Anfang Mai hatte die WHO KP.2 als Variante unter Beobachtung eingestuft. In Singapur wird vor allem die ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Bevölkerung bereits wieder aufgerufen, sich entweder mit Masken zu schützen oder sich eine zusätzliche Impfung geben zu lassen. Und auch in den USA wird für Kalifornien bereits berichtet, dass im Abwasser die Coronaviruskonzentrationen ungewöhnlich früh ansteigen. Dort wird dies ebenfalls auf die neuen KP.-Varianten, die JN.1 abgelöst haben, zurückgeführt. Es handelt sich um die sogenannten FLiRT-Varianten (F456L– und R346T-Mutationen im Spike-Protein). Laut Los Angeles Times sehen die Mediziner in der Region San Francisco bereits mehr Menschen im Krankenhaus mit einer COVID-Lungenentzündung. Die Sommerwelle könnte demnach bereits früher im Jahr starten.
WHO-Statistik zur Lebenserwartung
Die Auswirkungen der Coronapandemie sind inzwischen auch bei der WHO-Statistik zur Lebenserwartung abzulesen. Demnach habe die COVID-19-Pandemie in nur zwei Jahren über ein Jahrzehnt andauernde Zuwächse sowohl bei der Lebenserwartung (bei Geburt) als auch bei der gesunden Lebenserwartung (HALE, healthy life expectancy) zunichte gemacht. Im Jahr 2020 seien sowohl die globale Lebenserwartung als auch die HALE wieder auf das Niveau von 2016 (72,5 Jahre bzw. 62,8 Jahre) zurückgefallen. Im darauffolgenden Jahr sei es zu weiteren Rückgängen gekommen, wobei beide Werte wieder auf das Niveau von 2012 (71,4 Jahre bzw. 61,9 Jahre) gefallen seien.
Interessante Studie zu SARS-CoV-2
An der RUB u.a. wurde untersucht, wie genau es SARS-Cov-2-Partikeln gelingt, in Wirtszellen einzudringen. Die Forschenden konnten zeigen, wie das Protein TMPRSS2 als Helfershelfer agiert, um das Virus über den Rezeptor ACE2 ins Zellinnere zu bringen. Diese TMPRSS2-vermittelte Aufnahme verändere die Immunantwort der Wirtszellen maßgeblich und treibe die Evolution des Virus voran. Sie zeigten auch, dass dies sowohl bei frühen Varianten des Virus als auch bei Omikron-Varianten gilt und nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Wild-, Haus- und Nutztieren funktioniert. „Dass die Anwesenheit von TMPRSS2 den Eintritt von Viruspartikeln in Wirtszellen effizienter macht, ist unstrittig“, erklärt Dr. Richard Brown aus der Gruppe „Computational Virology“ von Dr. Daniel Todt der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum, „aber es waren noch viele Fragen in diesem Zusammenhang ungeklärt: In welchem Ausmaß verbessert sich der Zelleintritt? Was passiert danach in der Zelle? Funktioniert dieser Effekt nur beim Menschen?“
Endosomen im Blick
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, infizierten die Forschenden im Zellmodell Wirtszellen mit TMPRSS2 an der Zelloberfläche und solche ohne das Protein mit unterschiedlichen Virusvarianten und beobachten unter dem Elektronenmikroskop, was passierte. Wie erwartet konnten sie sehen, dass TMPRSS2 die Virusaufnahme verbesserte. „Entgegen bisheriger Annahmen zeigte sich aber, dass der TMPRSS2-vermittelte Zelleintritt mit einer erhöhten Virusaufnahme in bestimmte zelluläre Vesikel, die Endosomen, verbunden ist“, erklärt Brown. „Bislang dachte man, der Eintrittsweg würde die Endosomen umgehen. Hierzu sind weitere detaillierte Studien nötig.“ Ebenfalls im Widerspruch zu bisherigen Annahmen steht die Beobachtung, dass auch neuere Varianten wie Omikron von der Anwesenheit des TMPRSS2-Proteins profitieren wie ältere Varianten. „Zwar benötigten die Omikron-Varianten kein TMPRSS2; die Virusaufnahme in die Wirtszellen verstärkt sich allerdings auch hier erheblich“, so Brown.
Stärkere Immunreaktion der Zellen
Die Forschenden wollten auch wissen, was nach dem Eintritt der Viruspartikel in die Wirtszellen geschieht. Sie konnten zeigen, dass bei allen getesteten Varianten ein effizienterer TMPRSS2-vermittelter Eintritt in die Wirtszellen zu erhöhter viraler Genomreplikation führte, gefolgt von einer gesteigerten Virusproduktion. Darauf reagieren infizierte Zellen mit einer stärkeren Immunreaktion, welche zu einem schnelleren Absterben führt. Die verstärkte Immunreaktion hat Einfluss auf die Evolution des Virus im Körper. Reagieren die Wirtszellen stärker, erweisen sich Viren mit bestimmten Mutationen als vorteilhaft und setzen sich durch. All diese Effekte von TMPRSS2 sind nicht auf menschliche Wirte beschränkt, sondern lassen sich auch bei anderen Säugetieren beobachten, darunter sogenannte Reservoirspezies, die natürlichen Wirte von Coronaviren in freier Wildbahn sind. „Zusammengenommen bestätigen unsere Daten, dass TMPRSS2 die Erstinfektion an der Schnittstelle zwischen Virus und Wirt auf breiter Basis fördert, wobei verschiedene Säugetierarten das Potenzial haben, die kontinuierliche Evolution von SARS-CoV-2 zu beeinflussen“, resümiert Brown.
Quellen:
Ministry of Health Singapore, WHO, RUB, Los Angeles Times, ProMED
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