Frühgeborene mit Darmerkrankungen besser behandeln

Wachsen und Gedeihen deutlich erleichtern
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3-D-Modell einer Mikropumpe
3-D-Modell einer Mikropumpe, wie sie im Projekt entwickelt werden soll. Foto: Jens Meyer/Uni Jena
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Das Kooperationsprojekt „INTACT“ will einen neuen Therapieansatz und innovative Diagnostik für Frühgeborene mit Darmerkrankungen entwickeln.

In Deutschland müssen Ärztinnen und Ärzte bei etwa 200 von 800 sehr unreifen Frühgeborenen jährlich – meist wegen einer Infektion – die Nahrung durch einen künstlichen Darmausgang aus- und an anderer Stelle wieder zurückleiten, um den Darm zu entlasten. Aktuell funktioniert das nur manuell, was keine kontinuierliche Überführung garantiert, sehr pflegeintensiv ist und die Entwicklung der Babys beeinträchtigt. Ein interdisziplinäres Team von Friedrich-Schiller-Universität, Universitätsklinikum Jena (UKJ) und koordiniert durch die Ernst-Abbe-Hochschule Jena (EAH) will deshalb nun ein miniaturisiertes Transportsystem mit ultraschall- und photonikbasierter Sensorik entwickeln, das die kontinuierliche Überführung und Analytik des ausgeleiteten Darminhalts ermöglichen soll. Damit wollen die Forscherinnen und Forscher erstmals einen geregelten kontinuierlichen externen Transport des Darminhaltes ermöglichen und gleichzeitig dessen Zusammensetzung in Echtzeit erfassen. So soll eine völlig neue Datenbasis entstehen, die bessere medizinische Behandlungsmöglichkeiten für Frühgeborene zulassen soll. So soll der Chymus mit multimodalen spektroskopischen Analyseverfahren wie etwa der UV/VIS/IR-Absorptionsspektroskopie durchleuchtet werden.

Meist zwei künstliche Darmausgänge

„Bei manchen Frühgeborenen unter 1.500 Gramm Gewicht schwächt eine Entzündung den noch sehr kleinen und unreifen Darm, behindert die Passage des Inhalts und lässt ihn mitunter sogar perforieren“, beschreibt Prof. Dr. Hans Proquitté, Leiter der Neonatologie am Universitätsklinikum Jena, das medizinische Problem, das ihn inzwischen seit 30 Jahren umtreibt. „Antibiotika helfen, die Infektion zu bekämpfen – meist zwei künstliche Darmausgänge, sogenannte Stomata, müssen zur Entlastung des Darmes angelegt werden.“

Manueller Ablauf sorgt für Probleme

Der Chymus – also der bereits mit Verdauungssekreten durchsetzte Speisebrei – werde bisher über Stunden in einem Beutel gesammelt und anschließend wieder mit einer Spritze in das zweite, weiterführende Stoma in den Darm zurückgeführt. So verkümmere dieser Bereich des Darms nicht und das Kind erhalte weiterhin wichtige Nährstoffe, wie Kalzium, Bicarbonat, Eiweiße, Lipide und Kohlenhydrate aus der Nahrung. Die Überführung des Chymus sei zwar äußerst wichtig für die umfassende Entwicklung des Kindes, der derzeit nur manuell umsetzbare Ablauf halte aber einige Probleme bereit: „Weil wir bisher keinen kontinuierlichen Transfer außerhalb des Körpers gewährleisten können, wird der Verdauungsprozess für längere Zeit unterbrochen. Zum anderen reizt der angeklebte Plastikbeutel die Haut zum Teil sehr ausgeprägt und in Folge können Infektionen entstehen“, sagt der Mediziner.

Pumpsystem so groß wie eine Streichholzschachtel

Der Arzt entwickelt deshalb nun gemeinsam mit dem Medizintechniker Prof. Dr. Iwan Schie von der EAH und dem Umweltchemiker Dr. Patrick Bräutigam von der Universität Jena ein miniaturisiertes, geregeltes Transportsystem, das beide Darmbereiche außerhalb des Körpers miteinander verbinden und so kontinuierlich und damit physiologisch den Darminhalt übertragen soll. „Dieser Therapieansatz ist völlig neu und könnte den kleinen Patienten das Wachsen und Gedeihen in dieser kritischen Phase deutlich erleichtern. Dafür planen wir, ein 3-D-gedrucktes miniaturisiertes Pumpendesign zu entwickeln, das maximal 50 Gramm leicht und nicht viel größer als eine Streichholzschachtel ist“, erklärt Patrick Bräutigam.

Simulanz wird entwickelt

„Mit Hilfe der kontaktlosen Ultraschallspektroskopie, durch die das System eigenständig erkennt, wann der Chymus in den Schlauch gelangt und mit welcher Geschwindigkeit er weitergeleitet wird, regeln wir dann die Pumpe.“ Darüber hinaus lassen sich mit dem Ultraschall weitere Informationen beispielsweise über die Viskosität, Wasser- und Feststoffanteile messen. Um während der Forschung an dem Gerät eine so lebensnahe Umgebung wie möglich zu schaffen, entwickelt der Jenaer Umweltchemiker eine spezielle Simulanz, die dem Speisebrei in Beschaffenheit und Inhaltsstoffen gleichkommt, aber in größeren Mengen zur Verfügung steht.

Chymus-Diagnostik verbessern

Eine weitere Neuerung soll zudem der Zugang zu Informationen sein, die bisher so nicht zur Verfügung stehen. „Wir wollen den Chymus mit multimodalen spektroskopischen Analyseverfahren wie etwa der UV/VIS/IR-Absorptionsspektroskopie durchleuchten und dabei eine ganz neue Datenbasis über die chemische Zusammensetzung aufbauen. Denn bisher gibt es keine Möglichkeit, den gesamten Chymus in Echtzeit zu untersuchen und seine Komposition zu ermitteln“, sagt Iwan Schie. „So wollen wir beispielsweise den Wassergehalt des Chymus bestimmen, Lipide und Proteine detektieren und vielleicht sogar DNA-Reste oder Mikroblutungen erkennen.“ Solche Daten lieferten Informationen darüber, wie die kleinen Patienten Nährstoffe verwerten und welche sie besonders benötigen oder ob interne Verletzungen aufgetreten sind. Das lasse Aussagen zum Gesundheitszustand zu, was zielgenaue Therapieoptionen nach sich ziehen kann – Diagnostik werde also an einer bisher nicht zugänglichen Stelle möglich. „Die kontinuierliche Beobachtung solcher Entwicklungsparameter wird uns dabei helfen, auch im Falle einer solchen Beeinträchtigung das kindliche Wachstum zu fördern und die spätere Rückverlagerung des Darms zu vereinfachen“, sagt Hans Proquitté.

Ziel: Ein erster Prototyp

Iwan Schie und sein Team, zu dem auch Studentinnen und Studenten gehören werden, wollen für das Analysemodul zunächst die geeignetsten Spektroskopieverfahren ermitteln. Im nächsten Schritt gelte es, diese dann in ein Gesamtsystem zu integrieren. Das Forschertrio ist optimistisch, bis zum Ende des Förderzeitraums einen ersten Prototypen vorlegen zu können, der dann mit einem Partner aus der Wirtschaft oder vielleicht sogar durch eine Ausgründung zur Marktreife geführt werden könnte. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Projekt „INTACT“ für zwei Jahre mit insgesamt 750.000 Euro.

Quelle: idw/Friedrich-Schiller-Universität Jena

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