Die Darmspiegelung, auch Koloskopie genannt, ist die effektivste und treffsicherste Methode zur Früherkennung von bösartigen Tumoren in Dick- und Mastdarm. Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 61.000 Menschen an diesem Krebs. Bei der Vorsorgedarmspiegelung sucht und entfernt der Arzt alle verdächtigen Wucherungen, sogenannte Polypen. „Doch nicht aus allen Polypen muss sich Krebs entwickeln – manche können harmlos sein, müssen derzeit aber sicherheitshalber trotzdem entfernt werden“, sagt Privatdozentin Dr. med. Andrea Riphaus, Vorsitzende der Sektion Endoskopie der DGVS und Chefärztin Innere Medizin II am St. Elisabethen-Krankenhaus Frankfurt, Katharina Kasper ViaSalus GmbH.
Computergestützte, lernfähige Systeme, die derzeit noch nicht im klinischen Einsatz sind, übermitteln beispielsweise während der Darmspiegelung die Bilder aus dem Inneren des Darms in 500-facher Vergrößerung an einen Computer. Dort prüft eine Software an 300 Einzelmerkmalen, ob es sich um eine Darmkrebsvorstufe, ein sogenanntes Adenom, oder um eine harmlose Wucherung handelt. „Aktuell müssen wir die Wucherungen entfernen und dann im Labor analysieren lassen. Bei den Systemen mit künstlicher Intelligenz erfolgt die Auswertung jedoch in weniger als einer Sekunde und der Arzt wird durch einen Ton oder über einen Hinweis auf dem Bildschirm gewarnt“, erläutert Riphaus.
In einer ersten klinischen Studie, deren Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Annals of Internal Medicine vorgestellt wurden, erzielten Gastroenterologen aus Japan mithilfe der künstlichen Intelligenz eine Genauigkeit von 93 Prozent. „Wenn die Ergebnisse in weiteren Studien bestätigt und noch verbessert werden, könnte die Technik in einigen Jahren im Routinebetrieb eingeführt werden“, so Riphaus.
Verbesserung der Polypen-Erkennungsrate
Da Systeme künstlicher Intelligenz lernfähig sind, ist künftig auch mit einer Verbesserung der Polypen-Erkennungsrate insgesamt zu rechnen, so die Expertin. „Gerade Adenome, also Krebsvorstufen, sind flach und oft in den Falten der Darmwand verborgen. Sie können auch mit den aktuell eingesetzten, hochauflösenden Endoskopiegeräten manchmal übersehen werden“, so Riphaus. Die Qualität der Vorsorge werde insgesamt verbessert, wenn es durch den Einsatz künstlicher Intelligenz weniger Unterschiede in der Adenom-Erkennungsrate zwischen einzelnen Ärzten gebe.
Dr. Riphaus rechnet damit, dass die Zuverlässigkeit der Software in Zukunft weiter gesteigert werden kann. „Dies entspricht dem Prinzip des maschinellen Lernens“, sagt die Expertin. „Die Software kann auf Rückmeldungen vom Pathologen angepasst werden und bei Fehlern ihre Algorithmen anpassen“.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Rückmeldungen auch erfolgen. Hier sind nach Einschätzung der Expertin noch groß angelegte und gut strukturierte Studien notwendig, sowie einige rechtliche und versicherungstechnische Hindernisse bei der Anwendung in der Zukunft zu überwinden. „Wir benötigen deshalb eine klinische Initiative zum Erwerb von Big Data für das maschinelle Lernen in der Koloskopie.“
Mori Y et al. Real-Time Use of Artificial Intelligence in Identification of Diminutive Polyps During Colonoscopy: A Prospective Study. Annals of Internal Medicine 2018; doi: 10.7326/M18-0249
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30105375
Urban G et al. Deep Learning Localizes and Identifies Polyps in Real Time with 96% Accuracy in Screening Colonoscopy. Gastroenterology 2018; doi: 10.1053/j.gastro.2018.06.037
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29928897
Quelle: www.viszeralmedizin.com, 07.09.2018
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