Ein Großteil der jährlich rund 270.000 Schlaganfälle in Deutschland wird durch ein Blutgerinnsel ausgelöst. Dieser sogenannte Thrombus verschließt ein Blutgefäß im Gehirn, so dass Teile des Gehirns nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden können. Je länger der Gefäßverschluss andauert, desto mehr Nervengewebe wird unterversorgt und stirbt ab. Ob die Katheterbehandlung auch bei bereits größeren Hirninfarkten hilft, war bislang unklar. Dank der Ergebnisse einer internationalen klinischen Studie unter Leitung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und des Universitätsklinikums Heidelberg werden auch diese Patientinnen und Patienten künftig von einer Katheterbehandlung profitieren können. Das ergab eine erste Auswertung.
Kein Ausschlusskriterium mehr?
Untersucht wurde die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einem akuten ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt), dem ein großer Gefäßverschluss zugrunde lag, der bereits zu einem größeren Infarktkern geführt hatte. Die Betroffenen wurden nach dem bei klinischen Studien üblichen Zufallsprinzip entweder der medikamentösen Standardtherapie oder zusätzlich einer Katheterbehandlung zugeteilt. Bei dieser sogenannten endovaskulären Thrombektomie wird ein Katheter unter Röntgenkontrolle von der Leiste aus in die Arterien des Gehirns vorgeschoben, um anschließend das Blutgerinnsel zu entfernen, das den Gefäßverschluss verursacht hat. Bislang wurde die Katheterbehandlung bei Schlaganfallpatientinnen und -patienten gemäß internationaler Leitlinien nur dann angewandt, wenn nachweisbar erst wenig Hirngewebe durch den Schlaganfall geschädigt worden war.
Folgeschäden deutlich reduziert
Im Zuge der Auswertung des Krankheitsverlaufs von 253 Betroffenen zeigte sich bei der zusätzlichen Katheterbehandlung 90 Tage nach Abschluss der Therapie ein deutlich besseres klinisches Ergebnis gemäß der modifizierten Rankin-Skala (mRS), die das Maß einer Behinderung nach einem Schlaganfall beschreibt. In der Gruppe mit zusätzlicher Katheterbehandlung waren deutlich weniger Patientinnen und Patienten nach dem Schlaganfall auf dauerhafte Hilfe angewiesen (2 Prozent gegenüber 17 Prozent); 31 Prozent waren selbstständig gehfähig (gegenüber 13 Prozent in der Vergleichsgruppe). Der Anteil an Personen, die in Folge des Schlaganfalls gestorben sind oder pflegebedürftig wurden, war in dieser Gruppe um fast 20 Prozent reduziert (69 gegenüber 87 Prozent), die Zahl der Todesfälle lag um 11 Prozent niedriger (40 gegenüber 51 Prozent). Aufgrund der so bereits frühzeitig nachgewiesenen Wirksamkeit der endovaskulären Thrombektomie bei schweren Schlaganfällen wurde die Studie nach der ersten geplanten Zwischenanalyse vorzeitig beendet.
40 Schlaganfallzentren beteiligt
Die von der Europäischen Union mit über sechs Millionen Euro geförderte TENSION-Studie (Efficacy and safety of ThrombEctomy iN Stroke with extended leSION and extended time window: a randomized, controlled trial) wurde in 40 Schlaganfallzentren in acht Ländern Europas sowie in Kanada durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass eine Katheterbehandlung auch bei schweren Schlaganfällen wirksam ist, so das Fazit von Studienkoordinator Prof. Dr. Götz Thomalla, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).
Bald Standardtherapie für schwere Hirninfarkte?
Diese Behandlungsmethode könne dazu beitragen, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten weniger Folgeschäden entwickeln und ein Leben in größerer Selbstständigkeit führen. Auf dieser Grundlage ließe sich die Standardtherapie bei schweren Schlaganfällen erweiterten und die Patientenversorgung verbessern.
Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg
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