Patienten für Thrombolyse identifizieren

In die WAKE-UP-Studie wurden Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall und unbekanntem Zeitpunkt des Symptombeginns im Alter von 18 bis 80 Jahren eingeschlossen. Die Auswahl der Patienten für die Behandlung erfolgte mittels Magnetresonanztomographie (MRT). Verwendet wurden zwei spezielle Untersuchungssequenzen, die diffusiongewichtete Bildgebung (Diffusion Weighted Imaging, DWI) und die „Fluid-Attenuated Inversion Recovery“-Bildgebung (FLAIR). Aus früheren Untersuchungen war bekannt: Zeigt sich im DWI eine akute Schlaganfall-Schädigung, im FLAIR jedoch nicht eindeutig („DWI-Flair-Mismatch“), dann befindet sich der Patient mit großer Sicherheit noch in einem Zeitfenster, in dem die Thrombolyse effektiv und sicher angewandt werden kann.

503 Patienten behandelt

In der WAKE-UP-Studie wurden 503 solcher Patienten behandelt – entweder mit dem Wirkstoff Alteplase oder einem Scheinmedikament (Placebo). „Nach 90 Tagen war das klinische Ergebnis in der mit Alteplase behandelten Gruppe signifikant besser als in der Placebogruppe“, erklärte Studienleiter Thomalla. So erreichten 53,3 Prozent der mittels Thrombolyse behandelten Patienten ein sehr gutes klinisches Ergebnis, während dies nur bei 41,8 Prozent der Patienten in der Placebogruppe der Fall war. Prof. Thomalla: „Dies entspricht einer absoluten Zunahme von Patienten, die den Schlaganfall ohne Behinderung überstanden haben, von 11,5 Prozent.“ Patienten in der Alteplasegruppe hatten eine um 62 Prozent höhere Chance, drei Monate nach dem Schlaganfall geringere neurologische Symptome oder Behinderungen zu haben als die Patienten der Placebogruppe. Auch in der Selbsteinschätzung hinsichtlich Gesundheitszustand und Lebensqualität nach drei Monaten hatten die Patienten in der Alteplasegruppe signifikant profitiert.

Die WAKE-UP-Studie

WAKE-UP ist eine europäische, multizentrische, nicht-industriegeförderte klinische Studie zur MRT-basierten Thrombolyse bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall und unbekanntem Zeitpunkt des Symptombeginns, zum Beispiel Bemerken der Schlaganfallsymptome beim Erwachen. Die durch das 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union mit 11,6 Millionen Euro geförderte Studie wurde von Prof. Dr. Götz Thomalla und Prof. Dr. Christian Gerloff aus der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKE geleitet und an 70 Zentren in acht europäischen Ländern durchgeführt. Dem Studienkonsortium gehörte neben zahlreichen wissenschaftlichen und klinischen Partnern auch die europäische Patientenorganisation Stroke Aliance for Europe (SAFE) an. Ziel der Studie war der Nachweis der Effektivität und Sicherheit der MRT-basierten Thrombolyse mit dem Wirkstoff Alteplase bei Patienten, die Schlaganfallsymptome beim Erwachen bemerkt haben oder bei denen aus anderen Gründen der Zeitpunkt des Schlaganfalls unbekannt war. Das klinische Ergebnis wurde 90 Tage nach Schlaganfall anhand etablierter neurologischer Skalen beurteilt. Der primäre Endpunkt war dabei der Anteil der Patienten ohne neurologische Symptome beziehungsweise mit minimalen neurologischen Symptomen ohne Behinderung. (idw, red)

Literatur:

Götz Thomalla, Claus Z. Simonsen, Florent Boutitie, et al.: MRI-Guided Thrombolysis for Stroke with Unknown Time of Onset. New England Journal of Medicine 2018, DOI: 10.1056/NEJMoa1804355.

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