Die Herzinsuffizienz ist der Nummer-1-Grund für Krankenhauseinweisungen in Deutschland. Mit jeder so genannten kardialen Dekompensation und der nachfolgend erforderlichen Krankenhauseinweisung verschlechtert sich die Prognose deutlich. Herzinsuffizienz, im Volksmund auch Herzschwäche genannt, ist mit einer höheren Sterblichkeit verbunden als die meisten Tumorerkrankungen.
4 Millionen Betroffene
Fast 4 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Herzinsuffizienz. Die Tendenz ist in unserer alternden Gesellschaft steigend, aber sie tritt auch bei unter 50-Jährigen auf, Hauptgründe sind hier Übergewicht und Diabetes. Mehr als die Hälfte der Patientinnen und -Patienten hat fünf oder mehr Begleiterkrankungen. Die Pflege und Versorgung von Menschen mit Herzinsuffizienz ist in vielerlei Hinsicht sehr anspruchsvoll. Umso wichtiger ist eine umfassende Behandlung und Betreuung nach der Krankenhausentlassung.
Telefonisches Monitoring
Um das Entlassmanagement und die Nachsorge zu verbessern, wurde in Würzburg bereits im Jahr 2001 das Interdisziplinäre Netzwerk Herzinsuffizienz (INH) als Forschungs- und Versorgungsnetzwerk gegründet, das heute im Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) auf dem Gelände des Universitätsklinikums Würzburg koordiniert wird. Dort hat ein kardiologisches und psychologisches Team für und mit Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten, die wegen akuter Herzinsuffizienz stationär behandelt wurden, das telemedizinische Überwachungs- und Versorgungsprogramm HeartNetCare-HFTM entwickelt. Den Schlüssel zum Erfolg bilden im Team mit Kardiologinnen und Kardiologen spezialisierte Pflegekräfte, welche die Patientinnen und Patienten telefonisch betreuen, sie in der Selbstüberwachung von Blutdruck, Herzschlag und im Erkennen von Herzinsuffizienzzeichen wie zum Beispiel Wassereinlagerungen in den Knöcheln schulen und die Ergebnisse des Selbstmonitorings abfragen sowie die medikamentöse Therapie gemeinsam mit Hausärztinnen und -ärzten optimieren.
Versorgungsforschung bei Herzinsuffizienz
Die sogenannte INH-Studie hatte schon im Jahr 2012 das Potenzial einer sechsmonatigen HeartNetCare-HFTM-Anwendung in einer multizentrischen, randomisierten und kontrollierten Studie untersucht. Mit 715 Teilnehmenden war sie die bis dato größte in Deutschland durchgeführte Studie zur Versorgungsforschung bei Herzinsuffizienz. Dabei hatte sich gezeigt, dass sechs Monate nach Entlassung aus dem Krankenhaus die Sterblichkeit der mit HeartNetCare-HFTM betreuten Patientinnen und Patienten im Vergleich zur üblichen Versorgung um 38 % vermindert war. Auch die Lebensqualität und die körperliche Leistungsfähigkeit waren besser als bei den Erkrankten mit üblicher Versorgung. Sie nahmen ihre Medikamente regelmäßiger ein und betrieben eine effektivere Selbstüberwachung.
Günstige Langzeiteffekte
Wie nachhaltig der positive Effekt einer 18-monatigen Anwendung von HeartNetCare-HFTM sein kann, zeigt die erweiterte E-INH-Studie, die jetzt im Journal of the American College of Cardiology (JACC): Heart Failure (DOI: 10.1016/j.jchf.2022.10.016) veröffentlicht wurde. Darin hat das Studienteam unter der Leitung von Prof. Dr. Christiane Angermann und Prof. Dr. Stefan Störk die Langzeiteffekte von HeartNetCare-HFTM in einer erweiterten Population von 1.022 Patientinnen und Patienten geprüft, die wegen akuter Herzinsuffizienz ins Krankenhaus eingeliefert worden waren und vor ihrer Entlassung eine Pumpkraft des Herzens, eine so genannte Ejektionsfraktion, von unter 40 % aufwiesen. 509 Patientinnen und Patienten erhielten im Interventionsarm zusätzlich zur üblichen Versorgung die Betreuung mit HeartNetCare-HFTM, die 513 Patienten im Kontrollarm jedoch nur die übliche Versorgung. Studienvisiten fanden bei Studieneinschluss, sechs, zwölf und 18 Monate später sowie nach drei, fünf und zehn Jahren statt.
Durchgehend bessere Lebensqualität
Ergebnis: Der primäre Endpunkt, die Zeit bis zum Tod und zur Rehospitalisierung, unterschied sich zwar nicht signifikant zu dem in der Kontrollgruppe ohne Intervention. Die Sterblichkeit in der früher mit HeartNetCare-HFTM betreuten Gruppe war jedoch signifikant geringer (41% vs. 47%, p=0.040 und 64% vs. 70%, p=0.019). Auch die sogenannte kardiovaskuläre Mortalität war nach 60 und 120 Monaten niedriger (25% vs. 31%, p=0.055, und 33% vs. 40%, p=0.043). Zudem traten Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz in der HeartNetCare-HF-Gruppe nach 18, 36 und 60 Monaten jeweils signifikant seltener auf (-25%, - 29% und -30%). Und bei allen Studienvisiten war die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei den mit HeartNetCare-HFTM betreuten Patientinnen und Patienten besser als bei den Studienteilnehmenden der Kontrollgruppe mit der üblichen Versorgung. Die E-INH-Studie generierte unter den Rahmenbedingungen des Deutschen Gesundheitssystems erstmals Evidenz, dass durch eine zeitlich limitierte telemedizinische Betreuung eine Lebensverlängerung und -verbesserung erreicht werden kann.
Betreuung durch multidisziplinäres Team
„Die Kombination von HeartNetCare-HFTM-Versorgungsmodulen mit sensitiveren Monitoringstrategien, deren Auswahl das individuelle Patientenrisiko berücksichtigt, sowie mit moderner Kommunikationstechnologie könnte in Zukunft die telemedizinische Versorgungsqualität von HeartNetCare-HFTM weiter verbessern. Besonders bei eingeschränkter Erreichbarkeit oder regionaler Verfügbarkeit von medizinischem Personal, bei ans Haus gebundenen Patientinnen und Patienten oder in Pandemiezeiten könnten modulare, bedarfsadaptierte Programme wie HeartNetCare-HFTM zu mehr Versorgungsgerechtigkeit und -sicherheit beitragen. Vor diesem Hintergrund hoffen wir, dass Programme wie HeartNetCare-HFTM zeitnah in die Routineversorgung herzinsuffizienter Menschen integriert werden“, kommentiert Christiane Angermann, Seniorprofessorin am DZHI, die aufsehenerregenden Ergebnisse der E-INH Studie. „Unsere E-INH-Studie zeigt eindrucksvoll, wie nachhaltig der Effekt einer zeitlich begrenzten multidisziplinären telemedizinisch unterstützten Intervention sein kann“, fasst Stefan Störk zusammen, Leiter des Departments Klinische Forschung und Epidemiologie am DZHI und des Fortbildungsprogramms für Herzinsuffizienz-Pflegekräfte und Spezialisierte Herzinsuffizienz-Assistenz am DZHI.
Quelle: Universitätsklinikum Würzburg
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