COVID-19: Warum Krankheitsverläufe unterschiedlich sind
Weltweit rätseln Forschende darüber, warum manche Menschen schwer und andere nur leicht an COVID-19 erkranken, wenn sie sich mit SARS-CoV-2 infizieren. Neben dem höheren Alter und dem männlichen Geschlecht als Risikofaktor vermuten sie auch eine gewisse Veranlagung für einen schweren Verlauf. Dr. Maik Pietzner, Wissenschaftler im Digital Health Center des Berlin Instiute of Health (BIH) in der Abteilung für Computational Medicine, erklärt: „Man beobachtet zum Beispiel, dass die Anfälligkeit für eine Infektion von der Blutgruppe abhängt, die ja vererbt wird. Daher lag es nahe, dass auch der Verlauf der Erkrankung zumindest teilweise genetisch bedingt ist.“
Zugang zu genetischen Daten
Die Forschenden am BIH erhielten Zugang zu genetischen Daten, die weltweit von COVID-19-Patientinnen und Patienten erhoben erhoben wurden. Ebenso war dokumentiert, wie die Krankheit bei den Betroffenen verlaufen war. „Unser Erbgut enthält seltene und häufige Veränderungen in seinem Buchstabencode, die allermeisten davon bleiben ohne jede Konsequenz, allerdings gibt es etwa 17 Bereiche, die mit einem höheren Risiko für schwere Krankheitsverläufe für COVID-19 in Verbindung gebracht wurden. Der zugrundeliegende Mechanismus war bisher aber oft völlig unklar“, berichtet Pietzner.
Acht Proteine entdeckt
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten, was genau die auffälligen Abschnitte auf der DNA bewirken und stießen auf insgesamt acht interessante Proteine. „Darunter war ein Eiweiß, das für die Blutgruppe verantwortlich ist“, so Prof. Claudia Langenberg, Leiterin der Abteilung Computational Medicine. „Das wusste man ja schon und dieses trägt auch nur zum Infektionsrisiko und nicht zu schweren Verläufen bei. Viel relevanter war das Protein ELF5.
Veränderung im Bauplan von ELF5
COVID-19 Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert und beatmet wurden oder vielleicht sogar starben, hatten wesentlich häufiger eine Veränderung im entsprechenden Gen, dem Bauplan von ELF5. Deshalb haben wir uns das genauer angeschaut.“ Das ELF5 kam in allen Oberflächenzellen der Haut oder der Schleimhäute vor, insbesondere aber in der Lunge. Da das Virus ja vor allem in der Lunge Schaden anrichtet, erschien das auch sehr plausibel.
Eiweiß G-CSF
Die Forschenden haben noch einen weiteren interessanten Kandidaten unter den acht Verdächtigen gefunden: Das Eiweiß G-CSF dient als Wachstumsfaktor im Blutsystem. COVID-19-Patientienten, die genetisch bedingt mehr G-CSF produzierten, erkrankten weniger schwer. Synthetisches G-CSF gibt es bereits lange als Medikament, möglicherweise ließe sich hier über eine Anwendung bei COVID-19- Betroffene spekulieren.
Noch keine Übertragung in die Klinik
Doch auch wenn die Übertragung solcher genetischen Ergebnisse in die Klinik noch eher fernliegt, betont Langenberg, dass der Fund dennoch große Bedeutung hat. „Die Arbeit war nur dank der Unterstützung von vielen Kolleginnen und Kollegen aus BIH und Charité und der frei zugänglichen Ergebnisse weltweiter Studien möglich. Sie zeigt, wie offene Wissenschaft und internationale Teamarbeit aufdecken können, wie kleinste Veränderungen in unserem Erbgut den Verlauf einer Krankheit, in diesem Beispiel COVID-19, verändern.“ Und Pietzner ergänzt: „Wir haben mit weltweiten Daten von 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern angefangen und sind bei einzelnen Molekülen in einzelnen Zellen gelandet."
COVID-19 besser verstehen
Das seien im Moment noch Grundlagenergebnisse. Aber dieser große Bogen helfe dabei, das Virus und die von ihm hervorgerufene Krankheit besser zu verstehen. "Und damit sind wir auf künftige Pandemien besser vorbereitet“, so Pietzner.
Quelle: BIH
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