Immunsystem: Wie können Angriffe auf eigenen Körper verhindert werden?

Neuartiges Protein soll helfen
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Kristallstruktur einer Vorgängerversion des neuartigen Moleküls
Die Abbildung zeigt die Kristallstruktur einer Vorgängerversion des neuartigen Moleküls in beinahe atomarer Auflösung. © Prof. Christoph Schmidt / Uni Ulm
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Ein vielversprechendes Protein soll in der Lage sein, Fehlregulationen in einem Teil des angeborenen Immunsystems – dem Komplementsystem – abzuwenden.

Wenn das menschliche Immunsystem massiv gegen körpereigene Zellen anstatt gegen Krankheitserreger vorgeht, hat der Körper ein Problem: Schwerwiegende Organ- und Gewebeschäden können die Folge sein. Die Ursache hierfür liegt häufig in genetisch bedingten Fehlregulationen, wodurch lebensbedrohliche Krankheiten ausgelöst werden. Ein Großteil davon kann bis heute nur unzureichend oder gar nicht behandelt werden. Bei dem geförderten Ulmer Startup, das pharmakologische und biomedizinische Forschung verbindet, dreht sich alles um ein vielversprechendes Protein, das in der Lage sein soll, Fehlregulationen in einem Teil des angeborenen Immunsystems – dem Komplementsystem – abzuwenden. Zu diesen seltenen, wenn auch gravierenden Erkrankungen des Komplementsystems gehören beispielsweise die Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie (PNH) oder das atypische Hämolytisch-Urämische Syndrom (aHUS) sowie die C3-Glomerulopathie (C3G). Zum klinischen Bild solcher Erkrankungen gehören beispielsweise die Auflösung roter Blutkörperchen, die verstärkte Neigung zu Blutgerinnseln sowie die Schädigung der Blutgefäßinnenwände oder der Nierenfunktion.

Förderung aus dem EXIST-Forschungstransfer-Programm

Die Ulmer Unternehmensgründer Dr. Arthur Dopler und Matteo Mohr erhalten 1,2 Millionen Euro für zwei Jahre aus dem EXIST-Forschungstransfer-Programm. Das Förderprogramm des Bundes und der EU unterstützt Gründungsvorhaben, die mit hohem Risiko und Entwicklungsaufwand verbunden sind. Mit der Förderung soll es gelingen, das neuartige Protein zu produzieren, es biochemisch und biophysikalisch zu charakterisieren und dessen Wirksamkeit in vivo nachzuweisen. „Unser Ziel ist es, dieses Molekül in die klinische Anwendung zu bringen, um Erkrankungen des Komplementsystems wirkungsvoller und zugleich schonender zu behandeln“, sagt Projektleiter Mohr. Der Wissenschaftler, der an der TU München Bioprozesstechnik und Management studiert hat, forscht seit 2022 am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde des Universitätsklinikums Ulm. Aufgabe des Komplementsystems als Teil des angeborenen Immunsystems ist es, Krankheitserreger zu bekämpfen sowie alte und beschädigte Zellen zu eliminieren, indem diese erkannt, markiert und zerstört werden. Das Netzwerk aus über 40 verschiedenen Proteinen kann über unterschiedliche Aktivierungswege in Gang gesetzt werden, die wiederum hochkomplexe Reaktionskaskaden auslösen. „Dieser Prozess ist strikt reguliert. Mehrere Mechanismen schützen davor, dass das Komplementsystem überreagiert und eigene, gesunde Zellen zerstört werden. Durch Genmutationen, aber auch durch Transplantationen, kann es allerdings zu Fehlregulationen kommen, die lebensbedrohliche Erkrankungen zur Folge haben“, erklärt Dopler. Der Ulmer Immunbiologe, der nach der Gründung des Startups die wissenschaftliche Leitung übernehmen wird, hat über das Komplementsystem promoviert.

Wie arbeitet das neue Protein?

Das neuartige Molekül soll nun dafür sorgen, dass ein fehlreguliertes Komplementsystem wieder richtig reguliert wird. Entwickelt wurde es in langjähriger Forschung von Professor Christoph Schmidt, der seit 2011 am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde der Universität Ulm forscht. Schmidt, der auch der Doktorvater von Dopler ist, hat das Protein gemeinsam mit den Medizinern Professor Markus Huber-Lang (Institut für Klinische und Experimentelle Trauma-Immunologie) und Professor Hubert Schrezenmeier (Institut für Transfusionsmedizin) international als Patent angemeldet. Das neu entwickelte Regulatorprotein basiert auf natürlich vorkommenden Proteinen des Komplementsystems und vereint deren Eigenschaften in einem einzigartigen Molekül. Dieser innovative Regulator könne aufgrund seiner Enzym-ähnlichen Wirkweise eine Vielzahl von Zielmolekülen deaktivieren, ohne dabei „verbraucht“ zu werden. Im Vergleich zu den bereits verfügbaren Therapien sei dies ein großer Vorteil, da das neuartige Molekül eine sehr hohe Wirksamkeit aufweise. Zudem ermögliche es die Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten und wirke genau dort, wo es wirken soll, heißt es.

Produktionsprozess soll etabliert werden

Mit der EXIST-Förderung soll nun die Wirksamkeit des Regulators in vivo nachgewiesen werden. Außerdem wollen die Gründer einen Produktionsprozess etablieren, mit dessen Hilfe sich das neuartige Molekül im Labormaßstab herstellen lässt. Um diese Ziele zu erreichen, wird das Gründungsteam um zwei weitere Personen verstärkt, die auf die Produktion und Analyse von Proteinen spezialisiert sind. Das Team wird in den nächsten zwei Jahren außerdem einen Businessplan erarbeiten, die Unternehmensgründung vorantreiben und sich um eine Anschlussfinanzierung kümmern. „Danach muss sich das Projekt den anspruchsvollen und langjährigen Prozessen der Arzneimittelentwicklung stellen“, so die Startup-Gründer. Hilfestellung kommt dabei von Professor Holger Barth, dem Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde, an dem das Gründungsteam angesiedelt ist. Unterstützt wird das Gründungsvorhaben vom Entrepreneurs Campus sowie dem Life Science Inkubator und dem Technologietransfer der Universität Ulm.

Quelle: Uni Ulm

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