Die präoperative Chemotherapie bei Brustkrebs kann die Größe des Tumors und metastatische Lymphknoten bis zur Operation deutlich schrumpfen. Die Brustchirurgie hat dadurch die Möglichkeit, die komplette Ausräumung der Lymphknoten in der Achselhöhle zu vermeiden und das Risiko für belastende Nebenwirkungen wie ein Lymphödem des Armes zu reduzieren. Ein multidisziplinäres Konsortium aus europäischen Krebsgesellschaften, internationalen medizinischen Einrichtungen mit Heidelberger Beteiligung sowie Patientenvertretern, hat sich mit den Herausforderungen des klinischen axillären Lymphknotenmanagements bei Brustkrebs im Frühstadium befasst. Führende Experten und Expertinnen haben über alle wesentlichen Fragen abgestimmt und Empfehlungen für die klinische Anwendung formuliert.
Komplette Lymphknotenentfernung vermeiden
Insgesamt wurden fünf Arbeitspakete entwickelt, die dem Weg der Patientin von der Diagnose bis zur lokalen Therapie der Achselhöhle folgen und sich mit spezifischen klinischen Szenarien befassen. „Die Vorteile der präoperativen Chemotherapie bei Brustkrebs werden nicht immer ausreichend genutzt.
Publizierte Daten beschreiben, dass Brustamputationen und eine komplette Lymphknotenentfernung noch zu häufig durchgeführt werden. Eine reduzierte chirurgische Entfernung der Lymphknoten wird selbst bei guten präoperativen Ergebnissen nur teilweise umgesetzt“, berichtet Professor Dr. Peter Dubsky, Leiter des Brustzentrums am Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern, Titularprofessor an der Universität Luzern und federführende Leitung des Konsortiums. „Wer weniger Lymphknoten in der Achsel entfernt, vermindert die Gefahr, dem Lymphabfluss aus dem Arm zu schaden.
Praxisnahe Empfehlungen als Leitlinien-Ergänzung
Die internationale Arbeitsgruppe hat daher in Ergänzung zu vorhandenen Leitlinien ein neues medizinisches Konzept mit praxisnahen Empfehlungen erstellt, das unnötige operative Entfernungen der Lymphknoten verhindern soll und schnell in die klinische Anwendung integriert werden kann“, sagt Dr. André Pfob vom Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und gemeinsamer Erstautor der Publikation mit Dr. Orit Kaidar-Person aus Tel Aviv, Israel.
Konsens erzielt
Bei einer Konferenz im September 2022 in Luzern ist es gelungen, in einer bisher kontroversen Debatte Einigkeit herzustellen und einen weitreichenden praxisnahen Wegweiser zu entwickeln. Die teilnehmenden Fachexperten stimmten über 72 Aussagen ab und erreichten in 52,8 Prozent einen Konsens (Zustimmung von 75 Prozent oder mehr), in 43,1 Prozent eine Mehrheit (51 Prozent bis 74 Prozent Zustimmung) und in 4,2 Prozent keine Entscheidung.
Standardisierte Pathologie der Lymphknoten
„Den Abstimmungsergebnissen zufolge soll eine Bildgebung und eine standardisierte Pathologie der Lymphknoten Voraussetzung für die Planung der lokalen und systemischen Therapie bei den Brustkrebspatientinnen sein. Die Entfernung aller Lymphknoten der Achsel könnte in der Mehrzahl der im Konsortium besprochenen Szenarien durch eine gezielte Entfernung weniger Lymphknoten, beispielsweise der Wächterlymphknoten, ersetzt werden“, fasst Pfob die Ergebnisse zusammen. „Das Ergebnis der Lymphknoten-Operation hat komplexe Auswirkungen auf die nachfolgende Bestrahlung sowie Chemo- oder Hormontherapie. Diese sollten an die einzelne Patientin angepasst werden.“ Um den Erfolg der Empfehlungen für die einzelnen Frauen zu überprüfen, werden das Risiko für ein Neuauftreten der Krebserkrankung und die Nebenwirkungen erfasst und ausgewertet.
Luzerner Toolbox
Die Zusammenfassung der Empfehlungen trägt die Bezeichnung „The Lucerne Toolbox“. Das Projekt wurde gefördert von der Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern. Bereits 2021 wurde die erste Ausgabe der Luzerner Toolbox veröffentlicht, die sich mit der Fragestellung der Brustamputation beschäftigt hat.
Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg
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