„Achtung Haftung“

Der Krankenhausträger wie seine Führungskräfte sollten daher ein erhebliches Interesse daran haben, selbst etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun. Tut er dies nicht, haftet der Krankenhausträger aus Organisationsverschulden sowohl für eigenes Verschulden als auch für das Verschulden seiner Hilfspersonen. Ihn treffen Organisations-, Überwachungs- und Koordinationspflichten, bei deren Verletzung er unmittelbar nach § 831 BGB haftet.

Eine Entlastung von der Haftung nach § 831 BGB wird insbesondere verwehrt:

1. bei mangelnder Qualifikation des ärztlichen und nicht ärztlichen Personals, einem Thema, was gerade bei den MTA-Berufen immer wieder zum Tragen kommt.

Hierauf hatte bereits der verstorbene Justiziar Dr. Uwe-Jens Friedrich in einem Schreiben vom 25. August 1995 an alle Geschäftsführer/-innen und Verwaltungsleiter/-innen der Krankenhäuser Deutschlands mit dem Titel „Achtung Haftung“ hingewiesen. Die Aussagen seines Schreibens haben bis heute Gültigkeit:

Grundsätzlich dürfen nur Personen, die eine Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung MTA der jeweiligen Fachrichtung haben, die in § 9 MTAG benannten vorbehaltenen Tätigkeiten ihrer Fachrichtung auf Anordnung eines fachkundigen Arztes ausüben. Die Ausübung der vorbehaltenen Tätigkeiten erfordert eine besondere Sachkunde und Verantwortung. Daher ist die Ausübung der vorbehaltenen Tätigkeiten grundsätzlich nur den vier MTA-Berufen aus Gründen der Gefahrenabwehr (Patientenschutz) gestattet. § 10 lässt nach seiner Überschrift nur „Ausnahmen für bestimmte Personen“ zu, sofern die in § 10 benannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies bedeutet, dass die von § 10 Nr. 1 MTAG umfassten Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, BMA, RT et cetera und sonstige Absolventen einer naturwissenschaftlichen Ausbildung (Biologen, Chemiker et cetera) aufgrund der ihnen obliegenden Sorgfaltspflicht die vorbehaltenen Tätigkeiten nur ausüben dürfen, die sie jeweils beherrschen, das heißt, über die erforderlichen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen. Sofern sie nicht über die ausreichenden Fachkenntnisse et cetera verfügen, müssen sie die vorbehaltenen Tätigkeiten den MTA-Berufen zur Ausübung überlassen, andernfalls liegt nicht nur ein Eigenverschulden, sondern auch ein Organisationsverschulden des Klinikträgers vor.

Gleiches gilt für Personen nach § 10 Nr. 5 MTAG, wie beispielsweise LTA, BTA, CTA et cetera, die über eine staatlich geregelte, staatlich anerkannte oder staatlich überwachte abgeschlossene Ausbildung verfügen müssen. Sie dürfen nur die Tätigkeiten nach § 9 MTAG ausüben, die Gegenstand ihrer Ausbildung und Prüfung waren. Dies ist vom Klinikträger oder seinen Führungskräften zu prüfen.

Personen nach § 10 Nr. 6 MTAG dürfen die den MTA vorbehaltenen Tätigkeiten nur ausüben, sofern sie über eine abgeschlossene sonstige medizinische Ausbildung verfügen, wie beispielsweise MFA und Pflegekräfte, nicht aber BTA, CTA, LTA (verfügen nicht über eine medizinische Ausbildung) und unter Aufsicht und Verantwortung einer Person nach § 10 Nr. 1 MTAG, das heißt nicht Aufsicht durch eine MTA, tätig werden.

Hieraus resultiert auch, dass nur MTA oder Ärzte mit entsprechendem Fachkundenachweis die gesetzlichen Voraussetzungen für die Führung einer Abteilung der Laboratoriumsmedizin, der Radiologie oder Funktionsdiagnostik erfüllen.

Spezialgesetzliche Vorschriften, wie zum Beispiel die Strahlenschutzverordnung, greifen diese Systematik auf und regeln für die Teleradiologie, dass die technische Ausführung nur durch eine MTRA erfolgen darf.

Verstoßen der Klinikträger oder seine Führungskräfte gegen die vorbenannten Vorschriften, liegt unter anderem ein Organisationsverschulden vor, das im Schadensfall deren Haftung begründet.

2. Darüber hinaus liegt ein Organisationsverschulden des Klinikträgers oder seiner Führungskräfte zum Beispiel aber auch dann vor, wenn:

Personal nicht zu jeder Zeit in ausreichender Anzahl und auch Qualifikation zur Verfügung steht. Das gilt für den Normalbetrieb ebenso wie für Notfälle. Das Personal muss sorgfältig ausgewählt, angeleitet und weitergebildet sowie überwacht werden (zum Beispiel BGH, Urteil vom 18. Juni 1985 – VI ZR 234/83 – BGHZ 95, 63). nicht geprüft wird, ob die Qualifikation zum Beispiel durch Krankheiten, außerdienstliche Einflüsse oder Belastungen et cetera gemindert ist (OLG Köln, Urteil vom 15. Februar 1989 – 27 U 144/88). nicht im Recht der Aufsichtspflicht abgesichert wird, dass in der Praxis keine Missachtung von Regeln passiert, die Gefahrenpotenzial für Patienten darstellen, zum Beispiel Befassung mit Aufgaben, die außerhalb der fachlichen Kompetenz des Personals liegen (zum Beispiel BGH, Urteil vom 16. April 1996 – ZR 190/95). nicht gewährleistet wird, dass (Notfall)dienste ordnungsgemäß besetzt, ausgeführt und ausgeübt werden können (zum Beispiel OLG Zweibrücken, Urteil vom 27. März 2012 – 5 U 7/08). die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen (hier Labor) nicht derart sichergestellt ist, dass die behandelnden Ärzte erhobene Befunde alsbald erhalten (zum Beispiel BGH, Urteil vom 26. April 1988 – VI ZR 246/86). nicht organisatorisch gewährleistet wird, dass das Personal die Aufgaben physisch und psychisch erfüllen kann, insbesondere der Einsatz von übermüdetem und deswegen nicht mehr voll einsatzfähigem Personals nicht durch (organisatorische) Vorsorge vermieden wird. Gesetzliche Pausen nicht gewährleistet werden. eine spezialisierte Einheit (hier Schlaganfalleinheit), nicht technisch entsprechend ausgestattet wird, sodass Patienten mit dem entsprechenden Krankheitsbild nicht rechtzeitig und medizinisch richtig versorgt werden können (zum Beispiel BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 – VI ZR 78/13). räumliche Gegebenheiten nicht geschaffen werden, um den für die Aufsicht notwendigen Ruf- und Sichtkontakt zu gewährleisten (zum Beispiel OLG Dresden, Urteil vom 24. Juli 2008 – 4 U 1857/07). Es ist daher eine primäre Organisationspflicht des Trägers eines Krankenhauses und seiner Führungskräfte, eine an den Aufgaben orientierte, zweckmäßige Organisation der Klinik zu schaffen, wozu insbesondere die personelle Ausstattung gehört. Der Krankenhausträger ist Garant für den Schutz der Patienten vor vermeidbaren Schädigungen bei der Benutzung des Krankenhauses wie bei der Behandlung und Pflege. Er ist vertraglich und deliktisch verpflichtet, alles Zumutbare zu tun, um mögliche Gefahren für die Patienten abzuwehren, unabhängig von finanziellen Zwängen. Kommt es im Organisationsbereich, wie oben dargestellt, zu einem Schaden des Patienten, haften der Krankenhausträger und seine Führungskräfte.

Krankenhausträger und deren Führungskräfte sollten, zur Vermeidung der Haftung aus Organisationsverschulden, daher ein großes Interesse daran haben, geeignete Maßnahmen in Zeiten von Fachkräftemangel zu entfalten, um das erforderliche, entsprechend qualifizierte Personal in ausreichender Anzahl jederzeit vorzuhalten und im Rahmen der Fürsorgepflicht dafür sorgen, dass dieses nicht physisch oder psychisch überlastet wird, um die Garantenstellung haftungsfrei ausüben zu können.

Entnommen aus MTA Dialog 11/2019

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