Laut Deutschem Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung erleiden allein in Deutschland jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen einen Herzinfarkt. Zwar hat sich seit 1980 die Zahl der Infarkttoten halbiert. Trotzdem war ein Herzinfarkt 2015 noch die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Die Behandlung der Patientinnen und Patienten hat inzwischen ein hohes Niveau erreicht. Dennoch entwickeln viele der Betroffenen nach dem Ereignis eine Herzschwäche, weil sich der Herzmuskel nicht optimal erholt. Nach einem Infarkt spielt nach Erkenntnissen überwiegend aus Tierstudien die Entzündungsreaktion eine wichtige Rolle, und beeinflusst entscheidend, ob die Funktionen des Herzmuskels wiederhergestellt werden. „Eine fehlgeleitete oder überschießende Immunantwort kann diese Wiederherstellung der Herzfunktion gefährden“, sagt Dr. Kami Pekayvaz, Erstautor der neuen Studie und Clinician Scientist an der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums.
Multi-Omics-Methoden eingesetzt
Wie sich das Immunsystem nach einem Herzinfarkt beim Menschen „verhält“, hat ein Team um Dr. Kami Pekayvaz, Viktoria Knottenberg, PD Dr. Leo Nicolai und Prof. Konstantin Stark von der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums München und Corinna Losert und Dr. Matthias Heinig von Helmholtz Munich erstmalig analysiert. Die Forschenden untersuchten die Blutproben von Herzinfarkt-Patienten, die am LMU Klinikum behandelt wurden und unterschiedliche Verläufe aufwiesen. Die im Blut befindlichen Immunzellen wurden Zelle für Zelle einzeln in Bezug auf ihre RNA-Zusammensetzung untersucht. RNA entsteht, wenn Zellen die Information ihrer Gene in Proteine übersetzen – so kann eine sogenannte Transkriptomanalyse den aktuellen Zustand und die Eigenschaften einer Zelle aufdecken. Außerdem wurde das Blutplasma mittels Proteinanalysen auf verschiedene Botenstoffe untersucht, die zum Beispiel Hinweise auf Entzündungen geben. Diese Analysen gehören zu den modernsten möglichen Verfahren, sogenannten Multi-Omics-Methoden.
Ein Atlas der Immunantworten
Ein bestimmtes Verfahren der Bioinformatik (MOFA, für Multi-Omics Factor Analysis) erkannte in der Masse der erzielten Daten übergreifende Muster. „Diese Methode ist optimal, um viele kleinere Effekte, die koordiniert in die gleiche Richtung gehen, zu erkennen und zusammenzufassen“, sagt Dr. Matthias Heinig, Leiter einer bioinformatischen Arbeitsgruppe bei Helmholtz Munich. So konnte eine Art Atlas der Immunantworten nach einem Herzinfarkt erstellt werden. „Diese Muster können Unterschiede zwischen den klinischen und zeitlichen Verläufen der Patienten erklären“, sagt Prof. Konstantin Stark, Leitender Oberarzt der Kardiologie am LMU Klinikum. Das bedeutet: Bestimmte dieser „Immunsignaturen“ assoziieren mit einer besseren Erholung der Herzfunktion, andere mit einer schlechteren.
Klinischen Verlauf besser beurteilen?
Dieser Atlas der Immunantwort im Herzinfarkt hat große Relevanz für die weitere kardiovaskuläre Grundlagenforschung und weist potenziell darauf hin, dass anhand von Multi-Omics-Analysen aus Blutproben der klinische Verlauf eines Infarkt-Patienten beurteilt werden könnte. Dafür aber muss das Konzept der MOFA-basierten Diagnostik in kardiovaskulären Erkrankungen in weiteren Studien überprüft werden – und das haben die Münchner Forschenden in den kommenden Jahren vor.
Quelle: idw/LMU Klinikum
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