Viren verhalten sich im Körper wie Saboteure. Sie nutzen die molekularen Mechanismen der Zellen, um sich zu vervielfältigen und zu verbreiten – mit teilweise verheerenden Folgen. Um dem entgegenzuwirken, hat sich im Lauf der Evolution eine wirkungsvolle Virenabwehr gebildet, die Teil unseres angeborenen Immunsystems ist. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Interferon-stimulierten Gene (ISGs). „Aus Studien von Kolleginnen und Kollegen wissen wir zwar, dass verschiedene ISGs die Aktivität von Viren negativ beeinflussen können, aber nicht, wie genau sie das tun“, sagt Andreas Pichlmair, Professor für Immunpathologie von Virusinfektionen am Institut für Virologie der TUM.
Informationen zu 104 ISGs und 1.401 Proteinen
Pichlmair und sein Team haben in einer aktuellen Studie systematisch untersucht, mit welchen Proteinen ISGs interagieren. Sie aktivierten in Zellkulturen jeweils ein ISG und charakterisierten mittels Massenspektrometrie, mit welchen Proteinen es interagierte. Resultat der aufwendigen Untersuchung sind Informationen zu 104 ISGs und 1.401 Proteinen, die mit den ISGs Verbindungen eingehen. Etwa 90 Prozent dieser Verbindungen waren bislang nicht bekannt.
Einblicke in die Abwehrstrategien
„Sobald wir die die Interaktionspartner der ISGs kennen, können wir daraus ableiten, wie der Körper gegen Viren vorgeht“, sagt Andreas Pichlmair. „Schon die ersten Ergebnisse zeigen, wie vielfältig diese Immunantwort ist.“ Einige ISGs können Viren direkt beeinflussen, während andere indirekt arbeiten. So sind zum Beispiel unter den Interaktionspartnern Proteine aus der Zelle, die von den Viren genutzt werden, um sich zu vervielfältigen. Andere ISGs wiederum interagieren mit Proteinen, die für den Energiehaushalt der Zelle notwendig sind. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass einige Proteine – beispielsweise das Molekül LGALS3BP - mit einer großen Zahl an ISGs interagieren. Zusätzliche Experimente haben gezeigt, dass LGALS3BP eine bislang unbekannte Schlüsselposition bei der Koordination der antiviralen Immunantwort einnimmt.
Auch für die Entwicklung neuer Therapien sieht Andreas Pichlmair Ansatzpunkte: „Wenn wir wissen, was unser Körper tut, wenn er eine Infektion mit Viren erfolgreich bekämpft, können wir Möglichkeiten finden, diese Verteidigung bei Erkrankungen in Gang zu setzen, mit denen der Körper nicht selbst fertig wird.“
Datensammlungen sind wichtiger Bestandteil
Das Forschungsprojekt von Andreas Pichlmair zeigt die Bedeutung von biomedizinischen Datensammlungen für die Grundlagen- und Anwendungsforschung. Basis der aktuellen Studie waren beispielsweise Daten aus verschiedenen Studien, die zeigten, welche Proteine überhaupt zu den ISGs zählen. Weitere wichtige Informationen konnten die Forscherinnen und Forscher unter anderem dadurch gewinnen, indem sie ihre Ergebnisse mit Daten anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Proteininteraktionen von Viren verknüpften.
An der TUM wurden in den vergangenen Jahren immer wieder wichtige Beiträge für die datenbasierte biomedizinische Forschung geleistet – etwa durch die Erstellung der Datenbank „ProteomicsDB“, in der etwa 90 Prozent des menschlichen Proteoms kostenfrei zugänglich gemacht werden. Pichlmair und sein Team hatten zuletzt dokumentiert, mit welchen zellulären Proteinen die einzelnen Proteine des Zika-Virus interagieren und konnten so einen Teil der Pathogenese dieses Virus erklären. (idw, red)
P. Hubel, C. Urban, V. Bergant, et al.: A protein interaction network of interferon stimulated genes extends the innate immune system landscape. Nature Immunology (2019). DOI: 10.1038/s41590-019-0323-3.
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