Depressionen: Zwei Mal pro Woche Joggen

Interview mit Detlev Ganten
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Detlev Ganten World Health Summit
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Prof. Dr. Detlev Ganten ist Präsident des World Health Summit, Arzt und Wissenschaftler und erklärt, warum Forschung, Politik, Industrie und Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen müssen, um Depressionen zu bekämpfen.

Depressionen sind eine ernstzunehmende Krankheit, die weltweit verbreitet ist – viele Menschen aber sehen darin eher eine Modeerscheinung. Was tun?

Ganten: Depressionen sind eine Krankheit und müssen als solche anerkannt und behandelt werden. Sie werden aber oft von Ärzten und Patienten nicht ernst genug genommen. Rund die Hälfte der schwereren Fälle wird bisher gar nicht behandelt. Das kann im Extremfall bis zum Suizid führen. Das ist besonders dramatisch, da Depressionen gut behandelbar und sogar heilbar sein können. Die Dunkelziffer der Depressionskranken ist weltweit extrem hoch: Das gilt vor allem für ärmere Länder, in den Industrienationen ist die Datenlage besser. Schauen wir uns zum Beispiel die dramatische Situation der Millionen Menschen an, die auf der Flucht vor Folter, Verfolgung und Gewalt Unvorstellbares erleben und oft schwer traumatisiert bei uns ankommen. Ein riesiges Forschungsthema, das uns in Zukunft noch viel beschäftigen wird.

Laut WHO gibt es in vielen Ländern nahezu keine Unterstützung für Menschen mit Depressionen. Im Durchschnitt sind nur drei Prozent der staatlichen Gesundheitsausgaben für seelische Gesundheit vorgesehen. Was ist nötig, um diese Situation zu verbessern?

Ganten: Wichtig ist erstmal eine effektive Aufklärungsarbeit, die sowohl die Patienten und ihr Umfeld als auch Politik und Forschung erreicht. Dafür brauchen wir internationale, übergreifende Foren wie den World Health Summit, der jedes Jahr einflussreiche Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aus über 80 Ländern nach Berlin holt, um weltweite Gesundheitsprobleme gemeinsam anzugehen. Psychische Gesundheit in den unterschiedlichen Kulturkreisen gehört zum Beispiel neben wichtigen Themen wie Antibiotikaresistenzen unbedingt auf die Agenda der G7/G20-Gespräche.

Sport und Bewegung gelten als gutes Mittel gegen Depressionen. Was ist dran?

Ganten: Regelmäßiges Laufen – vor allem in der Gruppe – aktiviert unser Hormonsystem, sodass Endorphine ausgeschüttet und Glücksgefühle verursacht werden. Das ist schon mal ein wichtiger Schritt. Außerdem fördert das Wissen von physischer Leistungsfähigkeit auch mentale Stärke, um zum Beispiel durch persönlich oder beruflich schwere Zeiten zu gehen. Unter bestimmten Umständen kann zwei Mal pro Woche Joggen sogar die Medikamente ersetzen.

Welchen Rat haben Sie als Arzt, wenn es erste Symptome gibt?

Ganten: Wer zum Beispiel mutlos und antriebslos ist, muss sich dessen überhaupt erst bewusst werden und akzeptieren, dass es sich um eine Krankheit handeln könnte. Das ist ein langwieriger und meist schwieriger Prozess. Der Austausch mit vertrauten Personen kann dann schon viel bewirken. Das ist auch der Rat an den Familien- oder Freundeskreis, denn oft werden die Symptome von außen viel eher erkannt als von den Betroffenen selbst. Wir müssen für die Menschen da sein und ihnen ein positives Umfeld bieten. Unbedingt wichtig ist natürlich, dass Depressionskranke zum Arzt gehen und professionelle Hilfe erhalten.

Prof. Dr. Detlev Ganten hat als Professor an der Universität Heidelberg bereits in den 80er Jahren regelmäßig Laufgruppen gegen Depressionen geleitet. 2009 gründete er den World Health Summit mit dem Ziel, Weltgesundheit zu verbessern. Ganten ist Facharzt für Pharmakologie und Experte für Bluthochdruck, Evolutionäre und Molekulare Medizin.

Der World Health Summit findet vom 15.-17. Oktober in Berlin statt (Kosmos, Karl-Marx-Allee 131a). Er steht unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker und gilt mit mehr als 1.600 Teilnehmern aus mehr als 80 Ländern als das wichtigste strategische Forum für weltweite Gesundheitsfragen.

Zentrale Themen beim WHS 2017 sind unter anderem die Gesundheitspolitik der G7/G20, die Entwicklung neuer Impfstoffe, Digitalisierung und Big Data, Gesundheitssicherheit, urbane Gesundheit sowie Afrika und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.

Quelle: idw/WHS, 04.04.2017

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