Nach wie vor handelt es sich bei der Tuberkulose (TB) um eine der tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit. Und auch Industrienationen sind nicht gefeit vor Ausbrüchen, wie jüngste Fälle in den USA und Großbritannien zeigen. Jedes Jahr erkranken 10 Millionen Menschen an TB. Etwa 1,5 Millionen Patientinnen und Patienten sterben an der durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis (Mtb) verursachten Krankheit. Die Behandlung der TB erfordert in der Regel eine mehrmonatige Antibiotika-Therapie, doch die Zunahme arzneimittelresistenter Formen der TB hat zu einem dringenden Bedarf an neuen Medikamenten geführt. Das neuartige Antibiotikum BTZ-043 – eine gemeinsame Entwicklung von Forschenden des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), des Instituts für Infektions- und Tropenmedizin (Tropeninstitut) am LMU Klinikum München und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) in Jena – hat in klinischen Studien am Menschen eine gute bakterizide Wirkung gezeigt. Es nutzt einen neuartigen Wirkmechanismus. Es gehört zur Substanzklasse der Nitrobenzothiazinone (BTZ). Es bindet irreversibel an ein Enzym, dass Mykobakterien zum Aufbau ihrer Zellwand benötigen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnten DZIF-Wissenschaftler/-innen unter Leitung der Universität Bayreuth und des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum zeigen, dass BTZ-043 effektiv in TB-Läsionen eindringt, sich dort in hohen Konzentrationen anreichert und damit die Mtb-Bakterien auch an schwer zugänglichen Stellen bekämpfen kann.
Nekrotische Bereiche stellen besondere Herausforderung dar
Ein charakteristisches Merkmal der Tuberkulose (Tuberkel = knotige Schwellung) ist die Bildung von Granulomen. Diese knötchenartigen Gewebeveränderungen werden vom Körper in der Lunge gebildet, um die Mtb-Bakterien einzuschließen. Granulome haben eine feste äußere Kapsel mit einer darunter liegenden Schicht aus Immunzellen und einen Kern aus abgestorbenem Gewebe (nekrotischer Kern), in dem sich die Bakterien verbergen und überleben können. Diese nekrotischen Bereiche stellen eine besondere Herausforderung dar. Denn sie sind schlecht durchblutet und Antibiotika können sie daher nur schwer erreichen. In einem Mausmodell, das die TB-Pathologie der Granulomnekrose beim Menschen widerspiegelt, konnte das DZIF-Forschungsteam die bemerkenswerte Fähigkeit des neuen Antibiotikums BTZ-043 nachweisen, effizient in diese nekrotischen Granulome einzudringen, sich dort anzureichern und die Bakterienlast zu verringern.
Erfolg im Tierversuch
Die Forschenden verwendeten ein besonderes Mausmodell, bei dem die Tiere durch eine genetische Modifikation Granulome entwickeln, die denen von TB-Patienten ähneln. In einer wegweisenden Studie an diesen Mäusen stellten die Forschenden fest, dass die Konzentration von BTZ-043 in den Läsionen um ein Vielfaches über der Mindestkonzentration lag, die für eine wirksame Bekämpfung von Mtb erforderlich ist. Die hochauflösende MALDI-Massenspektrometrie habe zudem die besondere Fähigkeit von BTZ-043 gezeigt, tief in die Zellkompartimente der Läsionen einzudringen und die nekrotischen Zentren vollständig zu durchdringen. „Unsere Studie stellt einen wichtigen Fortschritt bei der Etablierung neuer Tuberkulose-Antibiotika dar, da wir erstmals die Verteilung eines in der Entwicklung befindlichen TB-Wirkstoffs im Granulom sichtbar machen konnten“, sagte DZIF-Wissenschaftler Prof. Andreas Römpp von der Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Bioanalytik und Lebensmittelanalytik, Erstautor und korrespondierender Autor der Studie.
Wird die TB-Therapie künftig effizienter?
„Die Fähigkeit von BTZ-043, diese schwer zugänglichen Läsionen zu erreichen und dort zu wirken, deutet auf eine starke bakterizide Wirkung hin, die die Tuberkulosetherapie effizienter machen könnte“, ergänzte die korrespondierende Letztautorin und DZIF-Wissenschaftlerin Dr. Kerstin Walter vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum. „Die Entwicklung dieses besonderen Mausmodells, das im Gegensatz zu den sonst verwendeten Standardmäusen die Pathologie der menschlichen Tuberkulose sehr gut widerspiegelt, stellt einen Meilenstein auf der Suche nach neuen Antibiotika gegen die Tuberkulose dar“, ergänzt Dr. Christoph Hölscher, Forschungsgruppenleiter am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum und Koordinator des Schwerpunkts „Neue Wirkstoffe und Therapiemuster“ im DZIF-Forschungsbereich „Tuberkulose“. „Diese Erkenntnisse sind vielversprechend für die Millionen von Menschen, die weltweit an Tuberkulose erkrankt sind, und bieten einen Ausblick auf eine Zukunft, in der schwer zugängliche Tuberkuloseläsionen mit einem weiteren Wirkstoff erreicht werden können. Je weiter die Forschung voranschreitet, desto deutlicher wird das Potenzial von BTZ-043, die klinischen Ergebnisse für Tuberkulosepatienten zu verändern“, sagt Dr. med. vet. Julia Dreisbach, Scientific Program Manager BTZ-043 am Tropeninstitut München.
Quelle: idw/DZI
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