Bauchspeicheldrüsenkrebs: Neuer Therapieansatz in Sicht?

Angriffspunkt entdeckt
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Immunfluoreszenzaufnahme von Bauchspeicheldrüsentumorzellen in Zellkultur.
Immunfluoreszenzaufnahme von Bauchspeicheldrüsentumorzellen in Zellkultur. Zellkerne (DNA) sind in blau eingefärbt, neu hergestellte RNAs nach Ausschalten von RUVBL1 sind in grün eingefärbt. © Biochemisches Institut, Uni Kiel
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Ein Forschungsteam hat offenbar einen Weg gefunden, um die Funktion des tumorauslösenden Proteins MYC hemmen zu können. Damit könnten künftig neue Arzneistoffe entwickelt werden.

An Bauchspeicheldrüsenkrebs erkranken jedes Jahr etwa 20.200 Menschen in Deutschland. Die Diagnose gleicht häufig nach wie vor einem Todesurteil. Er ist laut Krebsgesellschaft für etwa sechs Prozent aller Krebstodesfälle verantwortlich und stellt bei Frauen die neunthäufigste und bei Männern die zehnthäufigste Krebstodesursache dar. Nun gibt es einen neuen möglichen Therapieansatz. Die entscheidenden Treiber vieler Krebsarten sind die MYC-Gene und die daraus resultierenden Proteine. „Es ist wirklich eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Onkogen beim Menschen“, sagt Professor Elmar Wolf, Direktor am Biochemischen Institut an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Weltweit wird daher nach Möglichkeiten gesucht, dieses Krebsgen auszuschalten, um neue Ansätze für Krebstherapien zu entwickeln. Bislang ist jedoch noch kein Hemmstoff in die klinische Anwendung gelangt. Da es schwierig ist, MYC direkt anzugreifen, verfolgt Wolfs Arbeitsgruppe einen indirekten Weg über notwendige Bindungspartner. Denn die krebsfördernde Funktion von MYC wird durch die Bindung an andere Proteine vermittelt.

Essentiellen Bindungspartner identifiziert

Wolf und sein Team haben nun einen solchen essentiellen Bindungspartner in Zellkultur und Tiermodellen für Bauchspeicheldrüsenkrebs identifiziert. Die Arbeit zeigt, dass nur wenige MYC-Bindungspartner für das Fortschreiten von Bauchspeicheldrüsenkrebs wichtig sind. Einer davon sei das Protein RUVBL1. „Das Fehlen dieses Proteins schränkte das Tumorwachstum von Bauchspeicheldrüsenkrebszellen am stärksten ein im Vergleich zu den anderen untersuchten Bindungspartnern“, erklärt Erstautor Markus Vogt, Doktorand in Wolfs Arbeitsgruppe. Das Ausschalten von RUVBL1 habe zu einer deutlichen Verkleinerung der Tumoren in der Bauchspeicheldrüse und zur Einwanderung von Immunzellen in den Tumor geführt.

Bester Treffer war RUVBL1

Mittels Massenspektrometrie haben die Forscherinnen und Forscher zunächst ermittelt, welche Proteine an MYC binden. Das seien 90 Proteine gewesen. Für jeden dieser 90 Bindungspartner sei dann untersucht worden, welcher für das Tumorwachstum wichtig sei. Dazu konstruierten die Forschenden Systeme, in denen jeweils eines dieser Proteine genetisch ausgeschaltet wurde. Dieser Screen erfolgte sowohl in kultivierten Krebszellen als auch im Tiermodell für Bauchspeicheldrüsenkrebs (PDAC). Die Untersuchung im Tiermodell sei dabei entscheidend gewesen. „Denn viele MYC-Bindungspartner erwiesen sich für kultivierte PDAC-Zellen als wichtig, in vivo aber nicht“, betont Vogt. Der beste Treffer sei das Protein RUVBL1 gewesen. Dieses sei dann in der Zellkultur genauer untersucht worden.

Empfänglicher für Immuntherapie?

Im Tiermodell wurde dann getestet, ob das Ausschalten von RUVBL1 tatsächlich das Tumorwachstum verlangsamt oder ob sich bestehende Tumoren sogar zurückbildeten. „Wir haben vor allem genetische Methoden eingesetzt, um die Produktion dieses Proteins zu unterbinden. Und das hatte einen therapeutischen Effekt. Die Tumoren bildeten sich zurück und das Immunsystem wurde aktiviert“, erklärt Wolf. Die Vermutung: Die Wirksamkeit beruht darauf, dass Immunzellen in den Tumor einwandern. Bauchspeicheldrüsentumore enthalten bei Mäusen wie auch bei Menschen nur wenige Immunzellen und gelten daher als immunologisch „kalt“. Dies ist der Grund, warum die meisten Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht von Immuntherapien profitieren. Wolf betont: „Wir vermuten, dass Medikamente, die an der MYC-RUVBL1-Achse angreifen, Bauchspeicheldrüsentumoren für eine Immuntherapie empfänglich machen könnten.“

Gutes Angriffsziel für Arzneistoffe?

Daten von menschlichen Tumoren bestätigen die Bedeutung des Proteins bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Demnach werde RUVBL1 in Tumoren stärker gebildet als in normalem, gesundem Gewebe. Und es folge dem Expressionsniveau von MYC. Es gebe Tumoren, die vergleichsweise wenig RUVBL1 und gleichzeitig auch wenig MYC haben. Tumoren mit viel RUVBL1, haben auch viel MYC. Außerdem scheint RUVBL1 ein Indikator für die Aggressivität des Tumors zu sein, da die Sterblichkeit bei Tumoren mit viel RUVBL1 höher sei als bei Tumoren mit wenig RUVBL1. Die Wissenschaftler sind überzeugt davon, dass RUVBL1 ein gutes Angriffsziel für Arzneistoffe gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs ist. In dem gerade von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligten Sonderforschungsbereich/Transregio 387 „Funktionalisierung des Ubiquitin Systems gegen Krebserkrankungen – UbiQancer“ wollen sie die Wirkstoffentwicklung vorantreiben.

Literatur:
Vogt M, Dudvarski Stankovic N, Cruz Garcia Y, et al.: Targeting MYC effector functions in pancreatic cancer by inhibiting the ATPase RUVBL1/2. Gut. Published Online First: 31 May 2024, DOI: doi.org/10.1136/gutjnl-2023-331519.

Quelle: idw/CAU

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