Die zunehmende Zentralisierung und Vernetzung von Biobanken, insbesondere in den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) und der German Biobank Alliance, habe die medizinische Forschung in den letzten Jahren maßgeblich vorangebracht. Rund 200 Expertinnen und Experten tauschten sich vom 23.-24. September 2024 in Berlin auf dem 12. Biobanken-Symposium zu den neuesten Entwicklungen im Biobanking aus. Prof. Dr. Martin Witzenrath, Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Dr. Yvan Devaux, Luxembourg Institute of Health (LIH), demonstrierten am Beispiel von COVID-19, dass Bioproben eine entscheidende Rolle für das frühe Verständnis der Pathophysiologie von COVID-19 spielten. Anhand von Bioproben konnten grundlegende Erkenntnisse über das Verhalten des Virus, die Immunreaktion und den Schweregrad der Krankheit gewonnen werden, was zur Entwicklung von Diagnostika, Therapeutika und Impfstoffen beigetragen habe.
Subtypen bei Prädiabetes
In den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung entstehen zunehmend große zentralisierte Probensammlungen, die Forschenden helfen, qualitativ hochwertige Forschung durchzuführen. Dr. Amélie Schellenbauer vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) stellte die Erfolgsgeschichte der Identifikation unterschiedlicher Prädiabetes-Subtypen vor. Bei Menschen mit Prädiabetes gibt es sechs klar abgrenzbare Subtypen, die sich in der Krankheitsentstehung, dem Risiko für Diabetes und der Entwicklung von Folgeerkrankungen unterscheiden. Aktuell charakterisieren DZD-Forschende diese Subtypen durch Proteomanalysen von über 2.500 in der DZD-Biobank verfügbaren Bioproben weiter. Dadurch sollen Menschen mit einem hohen Risikoprofil künftig früh identifiziert und behandelt werden können.
Notfallmanagement in Biobanken
Ein Themenschwerpunkt der Konferenz stellte das Notfallmanagement in Biobanken dar. Für Havarien sollten möglichst Notfallpläne entwickelt und eine Risikoanalyse durchgeführt werden, in der alle Prozesse und Ressourcen der Biobank betrachtet werden, empfiehlt Dr. Juliane Weikert von der Leipzig Medical Biobank (LMB). Weiterhin sollten konkrete Notfallszenarien beschrieben werden. Dazu gehören beispielsweise Backup-Strategien bei Geräteausfällen oder die analoge Dokumentation bei Softwareausfällen. Die German Biobank Alliance hat Vorlagen für Biobanken erarbeitet, die in einem solchen Notfallszenario eingesetzt werden können. Anhand des durch einen Hackerangriff verursachten IT-Ausfalls am gesamten Uniklinikum Frankfurt demonstrierte Dr. Kristina Götze von der Interdisziplinären Biomaterial- und Datenbank Frankfurt (iBDF), wie wichtig ein Havarieplan für eine Biobank sei. Der Angriff im Oktober 2023 habe dazu geführt, dass das gesamte IT-System des Klinikums vom Internet getrennt werden musste. Dies habe auch gravierende Auswirkungen auf die Biobank gehabt. Unter anderem konnten externe Partner nicht mehr erreicht werden und es habe keinen Zugang zu Probeninformationen gegeben. Besonders im Fokus habe die Frage gestanden, wie Kernsysteme auch ohne externe Internetverbindungen funktionsfähig gehalten werden können. Diese Lehren würden nun genutzt, um die Widerstandsfähigkeit der Biobank weiter zu verbessern.
Dr. Sanela Kjellqvist von der Karolinska Institutet Biobank (KI Biobank) zeigte anhand eines Vorfalls in der schwedischen KI Biobank auf, wie wichtig klare Rollendefinitionen und Verantwortlichkeiten im Havariefall sind. 2023 seien bei einem Freezerausfall große Mengen an Bioproben verloren gegangen, da es zu einem Temperaturanstieg aufgrund eines technischen Fehlers kam.
Einwilligung für die Probennutzung
TMF-Geschäftsführer Sebastian C. Semler stellte in seinem Vortrag aktuelle Gesetze und Initiativen und deren Einfluss auf Biobanken vor. Im Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) sei unter anderem eine bundeseinheitliche Regelung zur einwilligungsfreien Eigenforschung datenverarbeitender Gesundheitseinrichtungen mit Daten aus der Patientenversorgung beschrieben. Eine entsprechende Nutzung von Bioproben sei hierdurch allerdings nicht geregelt, so Semler. Auch der kommende Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) sehe keine Vereinfachung für die Gewinnung und Nutzung von Proben vor. Daher empfiehlt er: „Biobanken sollten trotzdem weiter eine Einwilligung für die Probennutzung mit einem Broad Consent einholen.“ Derzeit bestehen viele Fragen zur Umsetzung des GDNG. Die TMF betreibt deshalb im Rahmen der Medizininformatik-Initiative (MII) gemeinsam mit dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) eine Task Force, in der gebündelt alle Fragen zu Umsetzung des GDNG bearbeitet werden. Unter anderem soll die Task Force die Antragstellung von Projekten bei Datenschutzbehörden koordinieren. Dazu wird auch die Abstimmung von Standards mit den Datenschutzbehörden und Ethikkommissionen angestrebt. Ebenso sei der koordinierte Dialog mit Patientenorganisationen essentiell.
Quelle: TMF
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