FSME: Impfung und Diagnostik bleiben wichtig

Gefahr in ganz Deutschland
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Warnung vor Zecken (FSME)
© Heiko Barth, stock.adobe.com
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Das mildere Klima führt dazu, dass die Zecken im Frühjahr gehäuft auftreten und damit auch die FSME-Infektionen. Die Krankheit wird immer noch unterschätzt.

Die Zecke bleibe ganzjährig aktiv und habe inzwischen selbst höher gelegene Bergregionen erobert: Der Klimawandel begünstige die Ausbreitung von Zecken und damit auch das Auftreten der FSME, warnte Prof. Dr. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim in Stuttgart auf einer Pressekonferenz der Uni Hohenheim. „Inzwischen wissen wir ebenfalls, dass die FSME auch bei Kindern einen schweren Verlauf nehmen kann. Hier wird häufig von einem uncharakteristischen Krankheitsbeginn berichtet, der immer wieder zu verspätetet Diagnosen oder selbst zu Fehldiagnosen führen kann“, so Prof. Dr. Gerhard Dobler, Mikrobiologe und Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr. Es gebe Studien, die zeigten, dass zwei Drittel der Fälle bei Kindern falsch diagnostiziert worden waren. Er kenne bspw. einen Fall, bei dem ein 5-jähriges Kind vier Mal ins Krankenhaus gefahren wurde, bis dann letztlich die FSME-Diagnostik erfolgt war. Zunehmend gebe es Fälle mit atypischen Symptomen. So habe es in München einen Fall mit Darmlähmung gegeben oder auch Fälle mit peripherer Nervenentzündung, Herzentzündung oder auch Leberentzündung. Die Botschaft an die Ärzte laute deshalb, auch an FSME zu denken und eine Diagnose durchzuführen. Dabei sollte man sich nicht nur auf die RKI-Karte zu den FSME-Risikogebieten konzentrieren. Denn die Karte zeige NICHT die Verbreitung von FSME in Deutschland. Es gehe dort nur um die Inzidenz. Wenn es mehr als 1 Fall pro 100.000 Einwohner gebe, werde die Region als Risikogebiet eingestuft. Das Virus gebe es aber in ganz Deutschland. Mackenstedt gab zudem zu bedenken, dass es in Norddeutschland genauso viele Zecken gebe wie in Süddeutschland. Hier führe die Karte manchmal zu Missverständnissen.

Dr. Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg berichtete: „Die Anzahl der FSME Fälle hat in den letzten Jahren zugenommen.“ Er wies darauf hin, dass vom Robert Koch-Institut (RKI) in diesem Frühjahr weitere zusätzliche Land- und Stadtkreise zu Risikogebieten in Deutschland erklärt worden seien, die z.B. in Sachsen liegen. Doch bleibe die Situation bestehen, dass mehr als 80 Prozent der FSME-Fälle in Baden-Württemberg und Bayern liegen. Hotspots sind z.B. der Landkreis Ravensburg.

Milde Temperaturen helfen den Zecken

Ein paar Tage Frost im Winter reichten nicht: „Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch einmal wochenlang andauern. Da tiefe Temperaturen von -15 Grad durch den Klimawandel selbst in den Alpen immer seltener werden, sind die Zecken auch in den Wintermonaten aktiv“, erklärte Mackenstedt, Leiterin des Fachgebietes Parasitologie der Universität Hohenheim. Die Folge: „Zecken werden früher im Jahr aktiv oder sind sogar ganzjährig aktiv. Und selbst in den Bergregionen bis 1.200 m werden heute stabile Zeckenpopulationen gefunden.“ Aber auch in Gärten müsse man durchaus mit infizierten Zecken rechnen. Die RKI-Statistik habe gezeigt, dass es zu Beginn des Jahres 2023 (bis KW 14) schon 11 (Vorjahr 6) registrierte FSME-Fälle gab. Dobler betonte, dass die Gesamtzahl der Zecken wohl nicht zunehme, allerdings steige die Zahl der Nymphen im Frühjahr an. Bisher sei die Deutung, dass die Zahl der Nymphen, die den Winter überleben, steige und damit die Zahl zwischen März und Mai, wenn die Menschen wieder verstärkt in die Natur gehen. Dies führe zu mehr Infektionen. Im Sommer sinke dann bei entsprechender Witterung die Zahl wieder, sodass es dann im Herbst normale Zeckenzahlen gebe.

Süddeutschland im Blick

Vor allem in Süddeutschland sei die Situation sehr dynamisch, ergänzte Mackenstedt. Die Untersuchungen und die genetische Charakterisierung der FSME-Viren habe gezeigt, dass sich gerade hier viele verschiedene FSME-Stämme etabliert hätten, die für die Krankheitsfälle verantwortlich seien. Diese genetische Vielfalt sähe man in anderen Regionen Deutschlands nicht. Die langjährigen Untersuchungen zeigten aber auch: Die FSME-Situation sei ein hochkomplexes vielfältiges Geschehen und Vorhersagen seien schwierig. Manche Regionen erwiesen sich über Jahre oder Jahrzehnte als FSME-Hotspot. Bei anderen schnellten die Fallzahlen innerhalb eines Jahres rapide nach oben und nähmen im nächsten Jahr wieder ab, so die Experten.

Ganz Deutschland Endemie-Gebiet?

Eines stehe aber bei genauer Ansicht der Fallzahlen fest: „Wir können für keine Region in Deutschland Entwarnung geben. Was die FSME betrifft, ist Deutschland inzwischen ein bundesweites Endemie-Gebiet“, betonte Mackenstedt. Als Krankheit sollte die FSME nicht unterschätzt werden, warnte Mikrobiologe Dobler. Die bekanntesten Symptome seien zwar Gehirn- und Hirnhautentzündung, aber auch Symptome einer Sommergrippe wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erbrechen und selbst Darmsymptome könnten unter Umständen auf eine FSME-Infektion hindeuten. Es bestehe die Gefahr, dass die FSME zu spät oder gar nicht erkannt werde. Die beste Strategie sei deshalb, der Krankheit vorzubeugen: „Bei 98% der FSME-Patienten oder -Patientinnen im vergangenen Jahr waren die Erkrankten gar nicht geimpft, oder hatten wegen fehlender Auffrischung-Impfungen einen unzureichenden Impfschutz.“

Impfskepsis zu beobachten

Gleichzeitig zeigten Länder wie Österreich, wie weitgehend flächendeckende Impfungen die Krankheitszahlen erfolgreich nach unten drückten. Allerdings zeige sich auch in Österreich ein ansteigender Trend bei den Erkrankungen in der ungeimpften Bevölkerung, sagte Dobler. Inzwischen treten dort FSME-Fälle in Gebieten auf, die früher keine Infektionen hatten. Deshalb nehme auch in Österreich mit einer gesamten Impfquote von rund 80 Prozent die Zahl der FSME-Infektionen zu. Dobler beklagte, dass die Impfbereitschaft in Deutschland nicht angestiegen sei. Es sei auch durch Corona eine gewisse Impfskepsis zu beobachten. Das sei ganz dramatisch, gerade bei den individuellen Impfungen.

Unsicherheit bei Hyalomma

Zur Hyalomma-Zecke, die in den vergangenen Jahren immer mal wieder für Schlagzeilen gesorgt hatte, könne man aktuell noch wenig sagen, so Mackenstedt. Da sie über Vögel aus Afrika und Südosteuropa nach Deutschland gelange, müsse man aber davon ausgehen, dass sie wieder hier sei. Die weitere Entwicklung sei vom Wetter abhängig. Bei hohen Temperaturen und längerer Trockenheit könne sie sich zu erwachsenen Zecken entwickeln. Ob Hyalomma schon endemisch sei, könne man noch nicht sagen. Ein weiterer Kandidat sei die braune Hundezecke aus dem Mittelmeerraum. Es sei inzwischen fraglich, ob sie sich hierzulande tatsächlich nur in Wohnungen halten könne.

Quelle: Uni Hohenheim

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