Laut Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe erleiden jährlich hierzulande rund 270.000 Menschen einen Schlaganfall, knapp 200.000 davon sind erstmalige Schlaganfälle. Meist sind ältere Menschen betroffen, allerdings sind darunter auch rund 30.000 Menschen unter 55 Jahren. Und mindestens 300 Kinder erleiden jährlich einen Schlaganfall. Die Dunkelziffer ist laut Stiftung vermutlich deutlich größer. Patienten mit einem akuten Schlaganfall erleiden zudem häufig Komplikationen am Herzen, die früh festgestellt und behandelt werden sollten. Den Mechanismus der Herzschädigung zu identifizieren, ist entsprechend von großer Bedeutung. Dies stellt die behandelnden Ärzte jedoch häufig vor diagnostische Herausforderungen. Denn im Einzelfall ist es schwer zu sagen, ob eine stressvermittelte Herzschädigung oder ein akuter Herzinfarkt, also eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels, vorliegt. Bisher gibt es keine gut etablierten diagnostischen Methoden, um dies sauber zu unterscheiden, ohne die Patienten mit einem Herzkatheter zu untersuchen.
Untersuchung des Troponinwertes
Troponin wird im Blut bestimmt und ist derzeit der empfindlichste Marker, um Schäden am Herzmuskel zu erkennen. Bei Patienten mit Brustschmerz und erhöhten oder ansteigenden Troponinwerten wird routinemäßig ein Herzkatheter (Koronarangiografie) durchgeführt, um einen möglichen Herzinfarkt festzustellen und zu behandeln. Bei diesem Eingriff setzen die Ärzte zur Therapie einen Stent ein, falls ein Gefäßverschluss oder eine kritische Verengung vorliegt. Erhöhte Troponinwerte finden sich bei jedem zweiten Schlaganfallpatienten und bei jedem siebten sind diese sogar so stark erhöht, dass die Kriterien zur diagnostischen Abklärung mittels Herzkatheter für einen möglichen Herzinfarkt erfüllt sind. Bislang ist der Nutzen der Herzkatheteruntersuchung bei Schlaganfallpatienten jedoch unklar. Im klinischen Alltag wird diese Untersuchung deshalb derzeit nur selten durchgeführt - bei etwa ein bis zwei Prozent der Schlaganfallpatienten.
Hoher Anteil Herzinfarkte
Mit der Studie PRAISE (PRediction of Acute coronary syndrome in acute Ischemic StrokE) haben Kardiologen und Neurologen des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) nun herausgefunden, dass tatsächlich bei der Hälfte aller Schlaganfallpatienten mit stark erhöhten Troponinwerten ein Herzinfarkt vorliegt. „Das ist zumindest aus Sicht von Neurologen ein überraschend hoher Anteil, so viele Herzinfarkte hatten wir nicht erwartet“, sagt Prof. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Forscher am DZNE-Standort Berlin. Er leitete die Studie zusammen mit seinen Charité-Kollegen Prof. Christian Nolte und Prof. Ulf Landmesser vom Deutschen Herzzentrum der Charité.
Wer sollte eine Koronarangiografie erhalten?
Es habe sich herausgestellt, dass etwa 20 Prozent der Schlaganfall-Patienten einen Herzinfarkt vom Typ 1 haben, der umgehend behandelt werden muss. Dabei führt oft die Ruptur einer Gefäßablagerung (Plaque) und eine Gerinnselbildung im Herzkranzgefäß zum Infarkt. „In der PRAISE Studie zeigte ein mehr als fünffach erhöhter Troponinwert mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt Typ 1 an. Das ist eine relevante Erkenntnis. Der neue Grenzwert kann helfen, zu entscheiden, welche Patienten mit Schlaganfall eine Koronarangiografie erhalten sollten“, sagt Nolte, Erstautor der Studie und Oberarzt an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Charité. Bei weiteren 30 Prozent habe ein Herzinfarkt Typ 2 vorgelegen, bei dem keine Thrombusbildung und keine hochgradige Verengung der Blutgefäße zum Infarkt führen. Hier entwickelt sich der Sauerstoffmangel durch ein komplexes Zusammenspiel zwischen Sauerstoffangebot und Nachfrage am Herzen.
Troponindynamik mit weniger Aussagekraft
Bei Patienten mit Brustschmerzen wird das primäre Augenmerk auf den Verlauf des Troponinwertes über die Zeit gelegt. Insbesondere ein Anstieg oder Abfall („Dynamik“) um mindestens 20 Prozent ist relevant für die Wahrscheinlichkeit, dass ein akuter Herzinfarkt vorliegt. „Anders als von uns erwartet, hatten solche dynamischen Veränderungen von Troponin bei Schlaganfallpatienten jedoch keine gute Vorhersagekraft, um den Mechanismus der Herzmuskelschädigung zu klären und zwischen Durchblutungsstörung und Nerven-vermittelter kardialer Störung zu unterscheiden”, sagt Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Deutschen Herzzentrum der Charité.
Behandlungsstudie soll Empfehlungen bringen
„PRAISE ist eine diagnostische Studie, um den Mechanismus Herzschädigung besser zu verstehen“, betont Endres. „Als Nächstes wollen wir nun mit einer Behandlungsstudie untersuchen, ob wir die Prognose von Schlaganfallpatienten mit fünffach erhöhten Troponinwerten mithilfe eines Herzkatheters und der entsprechenden Behandlung verbessern können.“ Erst dann ließen sich verbindliche Empfehlungen für die klinische Praxis aussprechen. Bei der Studie nahmen insgesamt 254 Patientinnen und Patienten mit einem akuten Schlaganfall und stark erhöhten Troponinwerten teil. 47 Prozent waren Frauen und das mittlere Alter lag bei 75 Jahren. Alle Teilnehmer erhielten eine Ultraschalluntersuchung, ein Elektrokardiogramm (EKG) und eine Blutuntersuchung. Die Ergebnisse wertete ein Endpunktkomitee standardisiert aus. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, wie wichtig die Verbindung zwischen Herz und Gehirn beim akuten ischämischen Schlaganfall ist und legen die Basis für weitere Studien von Kardiologie und Neurologie“, so Endres.
Quelle: idw/DZHK
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