Mehr als 60 Millionen Menschen in Deutschland haben sich gegen Corona impfen lassen. Die meisten davon auch mehrfach. Empfohlen war jedoch eine zweifache Impfung, manche Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen waren dazu aufgerufen, sich boostern zu lassen. Doch Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg (FAU) und des Uniklinikums Erlangen haben einen Mann untersucht, der sich laut eigenen Angaben aus persönlichen Gründen 217 Mal hat impfen lassen. Offiziell bestätigt sind 134 dieser Impfungen.
Unklare Auswirkungen
Die genauen Auswirkungen einer Hypervakzinierung waren bisher unklar. Man ging jedoch eher von einem negativen Effekt aus, dass die Abwehrzellen des Körpers durch eine erhöhte Anzahl an Impfungen einen Gewöhnungseffekt entwickelten und die Immunantwort bei einer Ansteckung schwächer ausfallen könnte. Dies ist bei dem Mann jedoch nicht der Fall, wie die Forschenden der FAU herausfanden.
Durch Zeitungsberichte sind die Mitarbeitenden der FAU auf den Mann aufmerksam geworden und nahmen Kontakt auf, um ihn zu diversen Untersuchungen einzuladen. Da der Mann hieran großes Interesse zeigte, konnten die Forschenden herausfinden, welche Auswirkungen eine Hypervakzinierung auf das Immunsystem hat. Im Fall des Mannes fielen diese nicht negativ aus, wie vorher von einigen angenommen.
Umfangreiche Blutuntersuchungen
„Der Betroffene hat sich in den letzten Jahren häufiger verschiedenen Bluttests unterzogen“, erklärt PD Dr. Kilian Schober vom Mikrobiologischen Institut. „Wir konnten mit seiner Erlaubnis die Ergebnisse dieser Analysen auswerten. In manchen Fällen waren auch Proben eingefroren worden; diese konnten wir selber untersuchen. Wir hatten außerdem die Möglichkeit, selbst Blutproben zu entnehmen, als sich der Mann im Laufe der Studie auf eigenes Betreiben nochmals impfen ließ. Mit diesen Proben konnten wir die direkte Reaktion des Immunsystems auf die Impfung nachvollziehen.“
Das Ergebnis: Sein Immunsystem arbeitete völlig normal und zeigte sogar eine erhöhte Anzahl an T-Effektorzellen gegen SARS-CoV-2 gegenüber Menschen mit einer Dreifach-Impfung. T-Effektorzellen sind Abwehrzellen, mit denen das Immunsystem gegen Infektionen kämpft. Bei Krankheiten wie HIV oder Hepatitis B, die immer wieder aufflackern, wurde bereits ein Ermüdungseffekt dieser Zellen beobachtet, wodurch das Immunsystem nicht mehr effektiv gegen die Krankheiten angehen kann. Im Falle des Mannes mit 217 Impfungen konnten die Forschenden diesen Ermüdungseffekt hingegen nicht feststellen.
Kein negativer Effekt für das Immunsystem
Auch bei den sogenannten T-Gedächtniszellen ließen sich keine Nachteile durch die Hypervakzinierung feststellen. „Die Zahl der Gedächtniszellen war bei unserem hypervakzinierten Probanden genauso hoch wie in der Vergleichsgruppe“, sagt Katharina Kocher, eine der beiden Erstautorinnen der Studie. „Insgesamt fanden wir also keine Anzeichen für eine schwächere Immunantwort – eher im Gegenteil.“ Sogar die 217. Impfung, die der Mann während der laufenden Untersuchungen an der FAU vornehmen ließ, zeigte noch Wirkung und ließ die Anzahl der Antikörper steigen.
Auch das gesamte Abwehrsystem nahm keinen Schaden durch die Hypervakzinierung und war gegen andere Erreger weiter aktiv. Doch die Forschungsgruppe betont, dass es sich hierbei um einen Einzelfall handelt und sich keine Schlüsse für die Allgemeinheit daraus ableiten ließen. Einen Nutzen einer höheren Vakzinierung als der Dreifach-Impfung sei nicht indiziert, auch nicht für vulnerable Bevölkerungsgruppen.
Quelle: idw
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