„Tissue Engineering ist eine Zukunftstechnologie“, davon ist Benedikt Kaufmann überzeugt. Künstlich hergestelltes, funktionsfähiges Gewebe – beispielsweise Knorpel, Knochen oder Muskelgewebe – bietet potenziell eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten: beispielsweise in der Pharmakologie, wo Nutzen und Nebenwirkungen von Medikamenten untersucht werden müssen; oder in der Medizin zur Versorgung von Patienten mit Gewebeschäden. Doch die Herstellung von komplexem Gewebe, das dieselben Eigenschaften hat wie natürliches, ist schwierig. Könnte sich dies durch den Einsatz eines 3D-Druckers aus dem Elektromarkt ändern? Lässt sich damit ein lebendiges Gewebekonstrukt drucken?
Herstellung in größerem Maßstab ist ein Problem
Seit einigen Jahrzehnten nutzen Forschende verschiedenste 3D-Druck-Techniken, um organische Strukturen aus Biomaterialien und Zellen herzustellen, die dann durch gezieltes Training für ihre spätere Funktion vorbereitet werden sollen. „Doch trotz aller Erfolge sind wir noch weit von unserem Ziel entfernt, maßgeschneidertes Gewebe im größeren Maßstab herzustellen. Um das Tissue Engineering weiterzuentwickeln, müssten Forschende auf der ganzen Welt kooperieren, Wissen generieren und teilen“, betont der Bioingenieur am Centrum für Angewandtes Tissue Engineering und Regenerative Medizin (CANTER) der Hochschule München.
Bisher scheitere die Forschung mitunter schon - bevor sie begonnen hat – am Budget: Bioprinter, mit denen sich dreidimensionale Zellstrukturen herstellen lassen, kosten mehrere zehntausend Euro. Für kleinere Labore oder Institute sind sie damit oft unerschwinglich. Im Rahmen seiner Promotion hat Kaufmann jetzt eine kostengünstige Alternative entwickelt: Zusammen mit einem interdisziplinären Team am CANTER in Kooperation mit der Technischen Universität München hat er einen wenige hundert Euro teuren 3D Drucker aus dem Elektromarkt, mit dem normalerweise Prototypen und Modelle aus Kunststoff hergestellt werden, so modifiziert, dass sich mit ihm lebendes Gewebe drucken lässt. Die Open-Source-Bauanleitung steht jetzt jedermann kostenlos zur Verfügung.
Umbau des handelsüblichen Druckers
„Die größte Herausforderung lag in der Schaffung geeigneter Umgebungsbedingungen“, erinnert sich Kaufmann: Für die Verarbeitung von Proteinen und Zellen benötigt man neben hoher Luftfeuchtigkeit auch gleichmäßige 37 Grad Celsius. Nach ausgiebigen Tests entschieden sich die Forschenden für eine effiziente und kostengünstige Lösung: Heizfolien, an das Alugehäuse des Druckers geklebt und gesteuert durch einen Mikrocontroller, heizen den Innenraum auf die gewünschte Temperatur auf. Dabei erzeugt wassergetränkter Zellstoff eine Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent. Außerdem ersetzten die Forschenden die Druckplattform des Druckers, auf der schichtweise Strukturen aufgebaut werden: Bei handelsüblichen Druckern, die Kunststoff verarbeiten, ist diese Platte aus Metall. Der modifizierte 3D-Printer verfügt über eine Aufhängung, an der sich ein Glasplättchen befestigen lässt. Auf dieses lichtdurchlässige Plättchen können Biomaterialien und Zellen direkt aufgedruckt und anschließend hochauflösend unter dem Mikroskop untersucht werden.
Erstellung maßgeschneiderter Strukturen
Der sehr kleine Drucker arbeitet mit maskierter Stereolithographie, einem besonders zellschonenden Verfahren, bei dem Licht aus LEDs nach einem vorprogrammierten Muster durch ein Flüssigkristall-Display – ähnlich dem eines Handys oder Computer-Monitors – auf das mit einem gelatineartigen Hydrogel benetzte Glasplättchen projiziert wird. Hierbei werden gezielt einzelne Pixel des Displays aktiviert und sorgen so dafür, dass sich die im Hydrogel befindlichen Proteine exakt an den gewünschten Stellen vernetzen und aushärten – Schicht für Schicht entsteht so ein dreidimensionales Gebilde.
Einsatz auch in Schulen?
Neben den professionellen Laborgeräten im CANTER-Labor der Hochschule München wirke der umgerüstete 3D-Drucker fast zwergenhaft. Doch die Ergebnisse, die er liefert, stünden denen der Großgeräte nicht nach: „Unsere Versuche haben gezeigt, dass sich mit dem modifizierten 3D-Drucker organische Strukturgerüste mit unterschiedlicher Steifigkeit herstellen lassen – das ist wichtig, weil beispielsweise für Knochensubstanz eine höhere Härte erforderlich ist als für Muskelgewebe“, so Kaufmann. Mittlerweile sei es auch gelungen, Stammzellen während des Druckvorgangs direkt in die Strukturen zu integrieren. Für Teams von Forschenden, die bisher keine Möglichkeit hatten, selbst Gewebekonstrukte herzustellen, sind das gute Nachrichten: Sie könnten jetzt dank der im Netz verfügbaren Bauanleitung einen einfachen kommerziell erhältlichen 3D-Drucker zum Bioprinter umbauen. „Ingenieurstechnisches Know-how ist dafür nicht erforderlich“, betont Kaufmann. Damit sei der Weg auch für kleine Labore frei, Erfahrung mit der Herstellung, Charakterisierung und Optimierung von künstlichem Gewebe zu sammeln, Wissen zu generieren und zu teilen, um das Tissue Engineering weiterzuentwickeln. Selbst in Schulen können mit dem modifizierten Drucker erste Erfahrungen im 3D-Druck von Biomaterialien gesammelt werden.
Quelle: idw/HM
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