Forscherinnen und Forscher der Universitätsmedizin Leipzig haben herausgefunden, dass sich das Sexualverhalten von Erkrankten mit Mund-Rachentumor, der durch HP-Viren (humane Papillomaviren) hervorgerufen wurde, nicht von dem gesunder Teilnehmerinnen und Teilnehmer der bevölkerungsbasierten Studie LIFE unterscheidet. Die Ergebnisse relativieren die bisherige Einschätzung, dass Betroffene der Erkrankung ein ausschweifendes Sexualleben mit wechselnden Personen hätten.
HPV: Hochrisiko- und Niedrigrisiko-Typen
Beim HPV handelt es sich um ein unbehülltes Virus mit einem ringförmigen, doppelsträngigen DNA-Genom. Laut RKI konnten bisher über 200 verschiedene HPV-Genotypen identifiziert werden. Die HPV werden dabei in fünf Genera unterteilt: Alpha-, Beta-, Gamma-, Mu- und Nu-HPV. Nur HPV aus dem Genus Alpha können neben der Haut (kutane Typen) auch die Schleimhaut (mukosale Typen) infizieren. HPV ist außerdem ein verbreitetes Virus, mit dem sich die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben infizieren. Bei vielen Menschen treten HPV-Infektionen auf und klingen wieder ab, ohne dass sich Symptome zeigen. Manche HPV-Subtypen sind allerdings nicht harmlos. Sie können Zellen infizieren, Krebsvorstufen bilden und letztlich sogar Krebs auslösen oder begünstigen. Unterteilt werden die HPV deshalb in sogenannte Hochrisiko- und Niedrigrisiko-Typen. Auch die Entstehung von Kopf-Hals-Tumoren wird immer häufiger mit einer HPV-Infektion in Verbindung gebracht.
Ein Drittel Oropharynxkarzinome durch HP-Viren
Weil HPV-Infektionen sexuell übertragen werden können, gelten Tumore wie beispielsweise diejenigen des Gebärmutterhalses, des Mund- und Rachenraumes, aber auch Anal-, Penis- und Vulvakarzinome als sexuell übertragbare Erkrankungen. Etwa ein Drittel der in Deutschland diagnostizierten Oropharynxkarzinome werden durch HP-Viren hervorgerufen. Betroffenen wird oft ein Sexualverhalten mit häufig wechselnden Personen sowie eine erhöhte Frequenz von Oralsex unterstellt und auch unter Fachleuten als Risikofaktor diskutiert. Zu dieser Sicht zentral beigetragen haben Studien aus den USA, die mehrfach beschrieben, dass die Frequenz von Oral- und Vaginal-Sexualpartnerinnen und Sexualpartnern mit Oropharynxkarzinomen höher läge.
Befragung von Kontrollprobanden
Im Rahmen der aktuellen Studie wurden 303 Kontrollprobanden der Leipziger LIFE-Studie eingeladen, interviewt und die Antworten mit denen von 317 an Kopf-Hals-Tumoren Erkrankten der LIFE-Studie verglichen. „Unsere aktuelle Studie relativiert die bisherige Sicht, dass das HPV-assoziierte Oropharynxkarzinom eine Erkrankung von Menschen mit sehr ausschweifendem Sexualleben sei, die eine deutlich höhere Zahl wechselnder Geschlechtspartner haben sollen. Das Sexualverhalten unserer Patientinnen und Patienten unterscheidet sich bezüglich wechselnder Sexualpartner nicht von dem der Kontrollgruppe und anderen Patienten, die an nicht HPV-assoziiertem Mund- und Rachenkrebs erkrankt sind“, sagt Prof. Andreas Dietz, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde und Professor für HNO-Heilkunde an der Universität Leipzig.
Vermeidbare Risikofaktoren und Impfung
„Unsere Forschungsergebnisse bestätigen eine Reihe bereits bekannter vermeidbarer Risikofaktoren. Dies umfasst unter anderem den Verzicht auf Tabakrauchen und täglich hohen Alkoholkonsum. Zum Schutz kann aber auch die möglichst frühzeitige Impfung beider Geschlechter gegen das HP-Virus beitragen“, sagt Dr. Gunnar Wichmann, Erstautor und Leiter des HNO-Forschungslabors der Universitätsmedizin Leipzig. Der sexuelle Übertragungsweg sei für die Infektion mit HPV relevant. Die Studie zeigt, dass die Teilnehmenden mit Oropharynxkarzinom häufiger vor dem 18. Lebensjahr sexuell aktiv waren. „Insofern ist die frühe HPV-Impfung von Mädchen und Jungen vor der Geschlechtsreife unbedingt zu empfehlen“, sagt Prof. Dietz. Die Impfstoffe gegen HPV sind für Mädchen und Jungen ab neun Jahren zugelassen und die Kosten der Impfung unter 18 Jahren werden von allen gesetzlichen Krankenkassen getragen.
Quelle: idw/Uni Leipzig
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