Psychische Erkrankungen haben eine gemeinsame Basis

Groß angelegte Studie
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Prof. Dr. Markus M. Nöthen (links) und Dr. Andreas Forstner
Prof. Dr. Markus M. Nöthen (links) und Dr. Andreas Forstner mit einer Abbildung, wie verschiedene psychische Erkrankungen genetisch zusammenhängen. Susann Stangier/Institut für Humangenetik
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Psychische Erkrankungen können wichtige molekulare Gemeinsamkeiten aufweisen, die sich in den aktuellen diagnostischen Kategorien nicht widerspiegeln. Das haben Wissenschaftler des Brainstorm Consortiums unter Beteiligung von Humangenetikern des Universitätsklinikums Bonn herausgefunden.

Psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie und bipolare Störungen treten familiär gehäuft auf. In einer neuen internationalen Studie untersuchten die Forscher die genetischen Zusammenhänge zwischen diesen Störungen und anderen Erkrankungen des Gehirns in einer Systematik, die die bisherigen Arbeiten zu diesem Thema weit in den Schatten stellt. Das internationale Forscherteam stellte fest, dass psychiatrische Störungen zahlreiche genetische Faktoren teilen, während neurologische Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer im Hinblick auf ihre genetischen Grundlagen deutlicher voneinander abgegrenzt erscheinen.

Wichtige Gemeinsamkeiten auf molekularer Ebene?

Die nun veröffentlichte Studie beschäftigt sich mit der Frage, wie genetische Variation mit der Entstehung von Hirnerkrankungen zusammenhängt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass psychiatrische Erkrankungen wahrscheinlich wichtige Gemeinsamkeiten auf molekularer Ebene aufweisen, die sich in den derzeitigen diagnostischen Kategorien nicht widerspiegeln.

Für die aktuelle Studie haben internationale Konsortien ihre Daten zusammengeführt, um die genetischen Muster von 25 psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen zu untersuchen. „Diese groß angelegte Studie war nur durch die weltweite Zusammenarbeit von verschiedenen Forschern auf dem Gebiet psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen möglich“, sagt Prof. Dr. Markus Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn. „Sie stellt derzeit eine der größten genetischen Untersuchungen bei Patienten und Kontrollpersonen weltweit dar.“ Mehr als 500 Wissenschaftler weltweit arbeiteten an der groß angelegten Studie mit, darunter sieben Mitarbeiter des Bonner Instituts für Humangenetik.

265.218 Patienten und 784.643 Kontrollen

Da jede einzelne genetische Variante nur einen kleinen Beitrag zur Krankheitsentstehung leistet, erforderten die Analysen große Stichproben, um zuverlässig Signale vom Rauschen zu trennen. Mit Hilfe von genomweiten Assoziationsstudien an insgesamt 265.218 Patienten und 784.643 Kontrollen ermittelten die Forscher das Ausmaß der genetischen Überlappungen zwischen den einzelnen Erkrankungen. Die Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Bonn trugen mit der Untersuchung des Erbguts von mehreren Tausend Patienten mit Schizophrenie, bipolarer Störung und Depression sowie mehreren Tausend gesunden Kontrollpersonen zur Studie bei.

Die Ergebnisse zeigten weitreichende genetische Überschneidungen bei verschiedenen psychischen Erkrankungen, insbesondere zwischen der Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), der bipolaren Störung, der schweren Depression und der Schizophrenie. Darüber hinaus weisen die Daten eine starke Überlappung zwischen Magersucht (Anorexia nervosa) und der Zwangsstörung (OCD) sowie zwischen OCD und dem Tourette-Syndrom auf. Im Gegensatz dazu waren neurologische Störungen wie Parkinson und Multiple Sklerose deutlicher voneinander und von den psychiatrischen Störungen zu unterscheiden - mit Ausnahme der Migräne, die genetisch mit ADHS, der schweren depressiven Störung und dem Tourette-Syndrom in Zusammenhang steht.

Müssen die klinischen Diagnosekriterien überarbeitet werden?

Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet die ausgeprägte genetische Überlappung zwischen den psychiatrischen Störungen darauf hin, dass die aktuellen klinischen Diagnosekriterien die zugrunde liegende Biologie nicht genau widerspiegeln. „Die Ergebnisse der Studie könnten daher dazu führen, dass die diagnostischen Kategorien von psychischen Erkrankungen in der Zukunft neu strukturiert werden müssen“, sagt Dr. Franziska Degenhardt, Leiterin der Arbeitsgruppe „Genetik schizophrener Störungen“ am Institut für Humangenetik des Uniklinikums Bonn.

So könnte beispielsweise ein einziger Mechanismus, der die Menge eines Proteins im Gehirn reguliert, sowohl das unaufmerksame Verhalten bei ADHS als auch die gestörte Funktion bei schizophrenen Störungen beeinflussen. „Langfristig könnte die weitere Erforschung dieser genetischen Zusammenhänge dazu beitragen, die Diagnose und Therapie von Patienten mit neuropsychiatrischen Erkrankungen zu verbessern“, sagt Dr. Andreas Forstner, der zusammen mit Prof. Nöthen die an der Studie beteiligte Bonner Arbeitsgruppe zu affektiven Störungen leitet.

Die Studie wurde von den Co-Senior-Autoren Ben Neale vom Broad Institute am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Aiden Corvin vom Trinity College Dublin sowie dem Erstautoren Verneri Anttila, Post-Doktorand in Neales Labor, geleitet. (idw, red)

Literatur:

The Brainstorm Consortium, Verneri Anttila, Brendan Bulik-Sullivan, et al.: Analysis of shared heritability in common disorders of the brain. Science, 22 Jun 2018, Vol. 360, Issue 6395, eaap8757, DOI: 10.1126/science.aap8757.

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