Alkohol am  Arbeitsplatz

Jeder neunte Arbeitnehmer mit riskantem Trinkverhalten gab an, in den letzten drei Monaten wegen Alkohol abgelenkt oder unkonzentriert bei der Arbeit gewesen zu sein. 6,8 Prozent der Beschäftigten mit riskantem Alkoholkonsum gaben an, deshalb zu spät zur Arbeit zu kommen oder früher Feierabend gemacht zu haben. Die Auswirkungen von Alkoholkonsum auf das Arbeitsverhältnis betreffen daher insbesondere die Leistungsfähigkeit des betreffenden Arbeitnehmers wie auch die Arbeitssicherheit.

Was ist arbeitsrechtlich zu beachten? 1. Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Soweit keine Abhängigkeit besteht und keine negativen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Bewerbers zu befürchten sind, sind Fragen nach Alkoholkonsum grundsätzlich unzulässig. Die Frage nach der Alkoholabhängigkeit ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn Gesetze und Unfallverhütungsvorschriften absolute Alkoholverbote aufstellen, wie zum Beispiel § 4 a LuftVG für Piloten, § 8 Abs. 3 BOKraft für Kraftfahrer im Personenverkehr et cetera. Gleiches gilt im Einzelfall, wenn von dem Arbeitnehmer eine Gefahr für andere Arbeitnehmer ausgeht. Die Rechtfertigung der Frage wird hier aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, insbesondere auch für die anderen Beschäftigten, abgeleitet. Sofern der Arbeitgeber für die Einstellung einen Fragebogen verwendet, unterliegt dieser der Mitbestimmung (§ 94 Betriebsverfassungsgesetz und § 75 Bundespersonalvertragsgesetz).

2. Einstellungsuntersuchung

Sofern eine werks- oder vertrauensärztliche Untersuchung mit Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgt, die zum Ergebnis haben soll, die Feststellung der Eignung oder Arbeitsfähigkeit festzustellen, ist diese zulässig. Die Zustimmung sollte zu Beweiszwecken schriftlich vorliegen. Sie könnte auch konkludent dergestalt erfolgen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, zur werksärztlichen oder vertrauensärztlichen Untersuchung zu gehen und dieser Folge leistet.

Der Werks- oder Vertrauensarzt darf dem Arbeitgeber nur mitteilen, ob der Arbeitnehmer für die Tätigkeit geeignet ist oder nicht. Es dürfen weder die Diagnose noch die Untersuchungsergebnisse ohne Einwilligung des Bewerbers an den Arbeitgeber weitergegeben werden.

Der Arzt darf von sich aus dem Arbeitgeber eine Alkoholabhängigkeit nicht offenbaren. Er unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht gemäß § 203 StGB Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 (Muster-) Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte. Ausnahmen werden nur zugelassen, sofern eine Einwilligung oder eine gesetzliche Offenbarungspflicht vorliegt, wie zum Beispiel gesundheitspolizeiliche Vorsorge (Infektionsschutzgesetz), oder um geplante schwere Verbrechen zu verhindern et cetera.

Einen Sonderfall des Offenbarungsrechtes kann es bei kollidierenden Rechtsgütern einzelner oder der Allgemeinheit (§ 34 SGB Rechtfertigender Notstand) geben, zum Beispiel Fahruntauglichkeit aufgrund von Alkoholkonsum. In diesen Fällen wird dem Arzt die Möglichkeit gegeben, die Schweigepflichtverletzung nachträglich zu rechtfertigen. Als milderes Mittel müssen hier die Ärzte aber gleichwohl erst darauf hinwirken, dass der Betreffende seine Fahruntauglichkeit beziehungsweise seine Alkoholabhängigkeit selbst dem Arbeitgeber gegenüber angibt.

3. Im laufenden Arbeitsverhältnis

Nach § 3 Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitsbedingungen wie Technik und Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen und den Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sinnvoll herzustellen. Nach § 5 ist eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen, die sogenannte Gefährdungsanalyse, vorgesehen. Auf der Grundlage solcher Gefährdungsbeurteilungen können Maßnahmen zu suchtauslösenden Faktoren entwickelt werden.

§ 15 DGU Vorschrift 1 bestimmt, dass „Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol … nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie selbst oder andere gefährdet werden können.“ Ein Verstoß ist nicht nur eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten, sondern auch eine Bußgeld bewehrte Ordnungswidrigkeit (§ 209 Abs.1 Nr. 1 SGB VII).

Die Vorschrift bekommt insbesondere Bedeutung, wenn im Zusammenhang mit einem Unfall festgestellt wird, dass der Arbeitnehmer diesen unter Alkoholeinfluss verursacht hat. Dabei gilt nicht nur der Alkoholkonsum im Betrieb, sondern auch der Alkoholkonsum vor Aufnahme der Tätigkeit. Dieser darf nicht in einem solchen Umfang erfolgen, dass der Arbeitnehmer am nächsten Tag sich beziehungsweise andere gefährden kann. Zudem hat der Arbeitnehmer auch eine vertragliche Treuepflicht als Nebenpflicht des Arbeitsvertrages, ein relatives Alkoholverbot einzuhalten. Dies beinhaltet insbesondere, dass der Arbeitnehmer sich nicht in einen Zustand versetzen darf, mit dem er seine Arbeit nicht mehr oder nicht mehr ordnungsgemäß erbringen kann. In Bezug auf einen Busfahrer wurde entschieden, dass dieser mit einem Blutalkoholwert von 0,46 Promille seine Tätigkeit als Busfahrer nicht ordnungsgemäß ausüben kann und damit die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt war. Es geht hierbei grundsätzlich nicht um das private Verhalten an sich, sondern

wie sich das private Verhalten auf das Arbeitsverhältnis niederschlägt (hier Restalkohol, der das sichere Führen des Busses unmöglich macht). Gleiches gilt im Krankenhaus, wenn zum Beispiel dadurch der Erfolg einer Untersuchung, einer OP et cetera gefährdet wird.

Viele Unternehmen gehen dazu über, ein absolutes Alkoholverbot festzulegen. Dies ist möglich durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 Gewerbeordnung). Er muss dabei billiges Ermessen walten lassen. Die herrschende Meinung sieht die Anordnung eines absoluten Alkoholverbotes nur dann als möglich an, wenn dies zur Erfüllung der Arbeitspflicht oder zur Gewährleistung der Sicherheit in einem Arbeitsbereich notwendig ist. Dies ist immer eine Einzelfallentscheidung. Auch unterliegt die Anordnung eines Alkoholverbots der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz.

Das Alkoholverbot muss stets verhältnismäßig, das heißt das geeignete Mittel sein, um das verfolgte Ziel zu erreichen.

4. Alkoholkontrolle

Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich einer routinemäßigen Alkohol- oder Drogenkontrolle zu unterziehen, besteht in der Regel im Arbeitsverhältnis nicht. Die Durchführung eines entsprechenden Alkoholtestes bedarf in der Regel der Einwilligung. Sofern der Arbeitnehmer ein typisches Verhalten einer Alkoholisierung aufweist, zum Beispiel Alkoholfahne, schwankender Gang, lallende Sprache, kann aufgrund des durch Indizien belegten Verdachtes eine Gesundheitsprüfung angeordnet werden (zum Beispiel nach § 3 Abs. 4 TVöD, § 3 Abs. 5 TVL). Der Arbeitnehmer kann hierzu jedoch nicht gezwungen werden, da dieser ärztliche Eingriff ohne Einwilligung eine Körperverletzung darstellt. Die Weigerung kann aber, als Vorliegen eines auf Tatsachen begründeten Verdachts, einen Kündigungsgrund darstellen (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 811/1111).

5. Entgeltfortzahlung

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich die Verpflichtung, resultierend aus seiner vertraglichen Fürsorgepflicht, Arbeitnehmer, die nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefährdung für sich oder andere auszuführen, von der Arbeitsleistung zu befreien. Dies regelt auch (§ 7 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift, Grundsätze der Prävention DGUV Vorschrift 1). Zu dieser Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört, einen sicheren Heimtransport des alkoholisierten Arbeitnehmers zu gewährleisten. Macht der Arbeitgeber dies nicht, können zum Beispiel im Falle eines Wegeunfalles Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber gerechtfertigt sein. Auch während einer Alkoholerkrankung ist, sofern der Arbeitnehmer diese entsprechend anzeigt und auch entsprechend durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweist, ein Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz gegeben. Das Arbeitsgericht hat ausgehend vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand angenommen, dass selbst bei einem Rückfall nach einer Alkoholtherapie kein Verschulden angenommen werden kann, das einen Ausschluss der Entgeltfortzahlung begründen könnte.

Ein Zurückbehaltungsrecht besteht daher nur, sofern die Arbeitsunfähigkeit nicht ordnungsgemäß angezeigt oder nachgewiesen wird (§ 7 Abs.1 Nr. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz).

6. Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG 79, 176 = NZA 1994, 517, 518) kann, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die negative Prognose gerechtfertigt ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholsucht immer wieder die vertraglich geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbringen wird, eine ordentliche personenbezogene Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein.

Dies setzt voraus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vorliegt, die zum Beispiel durch ein milderes Mittel – etwa eine Versetzung – nicht abgewendet werden kann.

Es wird die Beeinträchtigung des wirtschaftlichen und betrieblichen Interesses als Maßstab angenommen, wenn eine nicht unerhebliche Gefahr für den Arbeitnehmer selbst oder Dritte, zum Beispiel beim Führen von Fahrzeugen, entstehen kann. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer aber in der Regel als milderes Mittel eine Therapiemöglichkeit gewähren.

Bei unkündbaren Arbeitnehmern wird als milderes Mittel nicht nur eine fehlgeschlagene ambulante Therapie, sondern auch gegebenenfalls eine stationäre Therapie gefordert. Wenn der Arbeitnehmer zum Kündigungszeitpunkt nicht dazu bereit ist, wird dann unterstellt werden, dass mit einer absehbaren Heilung bezüglich der Alkoholsucht nicht gerechnet werden kann.

Eine Abmahnungspflicht wird in der Regel deshalb verneint, da der Arbeitnehmer bei Alkoholsucht sein Verhalten nicht steuern kann. Dem Arbeitgeber ist jedoch zu empfehlen, schriftlich zu dokumentieren, dass er den Arbeitnehmer zur Therapie aufgefordert hat, zum Beispiel in Form einer entsprechenden „Abmahnung“. Sollte infolge des Alkoholkonsums eine längere Arbeitsunfähigkeit vorliegen, wäre im Weiteren auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, da dies auch im Falle von einer Alkoholerkrankung gilt, BAG NZA 2014, 607, § 480 Abs. 2 SGB IX. (BAG 20. März 2014 – 2 AZR 565/12).

Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nur dann in Betracht, sofern eine Alkoholabhängigkeit nicht besteht. Der Alkoholgenuss beziehungsweise das alkoholisierte Auftreten im Betrieb kann die Treuepflicht, als arbeitsvertragliche Nebenpflicht, verletzen und eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Maßgebend ist hier in der Regel eine vorangegangene Abmahnung. Die Rechtsprechung sieht das Abmahnungserfordernis selbst dann als gegeben an, wenn ein absolutes Alkoholverbot im Betrieb vorliegt (zum Beispiel LAG Hessen, Urteil vom 15. November 2006 – 8 SA 854/06). Die Verpflichtung des Arbeitnehmers ist hierbei grundsätzlich gefährdet, sich nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem er sich oder andere gefährdet oder seine vertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann. Auch ist nicht maßgebend, ob der Arbeitnehmer alkoholisiert zur Arbeit erscheint oder erst im Betrieb alkoholische Getränke zu sich nimmt, da auch hier die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit eine vertragliche Pflicht des Arbeitnehmers ist.

7. Gibt es einen Sonderkündigungsschutz aufgrund der Schwerbehindertenvorschriften?

Alkoholismus kann als Suchterkrankung seelische Behinderungen oder gravierende körperliche Schäden verursachen, die ihrerseits zu einer Behinderung führen (Hirnschäden, Krebserkrankung et cetera). Für diesen Fall (anerkannte Behinderung), bedarf die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§§ 168–174 SGB IX). Auch muss vor Ausspruch der Kündigung die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden. Gemäß § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, unwirksam.

Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nur dann in Betracht, sofern eine Alkoholabhängigkeit nicht besteht. Der Alkoholgenuss beziehungsweise eine Alkoholisierung im Betrieb kann dann die vertragliche Nebenpflicht verletzen und eine verhaltensbedingte Kündigung durch Verletzung des Arbeitsvertrages rechtfertigen. Maßgebend ist hier in der Regel eine vorangegangene Abmahnung. Die Rechtsprechung sieht die Abmahnungsforderung selbst dann als gegeben an, wenn ein absolutes Alkoholverbot im Betrieb vorliegt (Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 15. November 2006 – 8 SA 854/06). Die Verpflichtung des Arbeitnehmers ist hierbei, grundsätzlich sich nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem er sich oder andere gefährdet oder seine vertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann. Davon ist es unabhängig, ob der Arbeitnehmer alkoholisiert zur Arbeit erscheint oder erst im Betrieb alkoholische Getränke zu sich nimmt, da auch hier die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit eine vertragliche Pflicht des Arbeitnehmers ist.

Der Aufsatz erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einzelfragen beantworten wir gerne in der Rechtsprechstunde des DVTA. Sämtliche Personenbezeichnungen im Artikel sind weiblich wie männlich wie divers zu verstehen.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 29. Mai 2019 – 4 Sa 1/19, entschieden Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt einer einzelvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussfrist. Diese ist im Falle einer Globalverweisung keiner Inhaltskontrolle zu unterziehen. Die Anwendung des § 3 Satz 1 MiLoG zur Absicherung einer Abgeltung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohnes ist rechtlich nicht geboten (amtlicher Leitsatz).

Entnommen aus MTA Dialog 12/2019

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