Wird die Blockade bei einem Herzinfarkt nicht schnell genug gelöst (z.B. durch einen Ballonkatheter) – etwa, weil der Infarkt unbemerkt bleibt oder die Behandlung zu spät erfolgt – stirbt das unterversorgte Herzgewebe ab. Nach dem Infarkt versucht der Körper, das geschädigte Gewebe abzubauen und zu ersetzen, was mit entzündlichen Prozessen einhergeht. „Die Entzündung nach einem Herzinfarkt ist für das Entfernen von abgestorbenem Gewebe notwendig. Aber wenn sie zu stark ausfällt, kann das Herz weiter geschädigt werden“, sagt Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel von der Universitätsmedizin Mainz. Eine zu starke Entzündung greife auch gesundes Gewebe an und führe zu einer übermäßigen Narbenbildung. Dadurch verliere das Herz an Elastizität und Pumpkraft.
Frauen besonders betroffen
Trotz des Diskussionen über Gendermedizin ist es nach wie vor so, dass Frauen besonders häufig zu spät behandelt werden, da ihre Symptome nicht der klassischen Vorstellung eines Herzinfarkts entsprechen. Während Männer oft über den typischen Brustschmerz mit Ausstrahlung in den linken Arm klagen, haben Frauen häufiger unspezifische Beschwerden wie Übelkeit, Schweißausbrüche, Atemnot oder Rückenschmerzen. „Es ist absurd, dass diese Beschwerden als ‚atypisch‘ gelten. Frauen sind keine Ausnahme – sie machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Weil ihre Symptome nicht ausreichend bekannt sind, bleiben viele Herzinfarkte unentdeckt“, so Wenzel. Werde ein Infarkt zu spät erkannt, bleibe dann oft keine Zeit mehr für eine Reperfusionstherapie, also die Wiedereröffnung des Gefäßes mit einem Ballonkatheter.
Neue Therapie als Alternative sein?
Wenzel und sein Team haben herausgefunden, dass der sogenannte TF-PAR2-Signalweg eine Schlüsselrolle in dieser schädlichen Entzündungsreaktion spielt. Der Gewebefaktor (Tissue Factor, TF) und der Protease-aktivierte Rezeptor 2 (PAR2) tragen demnach dazu bei, dass bestimmte Immunzellen übermäßig aktiviert werden, was zu vermehrter Fibrose und somit zu einer weiteren Verschlechterung der Herzfunktion führe. Greife man hier präzise und gezielt ein, lasse sich die anhaltende Gerinnung und Entzündung verringern – zwei Faktoren, die besonders bei Herzinfarktpatienten ohne Reperfusion eine entscheidende Rolle spielen. Wenzels Entdeckung beschreibt eine neue Methode, diesen schädlichen Mechanismus gezielt zu blockieren. Dies könne durch spezielle Medikamente geschehen, darunter Blutgerinnungshemmer (Antikoagulanzien), die diesen Prozess stören, und monoklonale Antikörper, die den Signalweg unterbinden und ihn abschalten. Darauf wurde nun das Europäische Patent EP4247408 erteilt.
Im Tierversuch erfolgreich
In Versuchen mit Mäusen habe sich gezeigt, dass Tiere, die mit der neuen Methode behandelt wurden, weniger Fibrose im Herzen entwickelten, eine bessere Herzfunktion behielten und eine höhere Überlebensrate hatten. „Wird dieser Mechanismus blockiert, fällt das Remodeling weniger drastisch aus. Die linke Herzkammer weitet sich nicht so stark, und die Pumpfunktion des Herzens verbessert sich deutlich“, betont Wenzel. Die behandelten Mäuse hatten nach einem schweren Herzinfarkt eine um 50 Prozent geringere Narbenbildung und ihre Herzleistung verbessere sich deutlich. Die Mäuse in der behandelten Gruppe hätten alle überlebt, wohingegen 40 Prozent der Tiere in der Kontrollgruppe verendet seien.
Biomarker für Herzinsuffizienz
Zusätzlich zum Therapieansatz beschreibe das Patent eine neue Methode, um Patienten mit einem besonders hohen Risiko für Herzinsuffizienz frühzeitig zu identifizieren. Dafür werden zwei Biomarker im Blut untersucht: ein spezielles Eiweiß in Immunzellen, das auf eine übermäßige Entzündungsreaktion hinweist, sowie der Entzündungsfaktor TGF-β1, der mit der Entstehung von Fibrose in Verbindung steht. Wenzel bestätigt: „Mit diesen Biomarkern können wir frühzeitig sehen, welche Patienten ein höheres Risiko für eine schwere Herzschwäche haben – und sie gezielt behandeln.“ Damit die Therapie in die klinische Anwendung gelangt, seien nun aber weitere Schritte erforderlich. „Wir haben jetzt das Patent, aber damit es tatsächlich in die Klinik kommt, muss ein Unternehmen in die Weiterentwicklung einsteigen; das erarbeiten wir uns aktuell in unserem Clusters4Future-Antrag curATime. Die Produktion, die Durchführung von klinischen Studien und letztlich auch die Zulassung – das ist für eine akademische Gruppe allein nicht machbar.“ Gelinge dies, könnte die Therapie in Zukunft durchaus eine wichtige Ergänzung zur Behandlung von Herzinfarktpatienten werden, so die Hoffnung.
Quelle: idw/DZHK
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