Viele dürften sich noch an den Boxer Muhammad Ali erinnern, der am Ende unter Parkinson litt. Wiederholte Schädeltraumata, wie sie bei Kontaktsportarten durch regelmäßige Kopfprellungen („repetitive head impacts“) auftreten, können zum Krankheitsbild der chronischen traumatischen Enzephalopathie (CTE) führen. Die CTE geht nicht nur mit kognitiven und neuropsychiatrischen Symptomen einher, sie löst eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung aus, bei der es zur Akkumulation von Tau-Protein und Parkinson-ähnlichen Symptomen (Parkinsonismus) kommt. Dieser Vorgang wird offensichtlich durch wiederholte Kopftraumata begünstigt, wie eine aktuelle Autopsiestudie an 481 Gehirnen von Kontaktsportlern [1] zeigt. Demzufolge werden neuropathologische Prozesse in der Substantia nigra ausgelöst, die bei CTE zu Parkinson-ähnlichen Symptomen führen.
Suche in der Substantia nigra
Die Querschnittsstudie untersuchte bei Verstorbenen, die jahrelang Kontaktsportarten (American Football, Hockey, Fußball, Ringen, Boxen, Bobfahren, Turmspringen, Lacrosse, Kampfsport, Rugby und Skifahren) ausübten und an CTE litten, die Häufigkeit von Parkinson-ähnlichen Symptomen sowie den Zusammenhang zwischen regelmäßigen Kopfprellungen, neuropathologischen Veränderungen und Parkinsonismus. Die analysierten Daten stammten von 481 männlichen Gehirnspendern einer US-amerikanischen Autopsie-Datenbank; die überwiegende Mehrzahl, 413 von 481, waren American Football Player. Es wurden klinische und neuropathologische Merkmale bei CTE-Betroffenen mit und ohne Parkinsonismus analysiert. Gesucht wurde besonders nach Veränderungen in der Substantia nigra, der Hirnregion, die auch bei M. Parkinson betroffen ist. Zu den neuropathologischen Merkmalen gehören Neuronenverluste, Lewy-Körperchen (die vor allem bei M. Parkinson und Lewy-Body-Demenz auftreten) und neurofibrilläre Tangles (NFTs, auch Alzheimer-Fibrillen genannt, die aus aggregierten, hyperphosphorylierten Tau-Proteinen bestehen).
24,7 % hatten Parkinsonismus
Letztlich zeigte sich, dass 119 der 481 untersuchten Kontaktsportler einen Parkinsonismus (24,7 %) hatten. Beim Vergleich der Kontaktsportarten waren American-Football-Spieler von Parkinsonismus signifikant häufiger betroffen (p = 0,02): 108 der 119 Sportler mit Parkinsonismus spielten American Football (90,8 %), in der Gruppe, die keinen Parkinsonismus aufwies, waren es 305 von 362 (84,3 %). Insgesamt wiesen die Patienten mit Parkinsonismus ein höheres CTE-Stadium auf. So hatten 29,4 % der Kranken mit Parkinsonismus ein CTE-Stadium IV (gegenüber 10,8 % ohne Parkinsonismus). Das mittlere Sterbealter von CTE-Patienten mit Parkinsonismus war signifikant höher (71,5 ± 13 Jahre) als bei CTE-Patienten ohne Parkinsonismus (54,1 ± 19,3 Jahre; p<0,0019). Parkinsonismus-Betroffene waren zudem älter, hatten höhere Demenzraten (87,4 % vs. 29,0 %), häufiger visuelle Halluzinationen (37,8 % vs. 14,1 %) und REM-Schlafverhaltensstörungen (43,7 % vs. 16,0 %; p<0,001 für alle).
In der vorliegenden Studie waren neben dem Alter zum Zeitpunkt des Todes auch mehrere Pathologien der Substantia nigra signifikant mit Parkinsonismus assoziiert. So fanden sich bei Parkinsonismus signifikant häufiger nigrale NFTs (bei 42,7 % vs. 29,9 %; p=0,01), stärkere Neuronenverluste (bei 52,1 % vs. 17,1 %; p<0,001) und häufiger Lewy-Körperchen (bei 24,1 % vs. 5,8 %; p<0,001). Traten sowohl Neuronenverlust als auch Lewy-Körperchen auf, war die Assoziation zum Parkinsonismus besonders hoch. Wie lange der Sport ausgeübt worden war, schien dabei nicht ausschlaggebend für die Entwicklung eines Parkinsonismus zu sein. Diese Beobachtung steht laut DGN im Gegensatz zu vorherigen Studien. Allerdings waren in dieser Erhebung nur Sportler mit CTE analysiert worden, die erhebliche Belastungen durch regelmäßige Kopfprellungen aufwiesen. Alle lagen über dem vormals ermittelten Schwellenwert für ein erhöhtes Parkinsonismus-Risiko (etwa vier Jahre). Auch ergab die Subgruppenauswertung der American-Football-Spieler, dass die Anzahl der Jahre, in denen der Sport aktiv ausgeübt worden war, mit NFTs assoziiert waren. In der Analyse wurde herausgearbeitet, dass nigrale NFTs und Neuronenverluste den Zusammenhang zwischen Spieljahren und Parkinsonismus vermittelten.
Kopftraumata können neuropathologische Prozesse auslösen
Insgesamt kommt das Forschungsteam zu dem Schluss, dass wiederholte Kopftraumata neuropathologische Prozesse auslösen könnten, die im Verlauf zu Parkinson-Symptomen führen. Eine Studienlimitation sei jedoch, wie das Autorenteam einschränkend angibt, dass eine Kontrollgruppe von Gehirnspendern mit Parkinsonismus ohne CTE fehlte. Auch können Erinnerungsfehler bei den retrospektiv befragten Angehörigen nicht ausgeschlossen werden. „Seit einiger Zeit mehren sich die Hinweise, dass rezidivierende Kopfprellungen das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen, was diese aktuelle Studie bestätigt“, konstatiert Prof. Dr. med. Peter Berlit, Pressesprecher und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Die DGN spricht sich daher für Präventionsmaßnahmen aus. Bei Sportarten mit besonders hohem Risiko für wiederholte Kopftraumata wie American Football oder Kampfsportarten sollten Helme getragen werden.“ Aufgrund früherer Erhebungen hat die DGN bereits Präventionsmaßnahmen für Kinder beim Fußball gefordert [2].
Quelle: idw/DGN
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