Kopf-Hals-Tumoren: Hoher Stellenwert der Radioonkologie

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Schema des Kehlkopfes
Schema des Kehlkopfes Alan Hoofring (Illustrator), National Cancer Institute, Gemeinfrei, wikimedia
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Zahlreiche wegweisende Studien wurden auf dem diesjährigen Kongress der „American Society of Clinical Oncology” (ASCO) zur Radiotherapie vorgestellt. Von besonderer Bedeutung hebt die DEGRO zwei Studien zu Kopf-Hals-Tumoren [1, 2] hervor.

Zu den Kopf-Hals-Tumoren zählen Mundhöhlen- und Rachenkarzinome, Larynxkarzinome (Kehlkopf) sowie bösartige Tumoren (Neoplasien) im Bereich der Nase und Nasennebenhöhlen. Bei diesen Indikationen könne die moderne Radiotherapie (RT) maßgeblich zum Therapieerfolg beitragen, so die DEGRO. In der Regel komme heute eine intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) zum Einsatz. Mit dieser Technik kann der Tumor mit hohen Dosen bestrahlt werden, während das gesunde Gewebe in der Tumorumgebung bestmöglich geschont wird. Dennoch kann es in Folge zu Nebenwirkungen kommen, häufig treten Schluckstörungen auf.

Schluckstörungen reduzieren?

Die DARS-Studie („dysphagia/aspiration-related structures“), eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie [1], untersuchte, ob Schluckstörungen (Dysphagie) bei der Bestrahlung der Kopf-Hals-Region reduziert oder vermieden werden können. Zwei Verfahren wurden miteinander verglichen. Die eine Behandlungsgruppe erhielt eine Standard-IMRT, die zweite eine „Dysphagie-optimierte“, intensitätsmodulierte Strahlentherapie (DO-IMRT). Bei der DO-IMRT wurde für das Bestrahlungsvolumen des Musculus constrictor pharyngis (deutsch auch „Schlundschnürer“-Muskel), das nicht im hochdosierten klinischen Zielvolumen lag, eine vorgeschriebene mittlere Dosisbegrenzung (<50 Gy) festgesetzt. Nach 12 Monaten wurde mittels Fragebögen die Schluckfähigkeit bzw. Ernährung erfasst („MD Anderson Dysphagia Inventory“ /MDADI-Score und „PSS-HN Domain-Score“). Die Ergebnisse wurden verblindet beurteilt.

Wiedererlangen der normalen Schluckfunktion

In der DO-IMRT-Gruppe berichteten 25% mehr Patientenein Wiedererlangen der normalen Schluckfunktion als in der Standard-IMRT-Gruppe. Die DO-IMRT verbesserte den MDADI-Score (20-100 Punkte) um 7,2 Punkte und die vom Sprech- und Sprachtherapeuten bestimmten Schluck-Domänen auf der PSS-HN-Skala um 10–12 Punkte (Skala von 0 bis 100). Einschränkend müsse allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse noch vorsichtig zu beurteilen seien, da fast ausschließlich p16 positive Oropharynxkarzinome in die Studie aufgenommen worden seien und die Fallzahl mit 112 Patienten vergleichsweise gering sei, so die DEGRO. Somit könnten noch keine sicheren Aussagen zur Rückfallrate getroffen werden. Dennoch zeige die Studie eindrucksvoll, dass durch eine Optimierung der Bestrahlungsplanung die langfristige Lebensqualität der Patientin günstig beeinflusst werden könne.

Funktioneller Vorteil der DO-IMRT

„Mit der DO-IMRT konnte die Strahlendosis auf den Musculus constrictor pharyngis signifikant reduziert werden; es resultierte eine merkliche Schonung bestimmter Muskelgruppen der Kopf-Hals-Region“, so Frau Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radiologie (DEGRO). „In der Studie konnte erstmals randomisiert ein funktioneller Vorteil der DO-IMRT für die Patienten gezeigt werden. Sie unterstützt damit die Entwicklung eines neuen Standards bei der Behandlung von Patienten mit Kopf- und Halskarzinomen.“

Hochrisiko-Patienten mit Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich

Eine weitere multi-institutionelle, randomisierte Phase-II/III-Studie („JCOG1008“) [2] der JCOG-HNCSG („Japan Clinical Oncology Group” – „Head and Neck Cancer Study Group”) verglich bei Hochrisiko-Patienten mit Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich („SCCHN“; das sind Malignome, die von Schleimhautzellen ausgehen) zwei verschiedenen Regimes einer postoperativen Chemoradiotherapie mit Cisplatin. Als Hochrisiko gilt, wenn ein Tumorstadium III/IV vorliegt, die Resektionsränder nicht tumorfrei waren oder bestimmte Tumorlokalisationen vorliegen. An 28 Studienzentren wurden die Patienten in zwei Gruppen eingeteilt. Beide Gruppen erhielten die Standard-RT (66 Gy in 33 Fraktionen); Gruppe 1 (n=132) erhielt dazu 100 mg/m2 Cisplatin alle drei Wochen und Gruppe 2 (n=129) erhielt wöchentlich 40 mg/m2 Cisplatin. Der primäre Endpunkt der Nicht-Unterlegenheit der wöchentlichen Cisplatin-Gabe plus RT hinsichtlich des Gesamtüberlebens wurde erreicht.

Rezidivfreies Überleben tendenziell besser

Das rezidivfreie Überleben über inzwischen fast sieben Jahre ist in Gruppe 2 tendenziell besser (64,5% vs 53%; HR 0,71), ebenso das lokal-rezidivfreie Überleben über drei Jahre (69,6% in Gruppe 2 und 59,5% in Gruppe 1; HR 0,73). Das Sicherheitsprofil bei wöchentlicher Cisplatin-Gabe + RT war gut, akute Nebenwirkungen (z. B. Blutbild, Übelkeit, Infektionen, Niereninsuffizienz, Schwerhörigkeit) waren sogar seltener als in Gruppe 1. „Erstmals konnte gezeigt werden, dass bei postoperativen Hochrisiko-SCCHN-Patienten im Rahmen der Chemo-Strahlentherapie die wöchentliche Cisplatin-Gabe der dreiwöchentlichen nicht unterlegen ist. Sie bietet sogar klare Vorteile“, so Prof. Combs. „Die DEGRO empfiehlt daher dieses Vorgehen als eine weitere Standardbehandlungsoption für diese Patienten.“

Weitere Studien angemahnt

„Beide Studien zeigen den hohen Stellenwert der Strahlentherapie in Kombination mit medikamentöser Tumortherapie in der Behandlung von Tumoren der Kopf-Hals-Region“, betont Prof. Dr. Rainer Fietkau, Präsident der DEGRO, „und die Notwendigkeit, durch Studien in der Radioonkologie diese Therapieoptionen weiter zu verbessern“.

Literatur:

[1] Nutting C, et al. J Clin Oncol 38: 2020 (suppl; abstr 6508)

[2] Kiyota N, et al. J Clin Oncol 38: 2020 (suppl; abstr 6502)

Quelle: idw/DEGRO

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