Speiseröhrenkrebs ist aufgrund seiner Lage und wegen häufiger Begleiterkrankungen komplex in der Therapie und muss interdisziplinär behandelt werden. Daher kommt der Leitlinie, die das diagnostische und therapeutische Vorgehen beim Ösophaguskarzinom fächerübergreifend regelt, eine besondere Bedeutung zu. Drei Jahre nach ihrer Erstfassung wurde der Text nun von einem Expertengremium aktualisiert. Künftig soll die Leitlinie – gemäß dem Konzept einer „living guideline“ – kontinuierlich aktualisiert werden. Die aktuelle Leitlinie entstand im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie und unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
„Gemäß des ‚living guideline‘-Ansatzes werden wir die Leitlinie zukünftig jährlich auf Basis aktueller Studiendaten, neuer Publikationen und Rückmeldungen aus den Leitliniengruppen prüfen und gegebenenfalls überarbeiten“, sagt Prof. Dr. med. Rainer Porschen, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Klinikum Bremen Ost und Koordinator der aktuellen Leitlinie. „So stellen wir sicher, dass aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse rasch in den klinischen Alltag überführt werden und unsere Patienten von einer Behandlung nach neuestem wissenschaftlichen Standard profitieren.“
Da die Erstfassung der Leitlinie erst drei Jahre alt ist, waren in der aktuellen Fassung keine grundlegenden Veränderungen notwendig. „Gleichwohl haben wir einige Empfehlungen an die aktuelle Studienlage angepasst“, so Porschen. So liegen etwa neue Erkenntnisse zu Risikofaktoren vor, die die Entstehung eines Ösophaguskarzinoms begünstigen. Aktuelle Studien stützen die Annahme, dass Alkohol das Risiko für ein Plattenepithelkarzinom – eines der beiden Typen des Ösophaguskarzinoms – erhöht. Die Evidenz hierfür wurde daher von Stufe 3a auf 2b angehoben. „Ausschlaggebend hierfür war eine Studie aus Südafrika, die einen deutlichen, dosisabhängigen Anstieg des Karzinomrisikos durch Alkohol belegt“, erläutert Porschen. Wer im Tagesdurchschnitt mehr als 53 g Alkohol zu sich nimmt, hat demnach ein rund 5-fach erhöhtes Karzinomrisiko. Bei Menschen, die zusätzlich stark rauchen, steigt das Risiko sogar auf das 8,5-Fache.
Unterstützende Verfahren bei der Endoskopie
Auch das Risiko, das von einer bestehenden Refluxkrankheit ausgeht, wird nun mit einem höheren Evidenzgrad bewertet. „Die aufsteigende Magensäure schädigt und verändert die empfindliche Schleimhaut der Speiseröhre“, sagt Porschen. Aus den so verursachten Läsionen entwickele sich deutlich leichter ein Tumor als aus gesundem Gewebe. Die Analyse einer US-Datenbank hat diesen Zusammenhang nun mit weiteren Zahlen untermauert: Etwa 13 Prozent der Adenokarzinome – neben dem Plattenepithelkarzinom der zweite Tumortyp im Ösophagus – gehen demnach auf einen chronischen Reflux zurück.
Im Bereich der Diagnose betonen die Experten nun noch stärker die Bedeutung, die unterstützenden Verfahren bei der Endoskopie zukommt. Wie Studien gezeigt haben, lassen sich Tumorherde oder Krebsvorstufen deutlich zuverlässiger erkennen, wenn die Schleimhaut vor der Untersuchung angefärbt wird (Färbe-Spray-Chromoendoskopie) oder das verwendete Farbspektrum im Rahmen einer virtuellen Chromoendoskopie digital verändert wird.
„Um maligne Veränderungen sicher zu diagnostizieren, ist aber immer auch eine Biopsie notwendig“, betont Porschen und weist auf eine weitere Modifikation der Leitlinie hin: Ist bei einem Patienten die Schleimhaut bereits durch eine Refluxkrankheit verändert, soll die schwierige Beurteilung der Biopsie immer durch mindestens zwei Ärzte vorgenommen werden, um Fehldiagnosen zu vermeiden.
Letztlich wurden auch die Empfehlungen zur chirurgischen Therapie leicht modifiziert: Hier wird nun explizit auch auf die Resektion von subkardialen Tumoren eingegangen, die hauptsächlich die Magenschleimhaut knapp unterhalb der Speiseröhre betreffen (AEG Typ III). In diesem Fall wird eine operative Entfernung des kompletten Magens empfohlen.
Quelle: DGVS, 15.01.2019
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