Zuerst trat das rätselhafte Syndrom 2016 in der US-Botschaft in Havanna auf: Betroffene berichteten über Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, Übelkeit, Tinnitus und verschwommenes Sehen. Die Symptome traten nach einem plötzlich auftretenden hohen Geräusch auf, begleitet von einem Druckgefühl auf den Ohren. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nennen dies „anomalous health incidents“ (AHIs), die mittlerweile schon öfter auftraten – begleitet von Gerüchten um eine rätselhafte neue „Neuro-Waffe“.
Mangelhafte Datenlage
Zwei aktuelle Studien untersuchten die Vorfälle – mit ernüchternden Ergebnissen. Es ließen sich keine klaren Ursachen feststellen für ein klares Erkrankungsbild, wobei hier methodische Mängel als möglichen Grund für die negativen Studienergebnisse angegeben werden. Denn weder klinisch noch in den Laboruntersuchungen konnten signifikante Auffälligkeiten beobachtet werden [1], auch die zerebralen Befunde blieben unauffällig [2]. Die Forschenden diskutieren ihre Ergebnisse kritisch [3], da die vorliegenden Studiendaten keine klaren Aussagen geben.
Denn nur von 16 der 86 Proben lagen Daten von max. drei Tagen nach dem Ereignis vor. Die untersuchten Neurodestruktionsmarker Gliafaserprotein (GFAP) und Neurofilament-Leichtketten (NFL) steigen aber nur direkt nach einem Hirntrauma an, erreichen ihren Höhepunkt nach 24 Stunden und sind nach drei Tagen wieder unauffällig – was die meisten Proben hinfällig macht und dies allein könne die fehlenden Unterschiede zur Kontrollgruppe erklären.
Ursache unklar
Von zwei Betroffenen lagen jedoch Vergleichsproben von vor dem Ereignis vor und bei einem konnte ein signifikanter Anstieg in den Stunden nach dem Ereignis festgestellt werden, der in den Tagen danach wieder zurückging. Ein Vergleich mit anderen Studien legt den Verdacht nahe, die Symptome hängen mit hochfrequenter elektromagnetischer Energie zusammen – z.B. Mikrowellenstrahlung. Doch auch Ultraschall oder Energieimpulse werden weiter als mögliche Ursachen diskutiert.
„Die derzeitige Datenlage ist zu dünn, um sagen zu können, womit wir es beim Havanna-Syndrom wirklich zu tun haben“, erläutert Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Die klinischen Symptome ähneln denen einer Vestibularisneuropathie oder Vestibularismigräne. Allerdings fehlen aussagekräftige Untersuchungsergebnisse, um hier wissenschaftlich fundierte Aussagen treffen zu können. Und ob die Symptome durch Mikrowellenstrahlung induziert sein könnten, ist völlig offen.“
Doch um klare Aussagen bezüglich des Ursprungs der neurologischen Symptome treffen zu können, müssen neue Fälle innerhalb von 24 Stunden neurologisch umfassend untersucht werden.
Quelle: idw
Artikel teilen