Mobilfunk bei Kindern: Studie gibt Entwarnung

Kein erhöhtes Risiko für Hirntumoren gefunden
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Kein Zusammenhang zwischen Nutzung von Mobiltelefonen und erhöhtem Hirntumorrisiko bei jungen Menschen
Kein Zusammenhang zwischen Nutzung von Mobiltelefonen und erhöhtem Hirntumorrisiko bei jungen Menschen Prostock-studio, stock.adobe.com
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Viele Eltern sorgen sich. Kann elektromagnetische Strahlung von Mobil- und Schnurlostelefonen Gehirntumore bei Kindern und Jugendlichen verursachen? Dieser Frage geht die internationale MOBI-Kids-Studie nach.

Das bisher größte Forschungsprojekt zu diesem Thema kam nun zu dem Ergebnis, dass sich in der Studie kein Zusammenhang zwischen elektromagnetischer Strahlung von drahtlosen Telefonen und Gehirntumoren bei Kindern und Jugendlichen zeigte. Die Ergebnisse der Studie, an der in Deutschland das LMU Klinikum beteiligt ist, wurden kürzlich veröffentlicht.

Diese Einschätzung teilt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in einer Stellungnahme. Nach derzeitigem Kenntnisstand gebe es keine wissenschaftlich gesicherten Belege für gesundheitsschädigende Wirkungen durch Mobilfunk für den Menschen, so das BfS. Dies untermauere die Studie. Die Präsidentin des BfS, Inge Paulini, betonte: „Die neuen Ergebnisse tragen dazu bei, wissenschaftliche Restunsicherheiten auch mit Blick auf Kinder und Jugendliche zu verringern. Sie bestätigen, dass die im Mobilfunk geltenden Grenzwerte Erwachsene und Kinder schützen.“

Verdacht, Gliome auszulösen

Elektromagnetische Strahlung von Smartphones stand lange im Verdacht, Gliome auszulösen oder ihr Wachstum zu begünstigen. Forschungseinrichtungen aus 14 Ländern haben für die MOBI-Kids-Studie unter Leitung des Zentrums für Global Health in Barcelona kooperiert, um die Zusammenhänge zu analysieren. Auch Wissenschaftler des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin am LMU Klinikum sind an dem Projekt beteiligt, in dem knapp 900 Patienten zwischen zehn und 24 Jahren befragt wurden. Sie alle waren an Gliomen erkrankt. Damit ist MOBI-Kids die bisher größte Studie zu dem Thema. Die Rekrutierung von Hirntumorpatienten am LMU Klinikum wurde durch die Neurochirurgische Klinik und Poliklinik sowie das Zentrum für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital unterstützt.

Keine Korrelation zu Gliomen festgestellt

Eine Korrelation zwischen den elektromagnetischen Feldern mobiler Kommunikationsgeräte und Gliom-Erkrankungen konnten die Forscher/-innen nicht feststellen. „Die Ergebnisse sind für die Forschung enorm wichtig. Sie bestätigen die Ergebnisse ähnlicher Studien aus dem Erwachsenenbereich, die ebenfalls wenig Evidenz für einen Zusammenhang zwischen der Strahlung von Smartphones und der Entstehung von Gliomen im äußeren Gehirn-Areal finden“, erklärt Dr. Tobias Weinmann vom Institut und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin am LMU Klinikum.

WHO ist vorsichtig

In den letzten 15 Jahren nahm die Handy-Nutzung drastisch zu und damit auch die Befürchtungen vor korrelierenden Tumor-Erkrankungen. Denn mobile Kommunikationsgeräte arbeiten mit elektromagnetischen Feldern, die im hochfrequenten Bereich angesiedelt sind. Sie wurden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als möglicherweise karzinogen, also krebserregend, eingestuft. Das empfindliche Gewebe des Gehirns absorbiert die hochfrequente Energie besonders, vor allem, wenn die Geräte – zum Telefonieren etwa – in Kopfnähe gehalten werden.

Risikofaktoren einer Gliom-Erkrankung

„In der Studie haben wir uns nicht nur auf elektromagnetische Strahlung fokussiert, sondern auch weitere Risikofaktoren für die Erkrankung an Gliomen bestimmt und abgefragt“, erklärt Weinmann. Mithilfe von Fragebögen wurden die Probanden dazu interviewt, wie häufig sie ihr Smartphone nutzen. Gleichzeitig fragten die Forscher den Wohnort ab und interviewten zudem die Eltern zu potentiellen Risikofaktoren vor und nach der Geburt des Kindes sowie in seinen ersten Lebensjahren. Dazu gehören unter anderem die Berufsgeschichte der Eltern sowie Belastungen während der Schwangerschaft: Nahmen die Mütter Medikamente ein oder waren sie medizinischer Strahlung ausgesetzt?

Aufwendige Fall-Kontroll-Studie

Um möglichst unverfälschte Studien-Ergebnisse zu erhalten, war eine genaue Komposition der Studie wichtig. Die sogenannte Fall-Kontroll-Studie befragte für jeden Patienten (Fall) zwei gesunde Menschen (Kontrolle), die von Alter, Geschlecht und Wohnregion ähnliche Voraussetzungen hatten. Die Teilnehmer und ihre Eltern wurden dann zu ihrer Handy-Nutzung befragt. Um diese Eingaben auf Verlässlichkeit zu überprüfen, installierten einige Probanden eine App, die ihre Handy-Aktivitäten dokumentierte. Zeitgleich analysierten die Forscher Zahlen von Mobilfunk-Anbietern, um die Aussagen der Teilnehmer mit weiteren Daten belegen zu können.

Mögliche Verzerrungen nicht komplett auszuschließen

Die Auswertung der Daten bestätigte die Vermutung der Forscher: „Wir konnten keinen Zusammenhang zwischen Gliomen und elektromagnetischen Feldern feststellen“, resümiert Weinmann. „MOBI-Kids ist nach aktuellem Stand die größte Studie zu Gliomen und elektromagnetischer Strahlung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bisher wurden noch nie zuvor derart viele Erkrankte für diesen Aspekt der Forschung befragt“, erklärt Weinmann. „Durch die Anwendung umfangreicher Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Validierung der Daten können wir mögliche Verzerrungen der Studienergebnisse zwar minimieren, komplett ausschließen können wir sie aber nicht.“

So habe sich laut BfS sogar gezeigt, dass das Erkrankungsrisiko mit der Intensität und der Dauer der Nutzung sogar tendenziell sinke, insbesondere in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen. Hier gehen die Autoren davon aus, dass dieses Absinken möglicherweise Ergebnis einer methodischen Verzerrung sein könnte – etwa, weil die Angaben zum Nutzungsverhalten der Hirntumorpatienten teilweise von den Eltern abgegeben wurden. Eine andere Erklärung wäre, dass sich bei den jungen Patienten das Nutzungsverhalten aufgrund von Symptomen der Erkrankung, die bereits vor der Diagnose vorlagen, verändert haben könnte. Es gebe keinen Grund für die Annahme eines schützenden Effekts bei Mobilfunknutzung, betont das BfS.

Weitere Auswertungen geplant

Die erhobenen Daten sollen nun noch weiter ausgewertet werden, die Forscher möchten auch die anderen Risikofaktoren analysieren, zum Beispiel die Belastung durch Chemikalien oder andere Strahlungsquellen, etwa am Arbeitsplatz der Jugendlichen. Zudem sollen die Auswirkungen von Smartphones auch in anderen medizinischen Bereichen noch untersucht werden. „Es gibt ja bereits Studien, die über die Zusammenhänge zwischen dem exzessiven Gebrauch von Smartphones und Schlafstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen berichten“, sagt Weinmann.

Über die MOBI-Kids-Studie

Die Studie wurde vom Institut für Global Health in Barcelona koordiniert. 14 Länder beteiligten sich an dem Forschungsprojekt: Australien, Österreich, Kanada, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Indien, Israel, Italien, Japan, Korea, Niederlande, Neuseeland, Spanien. Die Studie wurde durch die Europäische Union und nationale Geldgeber finanziert, in Deutschland durch das Bundesamt für Strahlenschutz.

Literatur:
G. Castaño-Vinyals, S. Sadetzki, R. Vermeulen, et al.: Wireless phone use in childhood and adolescence and neuroepithelial brain tumours: Results from the international MOBI-Kids study. Environment International, Volume 160, 2022, DOI: doi.org/10.1016/j.envint.2021.107069.

Quelle: LMU, BfS, idw

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