Die Ursachen für die schlechten Aussichten bei einem Glioblastom sind vielschichtig. Einer der Gründe für die verbesserungswürdige Bilanz sind die Resistenzmechanismen, die die Tumoren gegenüber Chemotherapeutika entwickeln. Zum einen blockiert die Blut-Hirn-Schranke viele Medikamente, da der Körper damit das Gehirn schützt. „Glioblastome sind nun in der Lage die Blut-Hirn-Schranke auch während des Tumorwachstums zum Teil aufrecht zu erhalten. Diese sogenannte Blut-Tumor-Schranke erschwert dann die Passage für Therapeutika“, sagt Rainer Glaß, Experte für neurochirurgische Forschung am LMU Klinikum. Zum anderen entwickeln die Hirntumorzellen Mechanismen, mit denen sie viele Schäden reparieren können, die eine Chemotherapie in ihnen anrichtet.
Welche Rolle spielt Humanin?
„Wir haben nun herausgefunden, dass es in Glioblastomen – nicht in allen, aber in einigen – einen koordinierenden Mechanismus gibt, der beides bewerkstelligt“, erklärt Glaß. Durch ein Zusammenspiel der Tumorzellen mit den sie umgebenden Immunzellen werde ein molekularer Signalweg ausgelöst, der letztlich zur Ausschüttung des Stoffes „Humanin“ führe. In Glioblastomen aktiviere Humanin ein Oberflächenmolekül, den Rezeptor GP130, der sowohl auf den Tumorzellen als auch auf den Blutgefäßen im und um das Tumorgewebe vorhanden ist. Dadurch komme es in den Tumorzellen einerseits selbst zu einer großangelegten Reparatur der Schäden, die durch Chemotherapeutika verursacht werden. Andererseits signalisiere Humanin den Gefäßen um den Tumor, die Blut-Tumor-Schranke auszubauen. „Dann gelangt eine geringere Menge des Chemotherapeutikums zu den Tumorzellen“, sagt Glaß, „und diese verminderte Dosis wird in ihrer Wirkung blockiert, indem die Resistenzmechanismen hochgefahren sind.“
Medikament als Hoffnungsträger?
Die Forscherinnen und Forscher hoffen nun, durch das Blockieren des Rezeptors GP 130 mit einem Medikament, das zur Therapie des Knochenschwunds zugelassen ist, das Humanin am Andocken zu hindern. „Damit”, so Glaß, „verhindern wir beide Resistenzmechanismen, wir schlagen sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe.“ Bisher funktioniere das alles im Zell- und Tierversuch. „Selbstverständlich benötigen wir klinische Studien mit Glioblastom-Patienten, um die Wirkung des Medikaments beim Menschen zu beurteilen“, sagt Rainer Glaß. Das Medikament heißt Bazedoxifene und kann als eines von wenigen die Blut-Hirn-Schranke passieren. Allerdings verändert es die Wirkung des weibliches Geschlechtshormons Östrogen und dadurch entstehende Nebenwirkungen müssten, vor allem bei Frauen, eventuell medikamentös kompensiert werden. Weibliche Mäuse reagierten jedenfalls mit Gewichtsverlust auf das Medikament. Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass es nun klinische Forschung brauche, die zeigen müsse, ob diese potenziell neue Therapie für das Glioblastom deutlichen Nutzen für die Patienten bringe.
Quelle: idw/LMU
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