Ankunft der Babyboomer: Herausforderungen für die Pflege

Pflegereport 2024
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Die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt weiter. Das geht aus einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den Pflegereport 2024 hervor. Um die Pflege zu entlasten und die Lebensqualität älterer Menschen so lange wie möglich zu erhalten, fordern die Betriebskrankenkassen einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Prävention.

Den höchsten Anteil an Pflegebedürftigen gab es 2023 vorwiegend in Kreisen in Ostdeutschland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland: Hier waren zwischen 9,1 und 17,1 Prozent der SPV-Versicherten pflegebedürftig. In wenigen Regionen, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, gab es Raten von weniger als 5,7 Prozent. Der Bundesdurchschnitt lag 2023 bei 7 Prozent Pflegebedürftigen. Grundlage der Auswertung sind anonymisierte Daten von AOK-Versicherten, die so standardisiert wurden, dass Aussagen zur gesamten Sozialen Pflegeversicherung (SPV) getroffen werden können.  

Die Analyse des WIdO (1) belegt zudem, dass die Entwicklung der Pflegeprävalenzen nicht allein durch die Alterung der Gesellschaft erklärt werden kann. In nur zwei von 400 Kreisen und kreisfreien Städten entsprach die beobachtete Pflegeprävalenz 2023 der demografisch zu erwartenden. In zwei weiteren Kreisen wurde das Prognoseniveau unterschritten und in allen anderen 396 Landkreisen lag die Anzahl an Pflegebedürftigen über dem Wert, der demografisch erwartbar gewesen wäre. Die Autorinnen der Studie stellen dabei fest, dass bei einer reinen Fortschreibung der Alterung bundesweit nur ein Anstieg um 21 Prozent zu erwarten gewesen wäre und nicht die beobachteten 57 Prozent.

Auch bei der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen zeigt sich eine erhebliche regionale Varianz: So wurden im Fünftel der Kreise mit den höchsten Raten, primär im westlichen Teil Deutschlands, von 65,6 Prozent und mehr Pflegebedürftigen ausschließlich Geldleistungen in Anspruch genommen, während die Rate in den Kreisen mit den niedrigsten Werten, hier vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein, bei maximal 51,4 Prozent lag. In weiten Teilen Ostdeutschlands dominierten dagegen Sach- und Kombinationsleistungen mit einer Inanspruchnahme zwischen 24,3 und 40,9 Prozent. In einem Großteil der Kreise in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland nutzten höchstens 15,6 Prozent diese Leistungen.

Ursachen für die erheblichen regionalen Unterschiede

Susann Behrendt, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege am WIdO und Mitherausgeberin des Pflege-Reports, sagt: „Die Ergebnisse zeigen, wie heterogen das Thema Pflege in Deutschland ist. Für eine systematische und passgenaue Pflegeinfrastrukturplanung vor Ort müssen also auch die Ausprägungen der Variablen zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen auf kommunaler Ebene berücksichtigt werden – allein die demografische Entwicklung als empirische Grundlage reicht nicht aus.“ Als aufwandsarme Datenbasis für eine fundierte Pflegestrukturplanung würden sich Behrendt zufolge die Routinedaten der Kranken- und Pflegekassen anbieten.

Auf dieser Grundlage hat das WIdO auch die Ursachen für die erheblichen regionalen Unterschiede analysiert: Vor allem das durchschnittliche Alter, der Demenzanteil, das Vorhandensein einer Pflegeperson sowie raumstrukturelle Aspekte in einem Landkreis können die Disparitäten der Expertin zufolge zur Erklärung beitragen. So steige etwa die Inanspruchnahme von Sach- und Kombinationsleistungen bei höherem Durchschnittsalter, mehr Demenzerkrankten und in ländlichen Regionen.

Bei einer Verringerung derselben Einflussfaktoren zeigt sich hingegen eine signifikante Zunahme bei der Inanspruchnahme von Pflegegeld. Behrendt ordnet ein: „Diese Zusammenhänge und Muster müssen aber noch genauer erforscht werden – auch, um bei der Gestaltung der pflegerischen Versorgungsstrukturen vor Ort noch gezielter vorzugehen. Wichtig dafür ist es vor allem, regionale Transparenz herzustellen, damit regionale Antworten auf zukünftige Herausforderungen in der Pflege gefunden werden können.“

Positionspapier zur Pflegeprävention

Vor dem Hintergrund der finanziellen Schieflage der sozialen Pflegeversicherung, der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen und des Pflegefachkräftemangels hat der BKK Dachverband am 9. Dezember sein Positionspapier zur Pflegeprävention vorgestellt. Um die Pflege zu entlasten und die Lebensqualität älterer Menschen so lange wie möglich zu erhalten, fordern die Betriebskrankenkassen einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Prävention. Dabei müssten die individuellen Bedürfnisse in den Mittelpunkt gestellt, niedrigschwellige Angebote geschaffen und eine bessere Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen gewährleistet werden.

Gemeinsam mit der Charité Universitätsmedizin, dem Medizinischen Dienst Bund und der BKK mkk – meine krankenkasse hat der BKK Dachverband das Projekt PrävPfleg ins Leben gerufen, das im Laufe des Jahres 2025 starten wird. Gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses zielt die Initiative auf die Prävention von Pflegebedürftigkeit bei Menschen, deren Erstantrag auf Einstufung in eine Pflegestufe abgelehnt wurde: „Im Mittelpunkt von PrävPfleg stehen individuelle Interventionen für Menschen mit beginnenden kognitiven Einschränkungen. Durch die Bewältigung alltäglicher Herausforderungen und die gezielte Förderung der Selbstständigkeit soll die Pflegebedürftigkeit hinausgezögert oder sogar vermieden werden.“

Originalpublikation:
(1) Antje Schwinger  , Adelheid Kuhlmey,   Stefan Greß, Jürgen Klauber, Klaus Jacobs, Susann Behrendt (Hrsg.), Pflege-Report 2024. Ankunft der Babyboomer: Herausforderungen für die Pflege, Springer Berlin, Heidelberg 2024. DOI: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-70189-8

Quellen: idw, BKK Dachverband

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