Lehren aus der Coronapandemie

Jahrestagung der DGIIN
Kli
Intensivmedizin
Der Personal- und insbesondere der Pflegemangel auf den Intensivstationen war schon vor der Pandemie vorhanden. Tyler Olson - stock.adobe.com
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Im Rahmen ihrer Jahrestagung diskutiert die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), welche Lehren mit Blick auf die künftige intensiv- und notfallmedizinische Versorgung aus der Coronapandemie gezogen werden müssen.

Die Intensivstationen in Deutschland sind während der Coronapandemie regelmäßig an die Belastungsgrenze gestoßen – personell und strukturell. Insbesondere die personellen Engpässe wurden durch die Pandemie wie in einem Brennglas sichtbar. Im Rahmen ihrer Jahrestagung diskutiert die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) jetzt, welche Lehren mit Blick auf die künftige intensiv- und notfallmedizinische Versorgung gezogen werden müssen. Außerdem sprechen Expertinnen und Experten darüber, was nötig ist, um den Pflegemangel langfristig zu bewältigen.

Pflegemangel auf Intensivstationen

„Sowohl das ärztliche als auch das pflegerische Personal auf Intensivstationen musste während der Coronapandemie teils deutlich über der Belastungsgrenze arbeiten. Die Jahrestagung bietet uns die Möglichkeit einer intensiven wissenschaftlichen Diskussion über die Lehren aus der Pandemie, damit wir die intensiv- und notfallmedizinische Versorgung zukünftig und nachhaltig weiterentwickeln können“, sagt Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis, Präsident der DGIIN und Leitender Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim.

„Der Personal- und insbesondere der Pflegemangel auf den Intensivstationen war schon vor der Pandemie vorhanden, und er wird aufgrund der dauerhaft hohen Belastung und individuellen Beanspruchung während der Pandemie noch verschärft“, betont Carsten Hermes, Sprecher der Sektion Pflege der DGIIN. Schon vor der Pandemie mussten aufgrund des Personalmangels regelmäßig Intensivbetten gesperrt werden. Dieser Trend verschärft sich weiter. Um dem Pflegemangel entgegenzuwirken, braucht es aus Sicht der DGIIN-Experten eine angemessene Bezahlung, die den tatsächlichen Anforderungen an das Pflegepersonal gerecht wird, sowie eine verbindliche, am tatsächlichen und täglichen Bedarf orientierte Personalbesetzung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Mediziner und Pflegende gleichermaßen.

Neue Leitlinien

In der Intensiv- und Notfallmedizin können jeder Handgriff und jede Sekunde entscheidend sein, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten. „Die Basis für eine erfolgreiche intensiv- und notfallmedizinische Behandlung ist die Qualifikation des Personals, woraus sich auch unser Kongressmotto ´Kommunikation und Qualifikation` ableitet. Dabei spielen Leitlinien eine wichtige Rolle, weil sie Empfehlungen enthalten, die auf evidenzbasiertem Wissen aufbauen“, erläutert Prof. Dr. med. Guido Michels, Tagungspräsident der DGIIN und Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin am St.-Antonius-Hospital Eschweiler.

So beschäftigen sich die Teilnehmenden der Jahrestagung auch mit neuen Leitlinien, wie beispielsweise die im vergangenen Jahr veröffentlichte S3-Leitlinie zum Einsatz der extrakorporalen Zirkulation bei Herz-Kreislauf-Versagen. Dies ist die erste nationale Leitlinie, die zu diesem Verfahren überhaupt veröffentlicht wurde. Damit liegen erstmals evidenzbasierte Empfehlungen dazu vor. Die sogenannten ECLS-Systeme (Extracorporal Life-Support-Systeme) unterstützen das Herz-Kreislauf-System mechanisch. Sie können bei einem Herz-Kreislauf-Versagen helfen, weil sie zum einen die Pumpfunktion des Herzens und zum anderen die Gasaustauschfunktion der Lunge übernehmen.

Intensivmedizin und Ethik

Eine wichtige Säule der Jahrestagung und auch des intensivmedizinischen Alltags bildet die Ethik. In der Intensivmedizin kann es immer wieder zu einer Überversorgung der Patientinnen und Patienten kommen, beispielsweise dann, wenn Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, die zu keiner bedeutsamen Verbesserung der Lebensdauer oder Lebensqualität führen. „Ein Zuviel an Behandlung kann mehr Schaden als Nutzen verursachen und möglicherweise vom Patienten nicht gewollt sein. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen und diskutieren, wie sich dies vermeiden lässt“, erläutert Prof. Dr. med. Uwe Janssens, Generalsekretär der DGIIN. Die DGIIN hat kürzlich in einem Paper zusammengefasst, welche Ursachen und Folgen eine Überversorgung in der Intensivmedizin hat und wie sie sich vermeiden lässt. „Beispielsweise ist nicht immer alles, was technisch und medizinisch möglich ist, das Beste für den Patienten, wenn es den Gesundheitszustand nicht verbessert und möglicherweise auch nicht dem Patientenwillen entspricht“, erläutert Janssens, der auch Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler ist.

Dies zeige einmal mehr, wie wichtig es ist, im Versorgungsalltag den Patientenwillen mit Angehörigen und wenn möglich den Patientinnen und Patienten zu ermitteln. Auch hier ergibt sich aus Sicht des Experten eine Lehre aus der Coronapandemie: „Es ist von Bedeutung, dass auch in Notfallsituationen die Grundregeln für medizinische Entscheidungen eingehalten werden. Die COVID-19-Pandemie hat nachdrücklich gezeigt, dass es geboten sein kann, für besondere Situationen eine Notfallreserve bereitzuhalten und die dafür notwendige Finanzierung durchgängig zu sichern. Dabei müssen allerdings räumliche, technische, logistische und insbesondere personelle Ressourcen bedacht werden“, betont Janssens.

Die Jahrestagung veranstaltet die DGIIN gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin (ÖGIAIN) unter dem Motto „Kommunikation und Qualifikation“. Sie findet online vom 16. bis 18. Juni 2021 statt.



Quelle: DGIIN, 15.06.2021

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