Außerhalb der deutschen Großstädte sieht es mit der kinderradiologischen oder -traumatologischen Versorgung oftmals eher dünn aus. Um die Fahrt zu größeren Kliniken künftig zu vermeiden, haben Lübecker Ärztinnen und Ärzte sowie Forscherinnen und Forscher es sich zum Ziel gesetzt, ein KI-gestütztes medizinisches Assistenzsystem zu entwickeln, das jederzeit und einfach zu Rate gezogen werden könnte und bei Diagnosen sowie Therapiemöglichkeiten für Frakturen unterstützen soll.
KI soll Handlungsempfehlungen generieren
Der Förderbescheid des Landes Schleswig-Holstein in Höhe von knapp 737.000 Euro wurde bereits durch den Digitalisierungsminister und Chef der Staatskanzlei, Dirk Schrödter, an die Universität zu Lübeck und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, übergeben. Erstmalig waren gleichzeitig auch alle Projektbeteiligten am Kids-Bone-Checker zu einem Auftakttreffen auf dem Campus Lübeck zusammengekommen. Kindliche Unfallröntgenbilder mithilfe einer künstlichen Intelligenz (KI) automatisch zu diagnostizieren – das ist das Ziel des Forschungsprojekts Kids-Bone-Checker. Das medizinische Assistenzsystem soll personalisierte, prädiktive, präzise und verständliche Handlungsempfehlungen für ärztliches Personal generieren, die dezentral und umgehend angewendet werden können. Denn kindliche Knochenbrüche seien mit 21 – 25 auf 1.000 Kindern pro Jahr sehr häufig, behandelnde Ärztinnen/Ärzte seien in der Praxis jedoch meist keine Kindertraumatologen, sondern spezialisiert in anderen Disziplinen. Da sich Frakturen im Kinder- und Jugendalter jedoch maßgeblich von Frakturen erwachsener Patientinnen/Patienten unterscheiden, bedürfe es speziellen Fachwissens und Erfahrung, um langfristige Schäden und Beeinträchtigungen aufgrund von nicht exakten Diagnosen oder Therapien zu vermeiden.
Heilungsprozesse verkürzen
„Der Kids-Bone-Checker ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie unser Leben mit Hilfe von KI einfacher und sicherer wird. Die KI vermeidet unnötig lange Wartezeiten bei der Diagnostik und hilft damit, Heilungsprozesse zu verkürzen“, sagte Digitalisierungsminister Dirk Schrödter. Das sei vor allem in der Kinder- und Jugendmedizin von großer Bedeutung. Er freue sich deshalb sehr, dass das Land dieses Projekt der Universität zu Lübeck und des UKSH mit Mitteln in Höhe von 737.000 Euro fördert. „Mit Projekten wie diesen zeigen wir die Leistungs- und Innovationsfähigkeit des Gesundheitsstandorts Schleswig-Holstein. Unsere Schwerpunktsetzung beim Einsatz und der Anwendung von KI zeigt Früchte. Wir schaffen Wachstums und Arbeitsplätze in extrem wichtigen Zukunftsfeldern“, so Schrödter.
Unter- oder Überversorgung vermeiden
„Insbesondere bei der Frage, ob das zu erwartende Korrekturpotenzial des wachsenden Skeletts für eine optimale Heilung ausreichend ist oder eine operative Maßnahme notwendig ist, ist schnell und sicher zu entscheiden. Genau hier kann ein KI-gestütztes Assistenzsystem ansetzen und die behandelnden Ärztinnen/Ärzte bei der Diagnose und bei der Therapieempfehlung unterstützen. Eine Unter- oder Überversorgung der Kinder oder Jugendlichen könnte so vermieden werden“, berichtete Dr. med. Ludger Tüshaus von der Klink für Kinderchirurgie des UKSH, Campus Lübeck.
Bestmöglichen Datenschutz gewährleisten
„Der Vorteil einer künstlichen Intelligenz liegt darin, dass die Genauigkeit von Diagnose und Therapie stetig ansteigt und ein flächendeckender Best Practice Standard jederzeit verfügbar und nutzbar wäre“, ergänzte Prof. Dr. Mattias Heinrich vom Institut für Medizinische Informatik der Universität zu Lübeck. „Die KI wird anhand von retrospektiven und prospektiven Daten trainiert und zeigt Handlungsempfehlungen aufgrund von individuellen Parametern wie dem biologischen Alter, dem Knochenalter, dem Geschlecht, der Herkunft und dem zu erwartendem klinischen Outcome an. Es handelt sich beim Kids-Bone-Checker um ein lernendes System.“ Speziell mit Hinblick auf die besonders schützenswerte Gruppe der Kinder ist der Datenschutz in diesem Projekt von herausragender Bedeutung: „Wir sehen es als besondere Herausforderung aber auch als Qualitätsmerkmal unseres Projekts an, den bestmöglichen Datenschutz anzulegen“, so Prof. Dr. Matthias Heinrich.
KI-Akzeptanz verbessern
Neben der medizin-technischen Realisierung sei es eine große Chance und damit verbundene Aufgabe des Projekts, als gut nachvollziehbares und transparentes Positivbeispiel Akzeptanz und Vertrauen in KI-Systeme bei Patientinnen/Patienten und dem medizinischen Personal zu schaffen und zu steigern. Insbesondere in Flächenländern oder bei bestehendem Fachkräftemangel könne der Einsatz einer Assistenz-KI Sinn machen. Zudem würden kleine oder mittlere Arztpraxen durch KI-Anwendungen gestärkt, heißt es aus Lübeck.
Quelle: Idw/Universität zu Lübeck
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