Wer sollte sich im Herbst/Winter impfen lassen?

Protektive Handlungen respiratorischer Infektionen für Tätige in Gesundheitseinrichtungen
Hardy-Thorsten Panknin
Impfungen im Gesundheitssektor
© chokchaipoo/stock.adobe.com
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Nationale und internationale Daten belegen, dass Mitarbeiter im Gesundheitswesen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit für zahlreiche Infektionen ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweisen.

Erhöhtes berufliches Infektionsrisiko

In diesem Herbst und Winter ist es im Besonderen für Risikogruppen und medizinisches Personal wichtig, dass sich dieser Kreis einer Grippeschutzimpfung unterzieht (siehe hierzu auch das aktuelle Poster des Robert Koch-Instituts Berlin vom September 2023 [s. Link unten]). Das RKI weist zurecht darauf hin, dass die Wirksamkeit einer Influenza-Impfung keinen absoluten Schutz bieten kann; aber aufgrund der Häufigkeit der Influenza viele (schwere) Erkrankungsfälle verhindern und zum Patientenschutz bei Tätigen im Gesundheitswesen beitragen kann. In Deutschland werden selbst bei den aktuell mäßigen Impfquoten schätzungsweise circa 400.000 Influenza-Erkrankungen pro Jahr bei Personen über 60 Jahren verhindert. Eine jährliche Influenza-Impfung wird allen Beschäftigten im Gesundheitswesen empfohlen. Durch die Impfung wird das Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren, und es an schutzbedürftige Personen (Patienten) zu übertragen, deutlich reduziert [1, 3, 4, 5].

Die Compliance der jährlichen Grippeschutzimpfung ist bei Mitarbeitern in Gesundheitseinrichtungen aus nicht rationalen Gründen immer noch unzureichend. Eine Untersuchung zur saisonalen Influenza-Impfung von Tätigen in einer Pflegeeinrichtung für ältere Erwachsene in der Republik Irland ermittelte Einstellungen und Überzeugungen. Während der Grippesaison 2016-2017 haben sich dort nur 20 der befragten Mitarbeiter einer Influenza-Impfung unterzogen. Mehr als die Hälfte der Tätigen (60%) waren der Überzeugung, dass die Impfung nicht ausreichend schützt. 47% der Mitarbeiter äußerten die Angst, dass sie sich mit dem Impfstoff sogar eine Influenza zuziehen würden. Betriebsärzte müssen das Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Gesundheitsberufe im Kontext Impfcompliance transparenter machen; nur durch Ausräumen von Missverständnissen lässt sich dann auch die Akzeptanz für die jährliche Impfbereitschaft in Risikobereichen erhöhen, wo ein infektionsanfälliges Patientengut versorgt werden muss [3]. Grundsätzlich besteht, bedingt durch die physiologische Immunseneszenz, bei Bewohnern in Pflegeeinrichtungen und auch in Akutkrankenhäusern eine erworbene Disposition für respiratorische und auch andere Infektionen. Auch Kinder haben ein höheres Risiko für Influenza-Komplikationen. Eine Untersuchung in einem Kinderkrankenhaus in der Türkei untersuchte die Impfbereitschaft für die jährliche Grippeimpfung bei den dort tätigen medizinischen Fachangestellten: In der Saison 2017–2018 konnte die Grippeschutzimpfung, durch die vorausgegangenen Impfkampagnen in den Vorjahren, signifikant verbessert werden. Die Studie zeigt gleicherweise auch hier, dass durch fachspezifische Informationen über die Wertigkeit der jährlichen Grippeschutzimpfung eine Impfbereitschaft bei den Mitarbeitern erreicht werden konnte. Jedes Jahr zu Beginn der Influenza-Saison im September/Oktober wird in der Kinderklinik explizit auf die Influenza-Impfung hingewiesen, dass ein aktueller, kostenloser Impfstoff für alle Mitarbeiter zur Verfügung steht.

Update Grippeschutzimpfung

Die Zusammensetzung der Impfstoffstämme wird auf Empfehlung der WHO jährlich der epidemiologischen Situation angepasst. Für die Saison 2023/2024 gibt es beim Paul-Ehrlich-Institut die Listen der Zusammensetzung je nach Hühnerei-basierten Impfstoffen, zellbasierten Impfstoffen oder lebend-attenuierten Impfstoffen. Für Personen ab 60 Jahren kommen Hochdosis-Vierfach-Impfstoffe zur Anwendung.

Tätige in Gesundheitseinrichtungen müssen vor respiratorischen Infektionen geschützt sein

Vor allem sollte das Gesundheitspersonal gegen Influenza, Pneumokokken (ab dem 50. Lebensjahr) und auch gegen Coronaviren geschützt sein, um nosokomiale Influenza- und SARS-CoV-2-Ausbreitungen zu vermeiden; eine vollständige Durchimpfung von medizinischem Personal muss erreicht werden. Invasive Pneumokokken-Erkrankungen (invasive pneumococcal diseases, IPD) treten besonders häufig bei Säuglingen, Kleinkindern und Personen ≥ 60 Jahre auf. In den übrigen Altersgruppen kommen sie besonders bei Personen mit bestimmten Vorerkrankungen vor. Aus den Daten des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass in den Jahren 2010–2021 im Durchschnitt pro Jahr in Deutschland 130 Personen an einer Pneumonie, Sepsis oder Meningitis durch S. pneumoniae verstorben sind. Daher empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut in Berlin) diesen genannten Personengruppen einen Impfschutz. Die STIKO hat am 14.9.2023 den Beschluss zur Aktualisierung der Pneumokokken-Impfempfehlung verabschiedet: Personen ≥ 60 Jahre, die bereits mit PPSV23 geimpft wurden, sollen eine Impfung mit PCV20 in einem Mindestabstand von sechs Jahren zur erfolgten PPSV23-Impfung erhalten. Dieses Vorgehen wird aufgrund der anzunehmenden höheren Effektivität von PCV20 gegenüber PPSV23 und der begrenzten Schutzdauer von PPSV23 empfohlen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grundkrankheit, sollen ab dem Alter von 2 Jahren, Jugendliche: Sequenzielle Impfung mit PCV13 oder PCV15, gefolgt von PPSV23 nach 6–12 Monaten erhalten* [2]. 

Erkrankungen durch S. pneumoniae gehören zu den häufigsten bakteriellen Atemwegsinfektionen weltweit. Auch in Deutschland sind Hospitalisierungen und Todesfälle aufgrund von Pneumokokken-Infektionen häufig. Trotz der Implementierung des Pneumokokken-Impfprogramms in den vergangenen Jahrzehnten bleibt die Krankheitslast in Deutschland hoch. Personen ≥ 60 Jahre sowie Personen mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet, an schweren IPD zu erkranken. Ziel der Pneumokokken-Impfempfehlung der STIKO ist die Reduktion von IPD und von Pneumokokken-Pneumonien sowie der daraus resultierenden Folgen wie Hospitalisierung, Behinderung und Tod bei Personen im Alter von ≥ 60 Jahren und Personen mit Grundkrankheiten in Deutschland. Ein sekundäres Ziel ist die Reduktion des Pneumokokken-Trägertums durch die Impfung mit Konjugatimpfstoffen. Die Krankheitslast ist insbesondere bei Personen im Alter von ≥ 60 Jahren bedeutsam, daher besteht ein hohes öffentliches Interesse an der Impfempfehlung [2].

Impfungen zur Prävention schwerer systemischer Infektionen - Sepsis

Im Rahmen der „Stop Sepsis, Save Lives“-Initiative wird eine stärkere Umsetzung aller geeigneten Maßnahmen zur Sepsisprävention und Reduzierung der Sepsissterblichkeit gefordert [4]. Wichtige Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionskrankheiten für medizinische Beschäftigte beinhalten u.a.:

  • Kenntnis über seinen eigenen Immunstatus haben und wissen, ob arbeitsmedizinisch relevante Impfungen durchgeführt wurden,
  • medizinisches Personal sollte ein solides Wissen über arbeitsbedingte Infektionen und Prophylaxemaßnahmen haben.
  • Es sollten regelmäßig Schulungen und Unterweisungen der Mitarbeiter zur Infektionsgefährdung am Arbeitsplatz durchgeführt werden.
  • Krankenhaushygienische Schutzmaßnahmen sind zu befolgen: Mund-Nasen-Schutz bzw. Atemschutzmaske (z. B. FFP2 [„filtering face piece“]), Schutzkittel bei kontaminationsträchtigen Tätigkeiten [6].

Zu einer Impfempfehlung gegen Pneumokokken für Gesundheitsberufe gibt es weder in Deutschland, Österreich noch weltweit irgendwelche konkreten Empfehlungen. Lediglich in der Schweiz wird diese Impfung für Laborpersonal empfohlen (wozu jedoch interessanterweise keine schriftlichen Unterlagen existieren). Laut WHO besteht für Tätige in Gesundheitseinrichtungen kein erhöhtes Risiko von schweren Pneumokokkeninfektionen [7]. Andererseits wird die Pneumokokkenimpfung in Deutschland für Personen ≥ 60 Jahre und in Österreich wird sie für alle Erwachsenen über 50 Jahren empfohlen [2, 7].

Impfungen können zu einer erheblichen Reduzierung der sepsisbedingten Krankheitslast führen. Da eine Sepsis sich aus nahezu jeder akuten Infektion entwickeln kann, lassen sich durch Impfungen von Risikopopulationen gegen Influenza auch Sepsis-Todesfälle und Antibiotikaresistenzen verhindern. Durch die respiratorischen Infektionen ergibt sich aktuell eine besondere Situation: Es gilt, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Wenn medizinisches Personal zusätzlich an Influenza und Coronainfektion erkrankt, kann es zur Unterversorgung in der Patientenversorgung kommen. Generell empfiehlt das RKI, in den kommenden Wochen und Monaten zum Schutz vor schweren respiratorischen Erkrankungen Folgendes zu beachten, dies betrifft besonders Tätige im Gesundheitswesen:

  • Wer Symptome einer akuten Atemwegsinfektion hat, sollte drei bis fünf Tage und bis zur deutlichen Besserung der Symptomatik zu Hause bleiben.
  • Wenn die Symptomatik sich verschlechtert, sich nicht verbessert oder man einer Risikogruppe mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf angehört, sollte man die Hausarztpraxis konsultieren.
  • Die Impfungen gegen COVID-19, Influenza und Pneumokokken sollten gemäß Empfehlungen der STIKO aktuell sein. In diesem Zusammenhang sollte auch an die Pneumokokken-Impfung bei Risikopatienten gedacht werden. Der additive Nutzen der simultanen Impfung gegen Influenza und Pneumokokken sollte gerade bei Senioren und Gesundheitsberufen beachtet werden [1, 3, 4, 5].

 (*Aufgrund der begrenzten Dauer des Impfschutzes soll die Impfung mit PPSV23 in allen 3 Risikogruppen mit einem Mindestabstand von 6 Jahren wiederholt werden).


Hier gibt es ein Kurz & Bündig zur Influenza-Impfung des RKI.
 

Literatur:

  1. RKI: Saison akuter Atemwegserkrankungen beginnt – Bundesgesundheitsminister und RKI-Spitze rufen zur Impfung auf. Gemeinsame Pressemitteilung von Bundesgesundheitsministerium und Robert Koch-Institut 18.09.2023.
  2. Schlaberg J, Vygen-Bonnet S, Falman A, et al.: Wissenschaftliche Begründung für die Aktualisierung der STIKO-Empfehlungen zur Pneumokokken-Standardimpfung von Personen ≥ 60 Jahre sowie zur Pneumokokken-Indikationsimpfung von Risikogruppen. Epid Bull 2023; 39: 6-44, DOI 10.25646/11719.
  3. Oguz MM: Improving influenza vaccination uptake among healthcare workers by on-site influenza vaccination campaign in a tertiary children hospital. Human Vaccines & Immuntherapeutics. 2019, VOL. 15, NO. 5, 1060–1065.
  4. Wollweber A, Gerlach H, Reinhart K: World Sepsis Day am 13.09.2015 Anästh Intensivmed 2015;56: 465–66.
  5. Panknin H-T: Daten und Erkenntnisse aus nosokomialen COVID-19-Infektionen - Ein ausgewählter Literaturüberblick. MTA Dialog, 6/2022, DOI: 10.53180/MTADIALOG.2022.0458.
  6. Wicker S: BK 3101 – Infektionskrankheiten. Internist. Online publiziert am 24. April 2019, DOI: doi.org/10.1007/s00108-019-0603-x.
  7. Wiedermann-Schmidt U, et al.: Impfungen für MitarbeiterInnen des Gesundheitswesens. Empfehlungen als Erweiterung des Österreichischen Impfplans. Bundesministerium für Gesundheit September 2012.

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