Gewinnung von MTA durch soziale Medien und Headhunter

Doch was ist eigentlich erlaubt? Sofern die digitalen Medien vom Arbeitgeber genutzt werden, um interessante Kandidaten für eine freie Stelle zu finden oder über Kandidaten mehr zu erfahren, ist zu unterscheiden zwischen freizeitorientierten sozialen Medien (Facebook) und berufsorientierten sozialen Medien (LinkedIn, Xing). Für die Rechtmäßigkeit der Benutzung der Daten ist entscheidend, in welchem Umfang die einzelnen Daten einsehbar sind. Zum Schutz der Interessen des Bewerbers sind personenbezogene Daten grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben. Hiervon kann nur abgewichen werden, wenn die Einwilligung des Bewerbers vorliegt oder eine Rechtsvorschrift dies vorsieht. Allein ein öffentliches Profil eines Bewerbers, das jeder Internetnutzer abrufen kann, gewährt dem interessierten Arbeitgeber keine Einwilligung in die Erhebung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten. Dies liegt darin begründet, dass der betroffene Internetnutzer unter anderem auf den vorhergesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung hingewiesen werden muss. Dies ist bei freizeitorientierten Netzwerken nicht der Fall, da der Bewerber im Vorfeld nicht davon ausgehen kann, dass seine Daten in einem freizeitorientierten Netzwerk für geschäftliche Zwecke genutzt und durch potenzielle Arbeitgeber für die Mitarbeitersuche ausgewertet werden. Die Nutzung der Daten ist daher nur zugelassen, wenn die Erlaubnis dies deckt. Profile, die nur von direkten Kontakten beziehungsweise nur von bestimmten Personen eingesehen werden können, zu denen der interessierte Arbeitgeber nicht gehört, dürfen nicht genutzt werden, wenn keine Einwilligung vorliegt. Bei nicht beruflich orientierten Netzwerken muss der Nutzer darauf vertrauen können, dass seine Daten nicht von potenziellen Arbeitgebern zum Zwecke der Anwerbung von Arbeitnehmern analysiert werden. Arbeitgeber können daher nur die kostenfreie Möglichkeit nutzen, sich in freizeitorientierten Netzwerken als attraktive Arbeitgeber darzustellen, haben jedoch nur begrenzt eine Ansprachemöglichkeit beziehungsweise die Möglichkeit, personenbezogene Daten zu benutzen. Anders verhält es sich bei berufsorientierten sozialen Medien. Die Interessenabwägung fällt hier in der Regel zugunsten des potenziellen Arbeitgebers aus, da der Bewerber seine Daten selbst im Internet eingestellt hat. Er muss daher damit rechnen, dass diese Daten von Unternehmen wie von Arbeitgebern für berufliche Zwecke genutzt werden. Selbst wenn die Daten nur den Mitgliedern innerhalb des Netzwerkes zugänglich sind, besteht auch eine allgemeine Zugänglichkeit für die im Netzwerk angemeldeten Arbeitgeber.

Eine Ausnahme liegt vor, wenn der Datenzugriff auf „vernetzte“ beschränkt wird. So kommt die Zulässigkeit der Datennutzung nur in Betracht, wenn sich der Headhunter bei der Kontaktanfrage als solcher outet und auf die potenzielle Auswertung der Daten hingewiesen hat. Andernfalls sind die Daten hier nicht allgemein zugänglich, und eine Nutzung ist nicht gestattet.

Wenn potenzielle Arbeitgeber in unzulässiger Weise in einem sozialen Netzwerk Daten erheben und diese Informationen dazu führen, dass der Bewerber nicht eingestellt wird, besteht kein Einstellungsanspruch des Bewerbers. Möglich ist aber ein Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 311 Satz 2 BGB. Der Bewerber muss jedoch nachweisen, dass er eingestellt worden wäre, wenn das Unternehmen die Daten nicht erhoben hätte, was in der Regel sehr schwer zu beweisen sein dürfte. Im Weiteren käme ein Schadensersatzanspruch aus § 15 AGG in Betracht, wenn eine Benachteiligung nach § 1 AGG gegeben ist. Die unzulässige Nutzung von personenbezogenen Daten ist auch bußgeld- und strafbewehrt.

Das sogenannte Abwerben kann auch wettbewerbsrechtlich zu beurteilen sein. Dies ist dann gegeben, wenn der potenzielle Arbeitgeber oder der bisherige Arbeitgeber in einem Wettbewerbsverhältnis stehen und es sich um eine geschäftliche Handlung dreht. Für das Wettbewerbsverhältnis ist es nicht maßgeblich, ob beide Unternehmen in demselben Bereich tätig sind. Maßgebend ist mehr, dass es um das An- und Abwerben von Arbeitskräften geht. Das An- und Abwerben von Arbeitskräften ist eine geschäftliche Handlung. Das Landgericht Heidelberg hat dies beim Ansprechen eines Bewerbers oder eines möglichen potenziellen Arbeitnehmers mittels eines sozialen Netzwerkes (zum Beispiel Xing) angenommen, sofern der potenzielle Arbeitnehmer angesprochen wird und bisher weder mit dem Headhunter bekannt ist noch sich die Nachrichten auf berufliche Tätigkeiten beziehen. Das Abwerben verstößt gegen das Wettbewerbsrecht, wenn es unlautere Zwecke verfolgt, oder unlautere Mittel einsetzt. Dies gilt auch, wenn ein Arbeitgeber einen Headhunter zur Abwerbung eines Arbeitnehmers einsetzt. Wenn der Headhunter eine persönliche Nachricht an den möglichen Kandidaten sendet, ohne dass dieser einer solchen Nachricht im Vorfeld zugestimmt hat, handelt es sich um eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG.

Anders verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer einer Kontaktaufnahme zugestimmt hat. Auch ist es wettbewerbswidrig, wenn der Headhunter versucht, den bisherigen Arbeitgeber schlechtzureden, oder falsche oder irreführende Aussagen über den aktuellen oder künftigen Arbeitgeber macht oder rechtswidrige Vorteile oder Nachteile androht. Arbeitnehmern stehen dann Unterlassungsansprüche sowie Schadensersatzansprüche nach §§ 8 UWG, 823 Abs. 1 BGB und 826 BGB zu. Dies gilt auch bei „Offlineabwerbungen“. Der geschädigte Arbeitgeber kann nicht die Kündigung des wettbewerbswidrig abgeworbenen Arbeitnehmers verlangen. Ihm wird jedoch die Möglichkeit der Geltendmachung eines befristeten Beschäftigungsverbotes für eine Zeitspanne von 6 bis 18 Monaten gegeben.

Wenn der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen hat, kommen auch vertrags- und deliktische Ansprüche in Betracht. So kann der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen die Kündigungsfrist den Arbeitnehmer auf die Erfüllung seiner Arbeitspflicht in Anspruch nehmen und durch das Arbeitsgericht eine Entschädigung beantragen. Wenn vertraglich eine Vertragsstrafe vereinbart ist, kann der Arbeitgeber auch diese geltend machen.

Ein vertragswidriges Abwerben liegt ebenfalls vor, wenn der Arbeitnehmer auf Arbeitskollegen einwirkt, um diese zu veranlassen, für einen anderen Arbeitnehmer tätig zu werden. Die Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen. Maßgebend ist dann, dass die Abwerbung mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Beharrlichkeit betrieben wird.

Als zulässige Abwerbung durch Headhunter werden zum Beispiel Zeitungsinserate, Postwurfsendungen, kurze Telefonansprachen zur Interessenerforschung, zur Skizzierung eines neuen Arbeitsumfeldes und Angebot einer höheren Lohnzahlung und besseren Fortkommens, unverbindliches Pläneschmieden und Vorbereitungshandlung oder die Mitteilung eines geplanten Stellenwechsels angesehen.

Unzulässig ist dagegen die wiederholte Ansprache trotz entgegenstehenden Willens des Abzuwerbenden, Hinwirken auf eine rechtswidrige Vertragsbeendigung, Aufsuchen am Arbeitsplatz et cetera.

Maßgebend ist immer, ob die Abwerbung faktisch oder vorsätzlich eine Schädigung des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers bezweckt. Sofern der Arbeitnehmer durch Fehlinformationen, insbesondere durch die Zusage einer Gehaltserhöhung oder kurzer Kündigungsfristen et cetera geworben wurde, hat er die Möglichkeit, den Vertrag gemäß § 123 BGB anzufechten. Bei der Zusage einer Gehaltserhöhung kommt außerdem eine Garantenhaftung in Betracht beziehungsweise ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB. Die Folge der Anfechtung ist die Nichtigkeit des neuen Arbeitsvertrages. Es besteht zwar für den Arbeitnehmer kein Wiedereinstellungsanspruch. Er kann jedoch verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn der Arbeitsvertrag nicht gekündigt worden wäre. Dies bedeutet konkret, dass ein Geldersatz in Höhe des jeweiligen Monatslohnes in analoger Anwendung der Kündigungsfrist zur ordentlichen Kündigung als Anspruch im Raume steht (§ 245 BGB).

Ein Einstellungsanspruch des Abgeworbenen ist nur gegeben, wenn ein entsprechender Vorvertrag geschlossen wurde. Wichtig ist dabei, dass die maßgebenden Vertragsbedingungen (Gehalt, Arbeitsleistung, Urlaub et cetera) geregelt wurden. Für den Fall der Verletzung des Vorvertrages können sich Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung aus dem Vorvertrag nach §§ 280 Abs. 1, 311 Satz 2, 241 Abs. 2 BGB oder auch Anspruch auf Ersatz der Vorstellungskosten gemäß § 670 BGB ergeben.

Die Zusendung von Abwerbungsunterlagen kann einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen und einen Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs.1 Nr. 1004 (analog) BGB rechtfertigen. Dies liegt darin begründet, dass dem Informationsbeschaffungsrecht und dem Recht auf Ausübung des Berufes des Headhunters der Schutz des Abzuwerbenden vor Belästigungen bei Zusendung von Werbematerialien, wie Ansprache am Arbeitsplatz, entgegensteht. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn der Abwerbende entgegen dem erklärten oder erkennbaren Willen des Betroffenen handelt oder täuscht, indem Briefwerbung als Dienst- oder Briefpost getarnt wird.

Für das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Altarbeitgeber bei Abwerbung ist Folgendes zu beachten: Es gibt kein Selbstbeurlaubungsrecht. Hat der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten wegen der Abwerbung nicht mehr erfüllt, hat der Arbeitgeber folgende Ansprüche:

Das Fernbleiben von der Arbeitsstelle stellt eine Pflichtverletzung der Hauptleistung dar, die zu vertreten ist und die Schadensersatzansprüche gemäß § 280, § 249 ff. BGB auslöst. Zudem besteht die Möglichkeit, Schadensersatz statt Leistungen zu verlangen, zum Beispiel Kosten der Ersatzkraft beziehungsweise angefallene Mehrarbeit sowie weitere aus der Vertragsbrüchigkeit entstandene Vermögensschäden oder entgangener Gewinn. Ein Mitverschulden des Arbeitgebers an der Abwerbung ist denkbar, wenn er zum Beispiel durch Mobbing den Arbeitnehmer zum Vertragswechsel gedrängt hat und sich nicht um eine Ersatzkraft bemüht hat. Dies reduziert den Schadensersatzanspruch.

Bei grob vertragswidrigem Verhalten ist auch ein Auflösungsschadensersatzanspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB denkbar. Bei Nichterbringung der Arbeitsleistung hat der Arbeitgeber keinen Lohn zu zahlen. Wenn der Arbeitnehmer wegen der Abwerbung schlechter und qualitativ mangelhaft arbeitet, kommen Schadensersatzansprüche gemäß § 280 ff. BGB in Betracht. Welche Leistung geschuldet ist, ist immer nach den persönlichen Maßstäben und nach dem Arbeits- beziehungsweise Tarifvertrag zu bestimmen.

Sofern ein Arbeitnehmer sich über neue Berufsmöglichkeiten oder andere Arbeitgeber erkundigt, stellt dies keine Verletzung der Nebenpflicht des Arbeitsvertrages dar. Es besteht keine Treuepflicht, ein Arbeitsverhältnis nicht zu beenden.

Wenn der Arbeitnehmer Fortbildungen bezahlt bekommen hat, können Ansprüche auf Rückzahlung bestehen, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung nicht im Betrieb einsetzt oder unmittelbar nach der Fortbildung wegen einer Abwerbung gekündigt wird. Dies setzt aber eine entsprechende Regelung voraus. Auch der Arbeitnehmer hat Geheimhaltungspflichten zu wahren, soweit nicht die Offenkundigkeit des Geheimnisses gegeben ist beziehungsweise es sich um eine unzumutbare Behinderung des beruflichen Fortkommens des Arbeitnehmers handeln würde.

Kündigung Der Arbeitnehmer kann bei Kündigung wegen eines günstigeren Vertrages nur ordentlich, aber keineswegs außerordentlich kündigen. Er kann jedoch dem Arbeitgeber einen Grund für eine außerordentliche Kündigung geben, indem er zum Beispiel eine schwere Arbeitspflichtverletzung (unentschuldigtes Fernbleiben), oder Treuepflichtverletzung (Verrat von Betriebsgeheimnissen, unzulässige Nebentätigkeit et cetera) vornimmt. Grundsätzlich ist eine Abmahnung erforderlich. Gegenüber dem Abwerbenden hat der Arbeitnehmer vorrangig Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz gemäß § 823, § 826 BGB.

Was bedeutet das für Sie? Die Abwerbung ist mit großen beruflichen Chancen gerade bei dem für MTA herrschenden Fachkräftemangel zu sehen. Es gilt aber auch, die Risiken zu berücksichtigen. Dabei wird der neue Vertrag nur in Ausnahmefällen nichtig sein. Es besteht grundsätzlich aber kein Anspruch auf Einstellung, es sei denn, es besteht ein entsprechender Vorvertrag oder eine schriftliche Gehaltszusage.

Es besteht zudem die Gefahr, dass ein wettbewerbswidriges Verhalten sowie eine Vertragspflichtverletzung zu Schadensersatzansprüchen führen könnten. Wenn Sie durch Headhunter belästigt werden, entgegen Ihrem Willen angesprochen werden, können Sie Unterlassung verlangen.

Die Möglichkeiten des bisherigen Arbeitgebers, sich gegen Abwerbung zu wehren, sind, wie aufgezeigt, begrenzt. Der Arbeitgeber kann sich nur insoweit schützen, als er durch eine gute Arbeitsatmosphäre und gute Arbeitsbedingungen für möglichst sichere Arbeitsplätze für qualifizierte MTA sorgt.

Entnommen aus MTA Dialog 6/2019

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