Bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einer COVID-19-Erkrankung können zu mangelnder sozialer Teilhabe und ausgeprägten emotionalen Belastungen führen. Ziel einer in der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (ZEFQ) veröffentlichten Studie war es herauszufinden, wie Long COVID auf die gesellschaftlichen Aktivitäten von Betroffenen wirkt und welche Rolle dabei die ärztliche Begleitung sowie das soziale Umfeld spielen.
Zwischen Januar und Mai 2022 wurden im Rahmen von qualitativen Interviews 25 Probandinnen und Probanden mit Long COVID zu ihrer gesundheitlichen Situation, der Wahrnehmung der Gesundheitsversorgung in Deutschland sowie ihrem sozialen und beruflichen Kontext befragt. Die überwiegend online geführten Interviews wurden inhaltsanalytisch ausgewertet und die Resultate anhand lebenswelttheoretischer Ansätze eingeschätzt.
Vielfältige gesundheitliche Beschwerden
Die Probandinnen und Probanden berichteten von vielfältigen gesundheitlichen Beschwerden wie Fatigue, Atemnot und kognitiven Beeinträchtigungen. Bei einem Großteil der Befragten herrschte eine pessimistische Grundhaltung hinsichtlich einer baldigen Genesung. Die meisten Teilnehmenden nahmen die ärztliche Begleitung von Long COVID als unzureichend wahr. Lange Wartezeiten auf spezialärztliche Termine und die fehlende Akzeptanz der gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin verstärkten vorhandene Unsicherheiten.
Einen großen Einfluss nahm, so die Studie, die Long-COVID-Erkrankung auch auf das soziale Leben der Probandinnen und Probanden. Viele Teilnehmende verwiesen auf einen belastenden Rückgang der Zusammenkünfte mit der Familie sowie Freundinnen und Freunden. Ein Großteil der Probandinnen und Probanden mied aufgrund einer hohen Ansteckungsangst physische Kontakte zu Freundinnen und Freunden sowie Familienangehörigen. Einige Teilnehmende erläuterten, dass sie sich bewusst von Personen aus dem Umfeld getrennt hätten, da diese ihre prekäre Situation nicht ernst nahmen. Eine wichtige Ressource stellte dagegen der engere Familien- und Freundeskreis dar, aus dem die Mehrheit der Befragten Unterstützung erhielt.
Erheblicher Unterstützungsbedarf
Während andere Studien insbesondere die umfangreichen psychischen und emotionalen Folgen von Long COVID wie Identitätskonflikte, Existenzängste oder Depressionen hervorheben, verdeutlicht diese Untersuchung, dass das Unverständnis seitens des medizinischen Fachpersonals sowie die stark verzögerte Weiterbehandlung die Betroffenen in emotionaler Leere zurücklässt.
Die Ergebnisse zeigen einen erheblichen Unterstützungsbedarf bei Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen nach einer COVID-19-Erkrankung. Eine empathische und empiriebasierte Beratung und Unterstützung durch Hausärztinnen und Hausärzte sowie eine Verbesserung der Zugangsstrukturen zu rehabilitativen Angeboten könnten entscheidende Hilfen für Menschen mit Long COVID darstellen.
Umfangreiche psychische und emotionale Folgen
Die Erkenntnisse der Untersuchung stehen im Einklang mit den Resultaten einiger anderer Studien, die auf erhebliche Einschränkungen des täglichen und sozialen Lebens sowie eine starke Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bei Long COVID verweisen. Diese Studien heben zudem die umfangreichen psychischen und emotionalen Folgen von Long COVID wie Identitätskonflikte, Existenzängste oder Depressionen hervor. Die aus der Sicht vieler Teilnehmender dieser Untersuchung unzureichende Begleitung der Long-COVID-Erkrankung durch die Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin sei besonders problematisch, da in der aktuellen S1-Leitlinie zu Long/ Post-COVID bei klinischer Stabilität der Long-COVID-Symptomatik eine hausärztliche Betreuung empfohlen wird. Im Rahmen verschiedener Studien berichteten Menschen mit Long COVID ebenfalls von begrenzter Beratung, fehlender Unterstützung und mangelndem Verständnis von Gesundheitsfachkräften. Dies führte zu Enttäuschung, Frustration, Isolation und einem Vertrauensverlust in die Gesundheitsversorgung.
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