In der Variante B1.1.7 finden sich, so die Gesellschaft für Virologie (GfV) in einer aktuellen Stellungnahme, 8 Mutationen, die zu Aminosäureaustauschen im Spikeprotein (S) von SARS-CoV-2 führen, die möglicherweise eine Veränderung der biologischen Eigenschaften von S mit sich bringen. Ein wichtiger Aminosäureaustausch finde sich im Rezeptorbindemotiv (1) von S an Position 501 (N501Y). Diese Mutation könnte alleine oder in Kombination mit anderen Mutationen zu einer erhöhten Bindefähigkeit an den humanen Rezeptor ACE-2 führen (2). Für eine weitere Mutation, eine Deletion, die zum Verlust der Aminosäuren an den Positionen 69 und 70 führt, wurde in einer Vorveröffentlichung eine Erhöhung der Infektiosität des Virus in Zellkulturen gezeigt (3).
„Die Variante B.1.351, die in Südafrika nachgewiesen wurde, enthält ebenfalls 8 Mutationen, die zu Aminosäureaustauschen in S von SARS-CoV-2 führen. 2 dieser Mutationen befinden sich im Rezeptorbindemotiv (E484K und N501Y) (4). Erste Studien legen nahe, dass diese Mutationen nur einen sehr geringen Effekt auf die Neutralisation durch Antikörper, die infolge einer Impfung mit einer mRNA-Vakzine entstehen, haben. Allerdings scheinen diese Mutationen die Bindung von einigen Antikörpern, die für die Therapie entwickelt werden, zu beeinträchtigen (5,6)“, so die GFV.
PCR-Verfahren zum gezielten Nachweis der neuen SARS-CoV-2 Varianten
Das Konsiliarlabor für Coronaviren habe gegenwärtig 1.126 Genomsequenzen von SARS-CoV-2 aus allen Teilen Deutschlands analysiert (7). Es wurden mittlerweile sowohl die Variante B1.1.7 als auch die Variante B1.351 gefunden. Allerdings könne über die mögliche Verbreitung dieser Varianten in Deutschland bisher nichts gesagt werden.
Die Sequenzierung gesamter Virusgenome und die bioinformatische Auswertung sind der Gesellschaft für Virologie zufolge zeitaufwendige Prozesse, für die spezifische Infrastrukturen erforderlich sind, die aber nicht überall vorhanden sind. Deshalb würden aktuelle Geschehnisse nur unzureichend erfasst. Eine Alternative stellen, so die Virologen, PCR-Verfahren zum gezielten Nachweis der neuen SARS-CoV-2 Varianten dar, um die Verbreitung beziehungsweise Ausbreitung dieser Varianten durch die Testung großer Probenzahlen effizient erfassen zu können. Daneben gibt es intensive Bestrebungen, die Rahmenbedingungen für die Virusgenomsequenzierung und damit die molekulare Surveillance für SARS-CoV-2 in Deutschland zu verbessern.
Mutationen: Folgen für die Wirksamkeit von Impfstoffen
Nach einer vorläufigen Risikoeinschätzung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), basierend auf mathematischer Modellierung (8), weist die neue Variante B1.1.7 möglicherweise eine bis zu 56 Prozent höhere Übertragungsrate auf als bisher zirkulierende SARS-CoV-2 Varianten (9). Eine Studie aus Großbritannien, die noch keiner Fachbegutachtung unterzogen wurde, weist ebenfalls auf eine höhere Infektionsrate der SARS-CoV-2 Variante B1.1.7 hin (10). Diese Einschätzung müsse jedoch in weiteren Untersuchungen überprüft werden. Die GfV weist ferner darauf hin, dass eine raschere Ausbreitung von SARS-CoV-2 nicht notwendigerweise mit schwereren Krankheitsverläufen einhergehen muss. Sie macht aber nochmals deutlich, dass die Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Kontaktverringerung dringlich geboten ist. Gleichzeitig zeigt das Auftreten von Virusvarianten, dass die Bemühungen um eine systematische molekulare Surveillance in Deutschland dringend verstärkt werden sollten.
Mutationen in SARS-CoV-2 könnten im Prinzip sowohl Folgen für die Wirksamkeit von Impfstoffen, als auch für die Therapie mit Antikörpern haben. Eine erste Studie habe gezeigt, dass Seren von 20 Teilnehmern der bereits veröffentlichten Phase-3-Studie des BioNTech/Pfizer Impfstoffs BNT162b2 (Comirnaty) einen SARS-CoV-2 Virus mit einer Mutation an Position 501 (eine Schlüsselmutation der B1.1.7 Variante) im gleichen Ausmaß wie das Virus ohne diese Mutation neutralisierten. Zu möglichen Effekten von Kombinationen von Mutationen, wie sie in den oben genannten Varianten gefunden wurden, gebe es bisher nur sehr vorläufige Untersuchungen.
Risiko für eine Reinfektion mit der Südafrikavariante
Einer noch nicht begutachteten Veröffentlichung zufolge, könnten die Mutationen in der B.1.351-Variante aus Südafrika die Wirksamkeit neutralisierender Antikörper im Serum von Personen, die zuvor eine Infektion mit dem ursprünglichen SARS-CoV-2 durchgemacht haben, deutlich mindern (11). Das könnte bedeuten, dass diese Personen ein Risiko für eine Reinfektion mit der Südafrikavariante haben. Außerdem liefere diese Studie vorläufige Evidenz dafür, dass diese Mutationen die Wirksamkeit therapeutischer S-spezifischer Antikörper zum Teil deutlich reduzierten. „Diese Beobachtungen müssen jedoch als vorläufig bewertet und in weiterführenden Studien bestätigt werden. Sie machen jedoch die Dynamik von SARS-CoV-2 und damit die Notwendigkeit der schnellen Kontrolle der Pandemie sehr deutlich, um das Risiko für die Entstehung weiterer Varianten möglichst gering zu halten“, betont die GfV.
- Bereich an der das SARS-CoV-2 an seinen humanen Rezeptor ACE-2 bindet
- Zahradník et al.: 2021: doi: doi.org/10.1101/2021.01.06.425392
- Kemp et al., 2021: doi: doi.org/10.1101/2020.12.14.422555
- Tegally et al., 2020: doi: doi.org/10.1101/2020.12.21.20248640
- Starr et al., 2020: www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.11.30.405472v1
- Wang et al., 2021: doi: doi.org/10.1101/2021.01.15.426911
- civnb.info/sequences/ (Stand 19.01.2021)
- cmmid.github.io/topics/covid19/uk-novel-variant.html
- Risk related to spread of new SARS-CoV-2 variants of concern in the EU/EEA; 29.12.2020; page 11
- Walker et al., 2021: doi: doi.org/10.1101/2021.01.13.21249721
- Wibmer et al., 2021: doi: doi.org/10.1101/2021.01.18.427166
Quelle: GfV, 22.12.2020; aktualisiert am 21.01.2021
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