Organoide des menschlichen Knochenmarks konstruiert

Biotechnologische Produktion von Blutzellen möglich?
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Modell des Knochenmarks
© Artur/stock.adobe.com
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Einem Forschungsteam ist es gelungen, Organoide des menschlichen Knochenmarks zu konstruieren. Dies könnte neue Möglichkeiten der Therapie eröffnen.

Organoide sind ein vielversprechender Ansatz. Mit ihnen können im Idealfall die Funktionen der großen Originale nachgebildet werden. Einem interdisziplinären Forschungsteam ist es nun gelungen, Organoide des menschlichen Knochenmarks zu konstruieren. „Wir denken, dass sich diese Technologie in vieler Hinsicht als nützlich erweisen könnte – von der Modellierung angeborener und erworbener Erkrankungen des Knochenmarkes bis hin zur biotechnologischen Produktion von Blutzellen“, sagt Professor Christoph Klein, Direktor der LMU Kinderklinik und Kinderpoliklinik.

Seltene Erkrankung als Ausgangspunkt

Diese Forschungsgeschichte habe begonnen, als sich die Eltern von zwei Kindern an die Experten für seltene angeborene Erkrankungen im Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums wandten, erzählt Dr. Stephanie Frenz-Wießner, die Erstautorin der Studie. Die Kinder hatten in ihrem Erbgut eine neue Mutation und entwickelten schon früh ein Versagen des Knochenmarks. Die Mutation indes führt zu einer sogenannten Myelofibrose. Dabei vernarbt das Gewebe im Knochenmark, wodurch es seine Funktionen nicht mehr ausreichend erfüllen kann. Die Folgen: zum Beispiel Blutarmut, Blutungen, ständige Infektionen.

Idee für dreidimensionales Organoid der Knochenmarksnische

„Wir wollten herausfinden, wo das Problem in der Knochenmarksnische liegen könnte“, sagt Frenz-Wießner, „aber wir hatten dafür einfach kein gutes Modell, um das zu untersuchen.“ So sei die Idee aufgekommen, ein dreidimensionales Organoid der Knochenmarksnische zu entwickeln. Das sind die Orte im Knochenmark, in dem sich die Blutstammzellen befinden – inmitten eines Netzwerks von Blutgefäßen sowie Vorläuferzellen von Knochen, Knorpel und Fett. Störungen der Nische, soviel ist bekannt, können zu Erkrankungen des Knochenmarks wie eben der Myelofibrose oder Leukämie beitragen.

Induzierte pluripotente Stammzellen als Grundlage

Grundlage des Organoids, das die Forscherinnen und Forscher der Kinderklinik gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Helmholtz Munich (Gruppe von Carsten Marr) und des Instituts für Molekulare Biotechnologie in Wien (IMBA) sowie der MedUni Wien (Gruppe von Josef Penninger) entwickelt haben, bilden sogenannte „induzierte pluripotente Stammzellen“ (iPS-Zellen). Sie werden durch bestimmte molekulare Tricks aus Zellen der Haut oder Zellen der Niere, die mit dem Urin ausgeschieden werden, erzeugt. Durch eine spezifische Abfolge von Wachstumsfaktoren und Signalmolekülen ist es dem Team gelungen, iPS-Zellen binnen drei Wochen in die Haupt-Zelltypen des Knochenmarks zu differenzieren, die sich im Raum anordnen.

Knochenmarkserkrankung der beiden Kinder untersucht

Die resultierenden Organoide bestehen aus einem Netzwerk von Blutgefäßen, einem Kompartiment mit verschiedenen Blutzelllinien und einem Bindegewebs-Kompartiment. Die Einbettung in eine sogenannte Extrazellulärmatrix schafft eine dreidimensionale Architektur mit Blutgefäßen, Perizyten und Blutzellen, die der Nische des humanen Knochenmarks ähnelt, wie sich durch verschiedene Analyseverfahren nachweisen ließ. „Außerdem entwickelten sich in diesen Organoide Zellen, die Eigenschaften von Blutstammzellen aufwiesen“, sagt Frenz-Wießner. In Mäuse verpflanzt, habe ein Teil der Zellen dort für eine bestimmte Zeit Nachschub an Blutzellen liefern können. Und letztlich haben die Forscherinnen und Forscher mit den Organoiden begonnen, die Knochenmarkserkrankung der beiden Kinder zu untersuchen. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass Organoide mit Mutationen im VPS45-Gen, einer bereits bekannten Genmutation, bei denen die Kinder auch Myelofibrose zeigen, tatsächlich Vernarbungen entwickeln. Das Modell habe funktioniert, betonen die Wissenschaftler/-innen.

Individualisierte Therapien entwickeln und testen?

„Durch diese Knochenmarksorganoide aus iPS-Zellen können wir nun komplexe Interaktionen zwischen verschiedenen Zelltypen des Knochenmarks im Labor untersuchen“, sagt Klein, „und so versuchen, die Entwicklung von Krankheiten wie Knochenmarkversagen oder Leukämien besser zu verstehen.“ Perspektivisch besteht außerdem die Chance, dass patienten-spezifische Organoide genutzt werden könnten, um individualisierte Therapien zu entwickeln und zu testen.

Literatur:
Frenz-Wiessner S, Fairley SD, Buser M, et al.: Generation of complex bone marrow organoids from human induced pluripotent stem cells. 2024, Nature Methods. DOI: doi.org/10.1038/s41592-024-02172-2.

Quelle: idw/LMU

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