Das Mikrobiom ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Dabei ist die Anzahl der auf bzw. im menschlichen Körper lebenden Bakterien höher als die Gesamtzahl der Zellen im Körper. Die meisten dieser Bakterien besiedeln allerdings den Gastrointestinaltrakt und helfen dort u.a. bei der Verdauung der Nahrungsmittel. Das Mikrobiom wiegt etwa anderthalb Kilogramm und übt auch eine schützende Wirkung gegenüber Krankheitserregern aus, die beispielsweise über die Nahrung in unser Verdauungssystem eindringen. Über welche Mechanismen das Mikrobiom einer Salmonellen-Infektion entgegenwirkt, untersuchte nun ein internationales Team um Dr. Lisa Osbelt-Block und Prof. Till Strowig, beide vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.
Klebsiella oxytoca setzt Salmonellen unter Druck
Wenn ein Mensch etwas isst, beginnt im Darm ein Kampf um die Nahrung. Die verschiedenen Bakterien des Mikrobioms beginnen, die Nahrung zu zersetzen und Nährstoffe für sich daraus zu ziehen. Dabei konkurrieren sie nicht nur untereinander, sondern mitunter auch mit gefährlichen Eindringlingen wie Salmonellen oder sogenannten enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC). Gegen Salmonellen scheint eine bestimmte Bakterienart des Mikrobioms besonders schlagkräftig zu sein, wie ein internationales Team um Lisa Osbelt-Block und Till Strowig aus der HZI-Abteilung „Mikrobielle Immunregulation“ jetzt herausfand. Dabei handelt es sich um Bakterien vom Typ Klebsiella oxytoca. Sie wirken auf mehrere unterschiedliche Arten gegen Salmonellen – und das könnte grundlegend neue Therapieansätze eröffnen, deren Prinzipien sich womöglich auch auf die Behandlung anderer Infektionskrankheiten übertragen lassen könnten.
Konkurrenz um Nahrung und Toxineinsatz
Der erste Mechanismus, wie Klebsiella oxytoca Salmonellen unter Druck setzt, ist schlicht die Konkurrenz um Nahrung. „Man könnte es so beschreiben: Klebsiella oxytoca und Salmonellen haben gewissermaßen den gleichen Geschmack. Sie konkurrieren daher um die gleichen Nährstoffe. Wenn mehr das Gleiche wollen, dann setzt das alle unter Druck – und weil Klebsiella oxytoca etwas durchsetzungsfähiger ist, geraten insbesondere die Salmonellen ins Hintertreffen: Für sie ist weniger Nahrung da, was ihre Ausbreitung stört“, sagt Osbelt-Block. Ein großer Teil der Klebsiella oxytoca-Stämme kann außerdem ein Toxin ausschütten, eine für den menschlichen Darm schädliche Substanz. Das Forschungsteam fand nun überraschenderweise heraus, dass das Toxin von Klebsiella oxytoca aber auch gegen die Salmonellen wirkt.
Paradigmenwechsel beim Toxin
Die Betrachtung des Toxins führt teilweise zu einem Paradigmenwechsel: Bisher waren ausschließlich negative Wirkungen des Toxins bekannt. Es erschien keinen Nutzen zu haben, dass ausgerechnet ein Bakterium des Mikrobioms ein solches Toxin ausschüttet. „Mit der Wirkung des Toxins auf die Salmonellen könnte man sich die Ausschüttung des Toxins ein Stück weit evolutionär erklären. Interessanterweise findet man Stämme, die das Toxin produzieren können, insbesondere im Mikrobiom von Kindern. In manchen Studien finden sich Toxin-produzierende Stämme bei fast jedem zweiten Kind. Auch das ergibt jetzt zumindest theoretischerweise ein wenig Sinn“, sagt Strowig.
Toxin ist keine therapeutische Option
Trotzdem sehen die Wissenschaftler/-innen im Ankurbeln der Ausschüttung des Toxins keine therapeutische Option. „Die schädigende Wirkung des Toxins steht weiterhin deutlich im Vordergrund. Daher ist es zur Vorbeugung gegenüber einer Salmonellen-Infektion oder zur Bekämpfung derselben eher erstrebenswert, die Menge an Klebsiella oxytoca auf einem stabilen Mittelmaß zu halten“, betont Osbelt-Block. Hinweise, wie das gelingen könnte, hat das Forschungsteam auch bereits gefunden: Offenbar führt eine zucker- und kohlenhydratreiche Ernährung dazu, dass Klebsiella oxytoca mehr Toxin ausschüttet. Eine zucker- und kohlenhydratarme Ernährung hingegen bewirkt, dass das Bakterium weniger Toxin ausschüttet.
Vielfalt des Mikrobioms als Schlüssel
Die Forschenden suchen nun noch nach anderen, spezielleren Möglichkeiten, wie sich die Menge an Klebsiella oxytoca und die Toxinausschüttung beeinflussen lassen. „Wenn wir hier wirksame Hebel finden und man beispielsweise durch eine bestimmte Ernährungsweise oder die Einnahme bestimmter Substanzen Klebsiella oxytoca gezielt beeinflussen kann, dann eröffnet das eine völlig neue Perspektive: Man könnte das Mikrobiom gezielt stärken“, sagt Strowig. Angesichts der aktuellen Therapieoption einer schweren Salmonelleninfektion wäre das ein enormer Fortschritt: Derzeit werden Antibiotika verabreicht – und die greifen immer auch das Mikrobiom im Darm an. Besonders in den vergangenen Jahren kristallisierte sich zunehmend heraus, dass eine vermehrte Einnahme von Antibiotika das Mikrobiom nachhaltig beeinträchtigen kann. „Es dezimiert auch die Vielfalt des Mikrobioms. Und ein vielfältiges Mikrobiom ist bekanntermaßen gesund und wichtig. Das gilt übrigens auch für die Wehrhaftigkeit gegen Salmonellen: Je mehr verschiedene Stämme im Mikrobiom sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einige Stämme wie Klebsiella oxytoca mit den Salmonellen um die verbleibenden Ressourcen konkurrieren“, gibt Osbelt-Block zu bedenken.
Methode zur Untersuchung der Bakterienfunktionen
Neben der Suche nach Möglichkeiten zur gezielten Beeinflussung von Klebsiella oxytoca und naher Verwandter versuchen Osbelt-Block, Strowig und ihr Team auch die Wirkweise von Klebsiella oxytoca besser zu verstehen. Dazu schalten sie bei dem Bakterium gezielt Gene ein und aus – und das, während es im Verdauungstrakt von Tieren ist. Über die Anwendung dieser Methode haben die Forschenden bereits eine Publikation veröffentlicht. Die Methode, die mit der Anwendung der Genschere CRISPR verwandt ist, könnte auch dazu dienen, die Funktion anderer Bakterien im Mikrobiom zu analysieren. Hier gibt es noch viel zu entdecken, denn Expertenschätzungen zufolge besteht das Mikrobiom häufig aus mehr als 500 Spezies.
Quelle: idw/HZI
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