KI im Labor: MT werden weiter gebraucht!

Das waren die Highlights vom DKLM in Bremen
Mirjam Bauer und Michael Reiter
Gruppenfoto mit Preisträgern/-innen vom DKLM
Abb. 1: Preisverleihung: Poster- und Vortragspreise DGKL/DVTA © DGKL/DVTA/Joerg Sarbach
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Umgestaltete Prozesse, mehr Robotik, mehr POCT und eine zunehmend personalisierte Medizin mit molekularer Diagnostik und Datenmanagement: Das sind die herausragenden Trends im Labor.

Diese Themen bot auch der Deutsche Kongress für Laboratoriumsmedizin (DKLM), organisiert von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) und dem Dachverband für Technologen/ -innen und Analytiker/-innen in der Medizin Deutschland e.V. (DVTA). Neben den Trend-Updates berücksichtigte die DKLM-Agenda auch fachliche Dauerläufer wie molekularbiologische sowie hämatologische Themen, betonte Christiane Maschek, DVTA-Präsidentin Fachrichtung Laboratoriumsanalytik/Veterinärmedizin.

„Wir.Fördern.Globale Gesundheit“

Vor diesem Hintergrund spielten Aus-, Fort- und Weiterbildung in Bremen eine zentrale Rolle. Wie gehe ich mit Patientendaten um, an welcher Stelle stehen die künstliche Intelligenz (KI) und das maschinelle Lernen? Wie nehme ich die Praxisanleitungen mit auf den Weg, mehr MTL auszubilden trotz hohem Arbeitsaufwand in der Diagnostik? Antworten auf solche Fragen brachte laut Maschek das Kongressprogramm. Unter dem Motto „Wir.Fördern.Globale Gesundheit“ wurde ein umfangreiches Spektrum mit zahlreichen Aspekten geboten.

Dabei sollten drei Schwerpunktthemen Einblicke in die zentrale Rolle der Labormedizin geben und die wesentlichen gesundheitlichen Entwicklungen der aktuellen Zeit abbilden: KI, Migrationsmedizin und Gendermedizin. Bei der Migrationsmedizin stellten sich die Fragen: Wie passen wir sowohl die Diagnostik als auch die Präventionsstrategien an mobile Gesellschaften und die zunehmenden, auch klimabedingten neuen Infektionserkrankungen und Zoonosen an? Was können wir von der Veterinärmedizin lernen?

Plenarsitzung auf dem DKLM

So verdeutlichte in der Plenarsitzung zur globalen Gesundheit Prof. Dr. Franz J. Conraths, Friedrich-Loeffler-Institut, mit seinem Vortrag „One Health: Die Gesundheit von Tieren, Menschen und der Umwelt gemeinsam betrachten“ die Wichtigkeit der Zoonosen: 60 Prozent der bekannten menschlichen Infektionskrankheiten seien zoonotischen Ursprungs. 75 Prozent der neu auftretenden Infektionskrankheiten haben einen tierischen Ursprung, dabei stammen 70 Prozent von Wildtieren.

Hauptansteckungsquelle für den Menschen sind jedoch Haus- und Nutztiere. Fünf neue menschliche Krankheiten treten jedes Jahr auf, drei davon sind tierischen Ursprungs. 80 Prozent aller Stoffe mit bioterroristischem Potenzial sind zoonotische Erreger. Durch die zunehmende Globalisierung und Mobilität werden früher selbstlimitierende Zoo­nosen heutzutage vermehrt verschleppt; zudem verstärkt der Klimawandel die Ausbreitung von übertragbaren Krankheiten beispielsweise durch Mücken. Es ist wichtig, den Menschen als eine Art von vielen zu begreifen. Für die Labormedizin heißt das, Erreger mit hohem pandemischen Risikopotenzial frühzeitig zu erkennen.

Gendermedizin: Bessere Versorgung für Frauen

In der Gendermedizin wurde beleuchtet, wie die Labormedizin beispielsweise über genderspezifische Entscheidungsbereiche besser zur Versorgungsqualität von Frauen beitragen kann. So wurden Genderaspekte unter anderem bei Liquor-Referenzwerten, ausgewählten neurologischen Erkrankungen und autoimmunen Enzephalitiden betrachtet; daneben stand die X-Chromosom-Inaktivierung bei der Multiplen Sklerose, den Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen auf der Agenda.

Das aktuelle Topthema in sämtlichen Branchen, die KI, zeigte für die Medizin neben den Potenzialen von Large-Language-Modellen (LLM), Chatbots oder generativer KI in der Labormedizin auch Beispiele von Deep-Learning-Technologien für die präzise Diagnosestellung bis hin zum Einsatz des Digitalen Zwillings in der Forschung beziehungsweise im Management der immunologischen Erkrankungen.

POCT und KI

Die Bedeutung des POCT (Point-of-Care-Testing) nimmt weiter zu, so die Beobachtung von Harald Maier. Festzustellen seien relevante Unterschiede in den Wertelagen der POCT-Geräte sowie bei den Methoden. Klassisch sei hier das Beispiel des Kalziums, das am Blutgas-Gerät ionenselektiv gemessen werde; Werte der ionisierten Form seien nur etwa halb so hoch wie im nasschemischen Labor, erklärte der MTL und Laborleiter aus Altötting. KI sollte dabei unterstützen, solche Unterschiede so darzustellen und zu vergleichen, dass Ärztinnen und Ärzte die Laborwerte richtig beurteilen können.

Hindernisse bei POCT ergäben sich insbesondere dadurch, dass diese Methoden vorrangig bei vorselektierten Patientengruppen Anwendung fänden, fuhr der MT fort. So gehe es in onkologischen Ambulanzen um Hb – mit vielen anämischen Patienten im Kollektiv. Verwaschene Referenzbereiche bildeten daher hier ein Risiko. Die Überprüfung der Referenzbereiche laut RiliBÄK sei ein attraktives Einsatzgebiet des maschinellen Lernens, so der Laborleiter weiter. Die Tools richtig anzuwenden und die Korrektheit der Ergebnisse einzuschätzen – das gehöre in die Domäne der MTL mit ihrem medizinischen Sachverstand (Das vollständige Interview mit Harald Maier und Dr. Trulson finden Sie hier).

Wie verändert sich die Laboratoriumsmedizin durch KI? Diese Technologie leiste wertvolle Unterstützung, sagte Dr. Inga Trulson. Sie mache die Arbeit im Labor effizienter, beschleunige Prozesse und helfe, Fehler zu vermeiden – wobei Ergebnisse überprüft werden müssten. Was können MT tun, um sich zu informieren und weiterzubilden? Ganz viel, erklärte die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Herzzentrum München. So biete das Junge Labor der DGKL spannende Kurse etwa für die R-Programmierung. MT könnten dank Technologie eigene Ideen fortentwickeln und sich selbst verstärkt einbringen.

Hämolyseerkennung in der Blutgasanalytik

Bei einem Lunch-Symposium von Werfen ging es um das wichtige Thema Hämolyse. Der Goldstandard beziehungsweise Hämolyse-Serum-Index beinhaltet eine photometrische Bestimmung des freien Hämoglobins, um den Hämolysegrad einer Blutprobe zu erkennen. Dazu muss das Vollblut zentrifugiert werden. Blutgasanalysen (BGA) werden im Normalfall nicht zentrifugiert und nicht erkannte Hämolyseprozesse können zu veränderten Werten, insbesondere zu erhöhtem Kalium und niedrigem Hämoglobin, führen. So kontrolliert Prof. Dr. Michael Bernhard aus der Notaufnahme des Universitätsklinikums Düsseldorf jede BGA, die diese Kombination aufweist, um Patienten vor unnötigen Klinikaufenthalten zu bewahren. Dr. Gert Blankenstein, Werfen Bedford/USA, stellte das patentierte Verfahren zur Hämolyseerkennung vor, welches Wiederholungsmessungen unnötig machen soll.

Basierend auf einer mikrofluidischen Technologie zur Plasmatrennung – kombiniert mit einer optischen (photometrischen) Hämolysemessung – entwickelte sein Unternehmen eine optische Durchflussmesszelle. Sie ist im Blutgasanalysesystem integriert und die Messung findet innerhalb von 45 Sekunden, parallel zur kompletten Probenanalyse, statt, ohne zusätzliches Probenvolumen. Eine LED-Lichtquelle und ein optischer Detektor sorgen für die Absorptionsmessung. Diese automatisierte und innovative Hämolyseerkennung ist beispielsweise im „GEM Premier 700“ eingebaut und dient dem Nachweis der Hämolyse in Vollblutproben. Das Gerät kennzeichnet den Grad der Hämolyse als leicht, moderat und schwer über die bekannten Flags. Es zeigt dabei eine hervorragende Übereinstimmung mit den etablierten Labornachweis­verfahren für Hämolyse und bietet eine integrierte technologische Lösung zur Qualitätssicherung der Kalium-Ergebnisse aus Vollblut am Point-of-Care.

 

Margot-Schumann-Preis

In Bremen wurde erneut der Margot-Schumann-Posterpreis an drei engagierte BMA verliehen. Schumann ist eine Pionierin in der Berufsgeschichte der MT(A)-Berufe. Ihren Einsatz für den Berufsstand will der Stifter ehren und die Preisträger motivieren, sich im Sinne Margot Schumanns ebenfalls in Forschung und Lehre zur Weiterentwicklung der beruflichen Praxis zu engagieren. Den ersten Preis erhielt in diesem Jahr Kevin Loos (Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin, Bonn) mit seiner Arbeit über „automatisierte Diagnostik hereditärer Thrombozytopathien auf Basis phänotypischer Eigenschaften am Beispiel der Thrombasthenie Glanzmann“.

Der zweite Preis wurde an Luca Marie Roth (Hochschule Furtwangen) verliehen. Ihr Thema: „Can microplastic particles be identified in different medical matrices?“ Der dritte Preisträger, Michael Osterhage (Institut für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin, HDZ-NRW), präsentierte sein Poster mit dem Thema „Evaluating the response to oxidative stress and the generation of reactive oxygen species in ABCC6-deficient human mesenchymal stem cells“. Der DVTA gratulierte allen Preisträgerinnen und Preisträgern und dankte dem Sponsor Dr. Neumann & Kindler Ltd. & Co. KG für die Unterstützung.

Preis für Biochemische Analytik

Prof. Dr. Rudolf Valenta von der Medizinischen Universität Wien erhielt beim DKLM den renommierten Preis für Biochemische Analytik. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis, gestiftet von Sarstedt, würdigt herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der biochemischen und molekularen Analytik. Verliehen seit 1970, zählt dieser Preis zu den wichtigsten Auszeichnungen in der deutschen Forschungslandschaft. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit Professor Valenta einen Wissenschaftler ehren können, dessen Arbeit so großen Einfluss auf die medizinische Forschung hat“, betonte DGKL-Präsident Prof. Dr. med. Harald Renz.

Valenta empfing die Auszeichnung für seine bahnbrechenden Arbeiten in der molekularen Allergologie. Seine Forschung hat maßgeblich dazu beigetragen, die Ursachen von Allergien besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Valentas Arbeit – und die seines Teams – fokussiert sich auf die allergieaus­lösenden Moleküle. Molekularbiologische Methoden kommen zum Einsatz, um diese Moleküle in rekombinanter Form zu produzieren. In den letzten 20 Jahren, so Valenta, haben sie Eingang in die molekulare Allergiediagnostik gefunden. Genauere Diagnostik, die Erfassung bestimmter Allergieformen und die zielgerichtete Therapiestellung wurden damit möglich.

Die Grundlage bilde die Arbeit im Labor, fuhr der Preisträger fort. Sie beruhe auf dem Nachweis der spezifischen Antigene eines Patienten gegen die einzelnen Allergiemoleküle. Eine Reihe von Tests steht hierzu mittlerweile zur Verfügung.

Hoher Stellenwert der molekularen Allergiediagnostik

Der Stellenwert dieser molekularen Allergiediagnostik in der Gesundheitsversorgung sei enorm, hob Valenta hervor: Rund 30 Prozent der Bevölkerung leiden an Allergien – von milden Formen wie dem Heuschnupfen bis hin zu schweren wie dem Asthma. Zu potenziellen Folgen zählen anaphylaktischer Schock und Organversagen.

Die Arbeiten Valentas und seines Teams ermöglichen es, Allergierisiken vorherzusagen – bereits im Kindesalter. Die MT sind laut dem Experten hier wichtig, da insbesondere die innovativen Tests im Rahmen der Chipdiagnose in Handarbeit durchgeführt werden müssen. Es sei ausschlaggebend, dass die MT hierbei sorgfältig arbeiten. Der Preisträger verglich die Herausforderung mit Navigationssystemen im Auto: Sie könnten in die Irre führen – und so sei auch in der Allergiediagnostik die solide, kompetente Arbeit der MT nicht wegzudenken. Ein Video mit Prof. Valenta finden Sie hier.

Neue Technologien und neue Anforderungen – diese Veränderungen werden die Zukunft im Labor prägen, unterstrich die DVTA-Präsidentin Maschek in Bremen. Mit zunehmender Technisierung und Präzisierung in der personalisierten Medizin werde mehr Personal benötigt. Auch die Tätigkeiten von MTL werden sich verändern, wie etwa als Datenmanager und in der statistischen Datenanalyse. Ansprüche des „nachwachsenden“ Personals an die Work-Life-Balance müssten berücksichtigt werden. „Wir brauchen eine gute Ausbildung und auch die hochschulische Ausbildung, um dem Beruf eine Perspektive zu geben und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dazu benötigen wir außerdem die Unterstützung der politischen Vertreter“, so Maschek.

 

Entnommen aus MT im Dialog 11/2024

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