FSME: Steigende Fallzahlen erwartet

Mildere Winter machen sich bemerkbar
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Zecke
Foto: Universität Hohenheim/Corinna Schmid
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Auch wenn es im vergangenen Jahr einen Rückgang bei den FSME-Fallzahlen gab, dürfe dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es inzwischen eine ganzjährige Zeckenaktivität gebe, so Prof. Dr. Ute Mackenstedt von der Uni Hohenheim auf der Pressekonferenz im Vorfeld des 7. Zeckenkongresses.

Die Gefahr einer Infektion sei somit schon früh im Jahr gegeben. Sie habe schon Anrufe von Hundebesitzern bekommen, die die Auwaldzecke gesehen hatten. Aktuell seien zudem neben den adulten Holzböcken auch schon Nymphen nachgewiesen worden. Viele Zecken überleben die milden Winter. Und auch Prof. Dr. Gerhard Dobler, Nationales Konsiliarlabor FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, bestätigt, dass vor drei Wochen schon Zecken aus Leipzig eingesandt worden seien. Die Auwaldzecke sei schon drei Tage nach dem Schmelzen des Schnees wieder aktiv gewesen. In geschützteren innerstädtischen Lagen seien die Zecken etwa vier Wochen früher aktiv als im weniger geschützten Umland. Im laufenden Jahr hat das Robert Koch-Institut (RKI) schon 9 FSME-Fälle erfasst.

Deutschland FSME-Endemiegebiet

Mackenstedt plädiert dafür, ganz Deutschland als FSME-Endemiegebiet zu betrachten, mit teils deutlichen regionalen Unterschieden. Es sei inzwischen auch in Norddeutschland mit FSME-Fällen zu rechnen. Man könne nirgendwo sicher sein. Es gebe eine Verschlechterung der Lage. Dobler stellt beim Blick auf die gesamte Nordhalbkugel fest, dass die zeckenübertragenen Erkrankungen steigen. Seit 2015/16 habe sich dies beschleunigt. Dies sollte „ein großes Besorgnis“ sein. Man müsse von einer Pandemie der zeckenübertragenen Erkrankungen sprechen. Inzwischen gebe es auch in Südfrankreich schon eine nicht unerhebliche Zahl von (tropischen) Hyalomma-Zecken, die das Krim-Kongo-Virus übertragen können. Man müsse mit der weiteren Ausbreitung nach Norden rechnen, so Dobler auf Nachfrage. Dann dürften die Zecken auch das gefährliche Virus mitbringen. Damit werde man es künftig zu tun haben.

Dunkelziffer bei FSME

Neue Forschungen belegen eine hohe Dunkelziffer bei FSME. Das Virus werde demnach siebenmal häufiger übertragen als bisher angenommen. Die Impfung – auch für Kinder – sei daher wichtiger denn je. In den Hauptverbreitungsgebieten wie Baden-Württemberg sank die Zahl der FSME-Fälle im vergangenen Jahr auf 143 von 209 im Jahr 2022. Bayern verzeichnete nur 265 Fälle statt zuvor 291. In ganz Deutschland meldet das RKI für 2023 527 Fälle, im Jahr 2022 waren es noch 627 (2021: 456, 2020: 761). „Diese Zahlen täuschen“, betont Dr. Rainer Oehme, Laborleiter des Landesgesundheitsamts im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg. „Infektionszahlen unterliegen immer jährlichen Schwankungen. Doch der längerfristige Trend zeigt deutlich nach oben.“

Hohe Zahlen in diesem Jahr?

Doch auch in den Regionen, die bisher nur wenige Fälle verzeichneten, sei ein deutlicher Anstieg festzustellen, so der Experte: „Im Norden und Osten Deutschlands steigen die Fallzahlen massiv, beispielsweise in Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen oder Thüringen. Selbst in Schweden ist ein Rekordwert verzeichnet worden.“ „Früher hatten wir in Baden-Württemberg alle drei Jahre besonders hohe FSME-Zahlen, seit etwa 2017 beobachten wir einen zweijährigen Rhythmus“, beschreibt Dr. Oehme. „Demnach wäre im Südwesten in diesem Jahr mit hohen FSME-Zahlen zu rechnen.“

Immer mehr FSME-Naturherde

Die Forscherinnen und Forscher identifizieren außerdem immer mehr sogenannte Naturherde – kleine, räumlich begrenzte Gebiete, in denen viele FSME-positive Zecken vorkommen. „Diese Bereiche können z.B. die Größe eines halben Fußballfeldes haben“, schildert Mackenstedt. „Im Kreis Ravensburg etwa hatten wir 2007 acht solche Naturherde, 2023 waren es bereits 25.“ In Süddeutschland gäbe es mehr Naturherde als im Norden. „Sie sind zum Teil schon 20-30 Jahre alt, aber es kommen immer mehr dazu. Die infizierten Zecken werden aus Tschechien, Polen und der Schweiz durch Tiere eingeschleppt. In Norddeutschland stammen sie aus dem Baltikum. Doch viele Fragen, auch warum diese Gebiete räumlich so begrenzt sind, können wir noch nicht beantworten.“ Dobler erfasst zunehmend Stämme, die mehr in Skandinavien zu finden sind. Er vermutet einen veränderten Vogelzug durch Klimaveränderungen oder auch Überwinterung von Vögeln hierzulande, die früher eventuell weitergeflogen seien. Doch dies sei noch nicht im Detail geklärt.

Hohe Dunkelziffer bei FSME-Fällen

Neue Forschungsergebnisse von Dobler weisen darauf hin, dass nicht alle FSME-Fälle entdeckt werden. Er hat im Ortenaukreis Blutproben von Blutspendern untersucht. Mit einem neuen Testverfahren kann er zwischen Antikörpern aus einer Impfung und aus einer natürlichen Infektion unterscheiden. Das Ergebnis belegt eine hohe Dunkelziffer: „Wenn man die nicht erkannten Infektionen einbezieht, ist das Risiko einer FSME-Infektion in dem Kreis um ein siebenfaches höher als bisher angenommen“, hält Dobler fest. „Das Infektionsgeschehen ist also sehr hoch, auch wenn eine Infektion nicht immer zur Erkrankung führt.“

Vorerkrankte besonders gefährdet

Besonders Personen mit Vorerkrankungen wie Stoffwechselerkrankungen oder Bluthochdruck sowie Ältere und Immunsupprimierte (vor allem durch Biologika) seien gefährdet, einen schweren Verlauf zu erleiden. Immer wieder treffe es aber auch völlig Gesunde.

Der Mediziner rät daher dringend zur FSME-Impfung. „Eine Untersuchung des RKI hat gezeigt, dass bei schweren Infektionen Langzeitfolgen möglich sind. Rund zehn Prozent von über 500 befragten Patientinnen/Patienten hatten auch nach über einem Jahr noch Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme mit der Balance oder beim Gehen“, sagt Dobler. Es habe sich gezeigt, dass FSME auch über längere Zeiträume konstitutionelle Symptome verursachen könne.

„Drei Impfungen zur Grundimmunisierung und eine Auffrischimpfung alle fünf Jahre bzw. ab dem 60. Lebensjahr alle drei Jahre“, so seine Empfehlung. „Das ist auch für Menschen außerhalb der Risikogebiete sinnvoll. Denn FSME-Fälle gibt es auch dort. Und spätestens im Urlaub reisen viele Menschen in Risikogebiete.“ Ein besonderes Anliegen ist Dobler die Impfung von Kindern. „Auch bei Kindern kann es einen schweren Verlauf geben – bis hin zu künstlicher Beatmung und Ernährung. Vor dem Hintergrund der steigenden Fallzahlen ist daher auch eine Impfung von Kindern dringend anzuraten.“ Allerdings registriere er auch eine Impfmüdigkeit, verursacht u.a. durch die Corona-Impfdiskussionen. Die Menschen seien bei Impfungen vorsichtiger geworden. Man müsse aber über die Bedeutung und Gefahren von FSME aufklären.

Hinweis: 7. Süddeutscher Zeckenkongress 26.-28.2.2024

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