Ein sogenannter ischämischer Schlaganfall entsteht durch den akuten Verschluss einer Arterie (Infarkt). Das Gehirngewebe wird dann nicht mehr ausreichend durchblutet. Der Sauerstoffmangel führt zur Schädigung oder sogar zum Absterben von Gehirnzellen. Im umliegenden Gewebe des Infarkts kommt es zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke, d. h. kleine Hirngefäße werden undicht, es tritt Flüssigkeit ins Hirngewebe über, wodurch ein sogenanntes lokales Ödem entsteht. Diese Schwellung des Gewebes drosselt die Durchblutung zusätzlich auch in der Infarktumgebung – das Schädigungsareal weitet sich dadurch aus. Bei der Behandlung ist entscheidend, dass möglichst schnell die Durchblutung wiederhergestellt wird. Das kann durch eine sogenannte systemische i.v.-Lysetherapie erreicht werden. Durch sie wird das Gerinnsel (Thrombus) medikamentös aufgelöst. Sie hat ein Zeitfenster von maximal 4,5 Stunden und birgt das Risiko der Einblutung in das Infarktareal.
Nicht alle für Lyse geeignet
„Leider sind nicht alle Patienten für eine Lysetherapie geeignet“, erklärt DGN-Pressesprecher Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Essen. „Problematisch ist z.B., wenn ein schwerer Bluthochdruck vorliegt, Gerinnungsstörungen bzw. eine Blutungsneigung, auch die Einnahme sogenannter blutverdünnender Medikamente oder frühere Schlaganfälle oder Hirnblutungen oder die Patienten sehr alt sind.“ Die Thrombolyse kommt bei ca. 20% aller Schlaganfallpatienten in einem Zeitfenster von 4,5 h zur Anwendung. Viele Schlaganfallpatienten können nicht mit einer Lysetherapie behandelt werden, weil sie nicht schnell genug eine Klinik erreichen oder weil der Schlaganfall zu schwer ist.
Entfernung des Thrombus durch einen Stent-Retriever
Eine andere Therapiemöglichkeit ist die interventionelle Entfernung des Thrombus durch einen Stent-Retriever aus dem Blutgefäß mittels eines Kathetereingriffes, die Thrombektomie. Wie Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet, kommen für dieses Verfahren vor allem Verschlüsse der großen proximalen intrakraniellen Arterien in Frage, bei denen durch die Lyse eine Rekanalisation meist nicht möglich ist. Allerdings bedarf diese interventionelle Therapie einer besonderen Expertise und kann nur in spezialisierten Kliniken durchgeführt werden.
Behandlung mit Ganglion-Stimulation
Sind diese Verfahren nicht möglich, können Patienten mit einem Hirnrindeninfarkt erfolgreich mittels einer sogenannten Ganglion-Stimulation behandelt werden, wie eine aktuelle Studie [1] zeigte. Die Durchblutung des Gehirns ist von etlichen Faktoren abhängig, sie wird unter anderem von einem Nervenzellknoten an der Schädelbasis gesteuert, dem Flügelgaumen-Ganglion (Ganglion sphenopalatinum/GSP, auch Meckel-Ganglion). Es befindet sich oberhalb des Gaumens an der Schädelbasis. Die Stimulierung des GSP bewirkt eine Steigerung der Durchblutung durch die Weitstellung kleiner Hirngefäße und stabilisiert die Blut-Hirn-Schranke. Dadurch wird die Restdurchblutung des Infarktareals gesteigert, begleitenden Ödemen entgegengewirkt und die gesamte Ausdehnung des Schlaganfalls deutlich reduziert.
Ganglion-Stimulation an 1.078 Patienten
Die randomisierte ImpACT-24B-Studie [1] untersuchte das Verfahren der Ganglion-Stimulation an 1.078 Patienten in 73 Zentren aus 18 Ländern (2011-2018). Die eingeschlossenen Schlaganfall-Patienten waren zwischen 40 und 85 Jahre alt, hatten keine Lysetherapie oder Thrombektomie erhalten und wurden innerhalb von 8-24 Stunden nach dem Ereignis mit der minimal-invasiven, elektrischen GSP-Stimulation oder einem Schein-Eingriff (Placebogruppe) behandelt. Dazu wurde direkt am Patientenbett unter örtlicher Betäubung eine dünne, ca. 2 cm lange Elektrode mittels eines speziellen Injektionsgerätes vom Gaumen aus in den knöchernen Nervenkanal eingebracht, in dem sich das Ganglion befindet (unter bildlicher Positionskontrolle). Die Elektrode verblieb dort über fünf Tage und mit einem außen seitlich an das Gesicht gehaltenen Transmitter wurde täglich eine vierstündige Elektro-Stimulation durchgeführt. Der Schein-Eingriff erfolgte entsprechend, ohne jedoch wirklich zu stimulieren. Als primäres Zielkriterium wurde nach drei Monaten die Zahl der Patienten erfasst, deren Erholung neurologischer Funktionen besser als erwartet verlaufen war („Behandlungserfolg“).
Beziehung zwischen Intensität der Elektrostimulation und Outcome
Die Häufigkeit von Therapienebenwirkungen bzw. unerwünschten Ereignissen unterschied sich zwischen Interventions- und Placebogruppe nicht. Von den Patienten, die ausgewertet werden konnten, erreichten 49 % (234/481) der Interventionsgruppe und 45 % (236/519) der Placebogruppe ein 3-Monats-Outcome, welches die funktionellen Erwartungen übertroffen hatte. Der Unterschied war insgesamt statistisch nicht signifikant – anders jedoch in der Untergruppe der Patienten, die bei dem Schlaganfall eine Beteiligung der Hirnrinde hatten. Bei diesen Patienten (insgesamt 520) war in der Interventionsgruppe bei 50% (121/244) und in der Placebogruppe bei 40% (110/276) ein Behandlungserfolg zu verzeichnen (Unterschied signifikant, p=0,0258). Außerdem gab es bei den Patienten mit Hirnrinden-Infarkt eine U-förmige Beziehung zwischen der Intensität der Elektrostimulation und dem Outcome: Bei einer leicht bis mittelstarken Stimulation konnte bei 70% der Patienten ein Behandlungserfolg erreicht werden, bei einer hohen Intensität jedoch nur bei 40% wie in der Placebogruppe.
Neue Möglichkeit bei Schlaganfällen durch einen Hirnrindeninfarkt?
„Wir konnten zeigen, dass die Methode der GSP-Stimulation für viele Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall zu einem Behandlungserfolg führte und sicher ist, sogar auch, wenn der Hirninfarkt schon bis zu 24 Stunden zurückliegt“, so Prof. Diener. „Obwohl das Ergebnis in der Gesamtauswertung statistisch nicht signifikant war, konnten wir eine Untergruppe identifizieren, die künftig von dem Verfahren profitieren könnte. Gerade bei Patienten mit Schlaganfällen durch einen Hirnrindeninfarkt – das waren in der Studie mehr als die Hälfte –, bei denen Kontraindikationen zur Lyse- oder interventionellen Therapie bestehen, könnte diese Ganglien-Stimulation eine neue Möglichkeit darstellen, um das Outcome deutlich zu verbessern.“ (idw, DGN, red)
[1] Bornstein N, Saver JL, Diener HC, et al.: An injectable implant to stimulate the sphenopalatine ganglion for treatment of acute ischaemic stroke up to 24 h from onset (ImpACT-24B): an international, randomised, double-blind, sham-controlled, pivotal trial. Lancet 2019. Published: May 24, 2019. DOI: doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31192-4.
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