Ab in den Urlaub!

Das Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub wird durch Art. 7 der Richtlinie 93/104/EG auf einen gezahlten Mindesturlaub von vier Wochen konkretisiert, der zwei Zwecke verfolgt:

es den Arbeitnehmern 1 zu ermöglichen, sich von der Ausübung der ihnen nach dem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgabe zu erholen und einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zur Verfügung zu stellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der Arbeitnehmern gewährt wird, als bedeutsames Grundrecht des Sozialrechts der Union anzusehen. Der Grundsatz ist in Art. 32 Abs. 2 der Charta ausdrücklich verankert und erhält durch Art. 6 Europäische Verträge den gleichen rechtlichen Rang wie die EU-Verträge selbst. Die Konkretisierung des Urlaubes findet sich in Deutschland im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).

1. Entstehung des Urlaubsanspruchs Nach §§ 1 und 3 Abs. 1 BUrlG entsteht ein Anspruch auf den gesetzlichen Vollurlaub nach Ablauf der in § 4 BUrlG bestimmten Wartezeit von sechs Monaten des Bestandes des Arbeitsverhältnisses. Da nur das Bestehen des Arbeitsverhältnisses maßgebend ist, entstehen Urlaubsansprüche auch in Zeiträumen, in denen Arbeitnehmer nicht gearbeitet haben, zum Beispiel weil sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen sind oder sich im Erziehungsurlaub befunden haben. Auch in einem ruhenden Arbeitsverhältnis können Urlaubsansprüche erworben werden. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 6. Mai 2014 (9 AZR-678/12) entschieden, dass ein ruhendes Arbeitsverhältnis auch ein Arbeitsverhältnis ist und dies auch unabhängig davon gilt, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer gesetzlichen, tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Vereinbarung ruht. Sofern bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis die Wartezeit noch nicht abgelaufen war, hat dieser Anspruch auf Teilurlaub, das heißt ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat, nach § 5 BUrlG.

2. Unterjähriger Wechsel des Arbeitgebers Bei einem unterjährigen Wechsel des Arbeitgebers gilt § 6 BUrlG. Nach § 6 Abs. 1 besteht der Anspruch auf Urlaub nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der vom neuen Arbeitgeber Urlaub verlangt.

3. Altersstaffelung in der Regel unzulässig Bezüglich einer altersabhängigen Urlaubsstaffelung ist festzuhalten, dass das Bundesarbeitsgericht eine derartige Staffelung nach Lebensalter für unzulässig erachtet (BAG 15. November 2016 [9 AZR 534/15]).

4. Änderungen des Urlaubes bei einem Wechsel von der Vollzeit in Teilzeit sowie umgekehrt Arbeitnehmer, die innerhalb des Urlaubsjahres ihre regelmäßige Arbeitszeit reduzieren, steht während der Teilzeit ein nach der ursprünglichen Arbeitszeit zu berechnender Urlaubsanspruch zu, sofern dieser vor dem Wechsel in die Teilzeit noch nicht genommen wurde. Dies bedeutet konkret, wenn ein Vollzeitbeschäftigter seine Arbeitsleistung in einer Fünftagewoche erbracht hat und aus dieser Zeit noch einen Urlaubsanspruch von sechs Arbeitstagen hat und nun nur noch zwei Tage die Woche arbeitet, kann er in Teilzeit diesen Urlaub mit drei Wochen frei nehmen (EuGH 13. Juni 2013 – C-41/N2). Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Rechtsgedanken, „erworbener Urlaub bleibt unangetastet“, nicht nur für den Erhalt des in Vollzeit erworbenen Urlaubsanspruches angenommen, sondern auch für das Entgelt. Reduziert ein Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitszeit, muss sichergestellt sein, dass er für den Urlaub, den er vor Änderung der Arbeitszeit erworben hat, mindestens das Entgelt erhält, das er erhalten hätte, wenn er den Urlaub vor der Arbeitszeitverringerung genommen hätte. Abweichende tarifvertragliche Regelungen sind wegen der mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften gemäß § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz in Verbindung mit § 134 Bürgerliches Gesetzbuch unwirksam. Im umgekehrten Fall, dass ein Arbeitnehmer unterjährig von Teilzeit in Vollzeit wechselt, ohne seinen bisherigen Jahresurlaub erhalten zu haben, muss der verbleibende Urlaub mit dem bereits gewährten Urlaub seiner Dauer nach mindestens den rechtlich garantierten Mindesturlaub umfassen. Dies bedeutet konkret: Sofern bisher fünf Tage gearbeitet wurden und ein Anspruch auf 30 Urlaubstage vorlag (sechs Wochen), hat der Arbeitnehmer bei einem Wechsel von der Drei- in die Fünftagewoche ebenfalls einen Anspruch auf sechs Wochen Urlaub, unabhängig davon, wann er seinen Urlaub nimmt. Bruchteile von Urlaubstagen werden dabei jedoch nicht gerundet.

5. Elternzeit Die Elternzeit ist nach den Bestimmungen des Bundeselterngeld- und Erziehungsgeldgesetzes (BEEG) urlaubsrelevant. Sie führt zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aber der Arbeitnehmer behält seinen Anspruch auf Erholungsurlaub (Argument: nur wo ein Urlaubsanspruch ist, kann gekürzt werden: § 17 Abs.1 Satz 1 BEEG). Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, den Erholungsurlaub der Arbeitnehmer für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Will der Arbeitgeber kürzen, ist nur eine empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich. Da der Verkürzungsanspruch nur für volle Kalendermonate gilt, empfiehlt es sich, den Erziehungsurlaub nicht am Anfang eines Monats zu nehmen, sondern zum Beispiel ab dem 4. April (Kürzung erst ab Mai möglich) anstelle vom 1. April 2019 (Kürzung schon ab April möglich).

6. Freistellung unter Anrechnung des Urlaubsanspruchs Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, erfüllt er den Urlaubsanspruch nur, wenn er dem Arbeitnehmer gegenüber klar erklärt, dass es sich um eine Freistellung zwecks Urlaubsgewährung handelt. Ist der Freistellungszeitraum länger als der dem Arbeitnehmer verbleibende Urlaubsanspruch, kann die Erfüllung des Urlaubsanspruches mit der Erfüllung anderer Freistellungsansprüche (zum Beispiel Abbau von Überstunden, unbezahlte Freistellung, Bildungsurlaub, aber auch Suspendierung et cetera) kombiniert werden. Eine Ausnahme gilt, wenn der Arbeitgeber sich vorbehält, den vom Arbeitnehmer in der Freistellungsphase erzielten Zwischenverdienst anzurechnen. Nur wenn eine Arbeitsleistung verpflichtend zu erfolgen hat, kann er von dieser Arbeitsverpflichtung befreit werden. Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch nur erfüllen, wenn der Arbeitnehmer nicht aus anderem Grund, wie zum Beispiel Krankheit, von der Arbeitspflicht entbunden ist.

7. Übertragung des Urlaubsanspruchs Der Urlaubsanspruch ist befristet. Das BUrlG bindet den Urlaubsanspruch grundsätzlich an das Urlaubsjahr (§ 1 und 3 Bundesurlaubsgesetz). Einen Anspruch auf Erholungsurlaub über das Ende des Kalenderjahres und damit über das Urlaubsjahr hinweg, erhält der Arbeitnehmer nur, wenn einer der in § 7 Abs. 2 BUrlG genannten Übertragungsgründe vorliegt. Auch bei der Übertragung ist eine Befristung gegeben, da die Übertragung lediglich für drei Monate, das heißt in der Regel bis zum 31. März des Folgejahres, abgesehen von abweichenden tarifvertraglichen Regelungen, gilt. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugsraumes oder eines Teils davon krankgeschrieben ist und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses angedauert hat. Hier hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07), dass der Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 Bundesurlaubsgesetz über den Übertragungszeitraum hinaus gegen einen Verfall geschützt ist, wenn der Arbeitnehmer sich infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit außerstande sieht, den gesetzlichen Mindesturlaub in den in § 7 Abs. 3 BUrlG genannten Fristen zu nehmen. Zur Begrenzung hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 7. August 2012 (BAG 7. August 2012 – 9 AZR-353/10) entschieden, dass der Urlaubsanspruch am Ende eines Übertragungszeitraumes von 15 Monaten verfällt. Damit erlöschen Urlaubsansprüche, ungeachtet einer Erkrankung eines Arbeitnehmers, am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres. Diese Regelung gilt jedoch nur für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, den Urlaubsanspruch, der über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgeht, einer abweichenden Regelung zu unterwerfen. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer auf den befristungsbedingten Verfall des Urlaubs rechtzeitig vor Fristende hinzuweisen. Sofern es dies nicht tut, tritt ein Verfall des Urlaubsanspruches nicht ein.

8. Anspruch auf Ersatzurlaub Dem Arbeitnehmer, der rechtzeitig seinen Urlaubswunsch geäußert hat, den der Arbeitgeber zu Unrecht abgelehnt hat, steht ein Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn der Urlaub aufgrund der Befristung dann entfällt.

9. Abgeltung des Urlaubsanspruches Nach § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes hat der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers abzugelten, wenn dieser ihn wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen kann. Die Umwandlung erfolgt von Gesetzes wegen, ohne dass es dafür eine Handlung der Arbeitsvertragsparteien braucht. Sofern eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch eine finanzielle Vergütung dar, die mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht und fällig wird. Sie gilt selbst dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit über das Ende des Übertragungszeitraumes am 31. März des Folgejahres hinaus fortbesteht.

10. Ausschlussfristen Wichtig ist zu beachten, dass der Anspruch auf die Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch denselben Bedingungen wie andere Geldansprüche, etwa der Anspruch auf Lohn, unterliegt und daher tarifliche Ausschlussfristen, zum Beispiel von sechs Wochen, gelten und nicht zu beanstanden sind. Wichtig für Sie ist daher, dass Sie den Anspruch rechtzeitig dem Grunde nach geltend machen.

11. Tod des Arbeitnehmers Für den Fall des Todes des Arbeitnehmers hat der EuGH die Vorgabe gemacht, dass der Tod des Arbeitnehmers zur Folge hat, dass seine Erben einen Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht bis zu seinem Tod genommenen Urlaubs haben. Die Vorgaben sind ins deutsche Recht umzusetzen.

Sofern der Urlaubsanspruch im Streit steht, gilt der Rechtsschutz vor den Gerichten für Arbeitssachen.

Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sollten Sie Fragen zum Urlaub haben, wenden Sie sich gerne an die Rechtsabteilung.

Neues aus der Gesetzgebung Terminservicegesetz beschlossen Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat am 13. März 2019 den an zahlreichen Stellen geänderten und ergänzten Entwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG, BT-Drs. 19/6337) beschlossen. Das TSVG zielt darauf ab, den gesetzlich Versicherten einen schnelleren und besseren Zugang zu Ärzten (inklusive Haus- und Kinderärzte) zu ermöglichen. Die ständige Erreichbarkeit der Terminservicestelle soll über eine bundesweit einheitliche Notdienstnummer sowie über das Internet gewährleistet werden. Das Mindestsprechstundenangebot der Ärzte wird auf 25 Stunden pro Woche ausgedehnt. Facharztgruppen, die zur Grundversorgung zählen (zum Beispiel Augenärzte, Frauenärzte et cetera), müssen mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunden anbieten. Der Gesetzentwurf beinhaltet auch Regelungen zu Änderungsanträgen, zum Beispiel Digitalisierung im Gesundheitswesen, Impfstoffe et cetera.

Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) setzt die europäische Richtlinie EU 2016/943 um, die in ganz Europa einen einheitlichen Mindestschutz für Geschäftsgeheimnisse gewährleisten will. Der Begriff Geschäftsgeheimnis wird im deutschen Recht erstmalig gesetzlich definiert und gilt einheitlich in der EU. Geschäftsgeheimnis ist nach § 2 Nr. 1 GeschGehG eine Information, die

a) weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und

b) Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist.

Das Gesetz regelt die rechtlichen Möglichkeiten, gegen eine unerlaubte Erlangung, Nutzung oder Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen vorzugehen. Besonders schwere Verstöße sind unter Strafe gestellt. Im gerichtlichen Verfahren kann der Personenkreis begrenzt werden, der Zugang zu den Geschäftsgeheimnissen erhält. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen im deutschen Recht wird damit verbessert und die Rechtssicherheit erhöht.

1 Alle Bezeichnungen des Textes sind männlich, weiblich und divers zu verstehen.

Entnommen aus MTA Dialog 5/2019

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