Führt Artensterben zu neuen Infektionskrankheiten?
Wie hängen Umweltveränderungen, Artensterben und die Ausbreitung von Krankheitserregern zusammen? Antworten liefert eine neue Studie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Charité und Leibniz-IZW untersuchten, wie sich die Abholzung von Regenwald und die Umwandlung dieser Flächen in Kaffee- oder Kakaoplantagen und Dörfer auf das Vorkommen und die Artenvielfalt von Stechmücken und deren Viren auswirken. Für die Studie fing das Forschungsteam zunächst Stechmücken in der Gegend des Tai-Nationalparks an der Elfenbeinküste. Hier gibt es eine große Bandbreite an Landnutzungsarten – von ungestörtem Regenwald über Sekundärwald, Kakao- und Kaffeeplantagen bis hin zu Dörfern. „Die gefangenen Stechmückenarten haben wir identifiziert und auf Virusinfektionen getestet“, erklärt Kyra Hermanns vom Institut für Virologie der Charité, Erstautorin der Veröffentlichung. „Dann haben wir geschaut, wie sich in den unterschiedlichen Landnutzungstypen die Zusammensetzung an Stechmückenarten unterscheidet, wo bestimmte Viren vorkommen und wie häufig diese sind.“
Widerstandsfähige Stechmückenarten gewinnen
In einem gesunden Ökosystem wie einem intakten Regenwald gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Viren. Das liegt vor allem daran, dass es hier eine große Vielfalt an Tieren gibt, die als Träger der Viren – sogenannte Wirte – infrage kommen. Denn Viren sind immer an ihre Wirte gebunden. Wird das Ökosystem verändert, betrifft das auch die Viren, erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Sandra Junglen vom Institut für Virologie der Charité.: „Wir entdeckten 49 Virenarten. Die größte Vielfalt an Wirten und Viren haben wir in unberührten und nur leicht gestörten Lebensräumen beobachtet.“ Die meisten der 49 Virenarten kamen in den untersuchten Gebieten relativ selten vor. Neun Virusarten wurden jedoch häufig in mehreren Lebensräumen gefunden, wobei das Vorkommen von fünf Virenarten in gestörten Lebensräumen zunahm und in Dörfern am höchsten war.
Zusammensetzung der Wirtsarten
„Das bedeutet, dass die Abholzung des tropischen Regenwaldes zu einer Abnahme der Vielfalt an Stechmückenarten führt und sich somit die Zusammensetzung an Wirtsarten verändert. Einige widerstandsfähige Stechmückenarten haben sich auf den gerodeten Flächen stark vermehrt und mit ihnen ihre Viren“, erklären Junglen und Prof. Stephanie Kramer-Schadt vom Leibniz-IZW, die die Assoziationsanalysen der Stechmücken zu Viren und Habitaten durchführte. Wie sich eine Artengemeinschaft zusammensetzt, hat also direkte Auswirkungen auf das Vorkommen von Viren. „Wenn eine Wirtsart sehr häufig ist, dann erleichtert das die Ausbreitung von Viren“, führt Junglen weiter aus. Alle Viren, die häufiger vorkamen, wurden in einer bestimmten Stechmückenart nachgewiesen. Die Viren gehören zu unterschiedlichen Familien und haben verschiedene Eigenschaften.
Umweltbedingungen entscheidend
„Damit konnten wir zum ersten Mal nachweisen, dass die Verbreitung der Viren nicht durch eine enge genetische Verwandtschaft von Viren zurückzuführen ist, sondern auf die Eigenschaften ihrer Wirte – also insbesondere auf jene Stechmückenarten, die gut mit veränderten Umweltbedingungen in gestörten Lebensräumen zurechtkommen.“
Derzeit nicht auf Menschen übertragbar
Zwar infizieren die gefundenen Viren nur Stechmücken und können – nach jetzigem Stand – nicht auf Menschen übertragen werden. Sie sind aber dennoch als Modell hilfreich, um zu verstehen, wie sich die Veränderung der Vielfalt einer Artengemeinschaft auf das Vorkommen und die Häufigkeit von Viren auswirkt. „Unsere Studie macht deutlich, wie wichtig Artenvielfalt ist und dass die Abnahme der Artenvielfalt das Vorkommen bestimmter Viren fördert, weil es die Verbreitung ihrer Wirte fördert“, betont Junglen.
Weitere Untersuchungen geplant
„Bisher wurden solche Prozesse fast ausschließlich an einzelnen Erregern und einzelnen Wirten untersucht. Nun ergibt sich ein vollständigeres Bild, an dem weiter geforscht werden kann“, führt Junglen aus. Im nächsten Schritt plant das Forschungsteam, weitere Lebensräume in anderen Ländern zu untersuchen – auch um herauszufinden, welche Faktoren es eigentlich genau sind, die bei einer Änderung der Landnutzung die Vielfalt der Stechmückenarten beeinflussen und welche Eigenschaften die Viren mitbringen müssen, um sich mit ihren Wirten ausbreiten zu können.
Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin
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