Die jüngst aufgetretenen Fälle von Hepatitis bei Kindern mit unklarer Ätiologie haben nichts mit den klassischen viralen Hepatitiserkrankungen zu tun. Nun scheint es Hinweise zu geben, was eventuell als Ursache infrage kommt. Zwei Forscherteams aus UK gaben eine mögliche Erklärung. Demnach könnte eine Doppelinfektion mit zwei verschiedenen Viren eine Rolle spielen. Die Wissenschaftler/-innen stießen zum einen auf Adenoviren (bzw. auf Herpesviren), die normalerweise nur zu milden Krankheiten führen und zum anderen auf das Adeno-assoziierte Virus 2 (AAV2).
Die als Preview-Version veröffentlichten Studien kommen zu dem Schluss, dass Adenoviren tatsächlich an den rätselhaften Hepatitisfällen beteiligt sein könnten. Allerdings scheint noch ein zweiter Erreger im Spiel zu sein, das sogenannte Adeno-assoziierte Virus 2 (AAV2), das selbst keine Zellen infizieren kann, aber dafür andere Viren nutzt. Bisher war AAV2 nicht dafür bekannt, Krankheiten auslösen zu können. Allerdings fanden die Forscherteams aus UK nun unabhängig voneinander Adeno-assoziierte Viren in den betroffenen Kindern, zusammen mit entweder Adenoviren oder Herpesviren.
Die kleinere Untersuchung aus Schottland, geleitet von Emma Thomson, Professorin für Infektionskrankheiten an der University of Glasgow, fand AAV2 bei allen 9 untersuchten Kindern mit auffälliger Hepatitis (untersucht wurden 9 Fälle und 58 Kontrollpersonen). AAV2 wurde im Plasma von 9/9 und in der Leber bei 4/4 Patienten gefunden. HAdV (species C und F) und das humane Herpesvirus 6B (HHV6B) wurden in 6/9 und 3/9 Fällen gefunden. 6/9 (67%) der Kinder zeigten zudem eine Evidenz zu einem Exposure zu SARS-CoV-2.
Die größere Studie unter Leitung der Virologin Judith Breuer vom University College London untersuchte 28 Hepatitisfälle (bei 136 Kindern zur Kontrolle). Sie fanden bei 94 % AAV2, in den allermeisten Fällen in großen Mengen. In Kontrollgruppen mit Kindern ähnlichen Alters fand sich hingegen kaum AAV2, auch nicht bei Kindern mit einer Leberentzündung, die auf eine bereits geklärte Ursache zurückzuführen war. In 5 Fällen, die eine Transplantation brauchten, wurden große Mengen AAV2 in der entnommenen Leber gefunden. AAV2 wurde zudem auch in größerer Menge im Blut von 10/11 nicht transplantierten Fällen gefunden. Geringere Mengen des Adenovirus (AdV) und humanen Herpesvirus 6B (HHV-6B) wurden in den 5 Lebern und im Blut von 15/17 und 6/9 der 23 nicht transplantierten Fälle gefunden. 3 der 5 transplantierten Kinder waren positiv auf SARS-CoV-2 getestet (PCR) und 1/5 hatte eine positive Serologie. 7/8 nicht transplantierte Fälle wurden ebenfalls per Serologie positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Die Autoren betonen deshalb, dass dies die Frage nach einer möglichen Beteiligung aufwerfe. Dieser Aspekt wurde bei vielen Berichten zu den neuen Studien einfach weggelassen. Weitere Forschung sollte hier die Lücken füllen.
Hepatitis-Impfquoten ausbaufähig
Doch auch bei den klassischen Hepatitiserkrankungen gibt es noch einiges zu tun. Jährlich sterben laut PEI weltweit 1,1 Millionen Menschen an den Folgen einer Infektion mit Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Viren. Noch wenig Beachtung findet bisher das Hepatitis-E-Virus, das ebenfalls in Deutschland vorkommt. Die Hepatitis-E-Virus-Übertragung erfolge hauptsächlich durch nicht ausreichend gegartes Schweine- und Wildfleisch. Aber auch eine Übertragung durch Blutprodukte sei möglich. Anders als gegen Hepatitis-A- und -B-Viren steht in Europa kein Impfstoff gegen Hepatitis E zur Verfügung.
Laut RKI sind die Hepatitis-B-Impfquoten nicht nur in der Allgemeinbevölkerung, sondern auch in den Risikogruppen unzureichend. Die Forderung ist klar: Strategien zur Erhöhung der Impfquoten sollten für die Allgemeinbevölkerung und die unterschiedlichen Risikogruppen evaluiert werden. Die Wissenschaftler empfehlen, alle Säuglinge, Kinder und Jugendliche konsequent und zeitgerecht zu impfen. Außerdem wird dazu geraten, die Impfquoten in definierten Risikogruppen, insbesondere bei solchen mit Sexualverhalten mit hoher Infektionsgefährdung oder injizierendem Drogengebrauch, zu steigern.
Risikogruppen stärker impfen
So gaben in der 2017 durchgeführten EMIS-Studie (European MSM Internet Survey) mit über 20.000 Teilnehmern aus Deutschland 56% an, vollständig gegen Hepatitis B geimpft zu sein. Der selbst berichtete Impfschutz habe sich damit im Vergleich zur EMIS-Studie von 2010 mit 53% nur leicht erhöht, so das RKI.
In einer prospektiven Kohortenstudie, die seit 1996 in Deutschland durchgeführt wird (HIV-1-Serokonverterstudie), zeigte sich laut RKI bei mit HIV koinfizierten MSM ein Rückgang der HBV-Inzidenz von 6,9 pro 100 Personenjahre (Zeitraum 2004–2007) auf 0,58 pro 100 Personenjahre (Zeitraum 2016–2019). Damit einher ging ein Rückgang der Prävalenz ausgeheilter HBV-Infektionen von 43 % (Zeitraum 1996– 1999) auf 19 % (Zeitraum 2016–2019) (unveröffentlichte Daten).
Artikel teilen