Immuntherapien gelten als die großen Hoffnungsträger bei der Bekämpfung von Krebs. Therapien mit patienteneigenen Immunzellen, die in der Kulturschale gegen den Krebs aufgerüstet wurden, haben sich bei einigen Leukämien und Lymphomen schon als sehr wirksam erwiesen. Dazu werden T-Zellen des Patienten gentechnisch mit Rezeptormolekülen ausgestattet, die hochspezifisch bestimmte Merkmale der Tumorzellen erkennen. Das Problem ist jedoch: Diese sogenannten CAR-T-Zellen schaffen es nicht, effizient in solide Tumoren einzudringen; die Therapien bleiben daher meist wirkungslos. Die Lösung könnte nun eine andere Gruppe von Immunzellen sein. Die Forscher konzentrieren sich auf bestimmte Fresszellen, so genannte Makrophagen, die zum angeborenen Immunsystem gehören.
Solide Tumoren bekämpfen
Makrophagen haben die intrinsische Fähigkeit, in Tumoren einzudringen. Sie können Krankheitserreger oder erkrankte Zellen beseitigen, indem sie sie verschlingen, und sie aktivieren außerdem weitere Verteidigungslinien der Immunabwehr. Sie lassen sich ebenfalls mit zielgerichteten Rezeptorproteinen gegen Tumormerkmale ausstatten – aber: „Bislang war es unmöglich, Fresszellen in der erforderlichen Menge in der Kulturschale zu züchten“, erklärt Philipp Greif, Leiter einer Forschergruppe des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) am Klinikum der LMU München. Sobald die Blutstammzellen, aus denen letztendlich auch die Fresszellen hervorgehen, aus ihrer natürlichen Umgebung im Knochenmark isoliert werden, beginnen sie, sich in reife Blutzellen zu differenzieren. Auf diese Weise bleibe der „Ertrag“ an Fresszellen allerdings zu gering, um sie für medizinische Anwendungen zu nutzen.
Nutzung des „induzierbaren“ Transkriptionsfaktors
Ein Team um Greif und Christian Wichmann, LMU Klinikum, hat nun eine Lösung für dieses Problem gefunden. Die Forschenden statteten menschliche Blut-Vorläuferzellen genetisch mit dem Protein MLL-ENL aus. Dabei handelt es sich um die Fusion zweier Proteine, die gemeinsam einen krebstreibenden Transkriptionsfaktor formen. Dieser treibt bei vielen Leukämien die Zellteilung an. Der Trick der DKTK-Forscher: Sie statteten MLL-ENL mit einer regulierbaren Domäne aus, über die es mit einer chemischen Substanz aktiviert werden kann. Es handelt sich um einen „induzierbaren“ Transkriptionsfaktor. Wurden die Blutstammzellen in der Kulturschale in Anwesenheit der Substanz vermehrt, so gelang es, große Mengen an späten monozytären Blutvorläuferzellen, Vorläuferstadien des Makrophagen, zu züchten. Sobald die Substanz aus dem Nährmedium entfernt wurde, ließen sich die Zellen durch geeignete Stimuli und Immunbotenstoffe wie etwa Interferon-gamma zur endgültigen Differenzierung anregen – und entpuppten sich als funktionsfähige Makrophagen.
Fresszellen aus der Kulturschale
Analysen der Genexpression der so gewonnenen Zellen hätten bewiesen, dass sie natürlichen Monozyten, den Vorläufern der Makrophagen, extrem ähnlich seien. Das hätten auch funktionelle Tests bestätigt. Die laborinduzierten Zellen hatten auf entsprechende Botenstoffe reagiert und Bakterien sowie sterbende Zellen beseitigt. Makrophagen erkennen über ihre Fc-Rezeptoren Zellen, die vom Immunsystem mit Antikörpern als fremd markiert worden sind. Genau diese Eigenschaft hatten die hergestellten Fresszellen aus der Kulturschale ebenfalls gezeigt. Sie seien in der Lage gewesen, mit Antikörper-markierte Fremdzellen aufzunehmen und zu eliminieren.
Alternative zur Blutspende möglich?
„Unsere induzierten Zellen haben das Potenzial, in therapeutischen Anwendungen Krebszellen zu vernichten, indem sie sie auffressen. Hierbei sollen die Makrophagen mit einem zielgerichteten Rezeptorprotein ausgestattet werden, um sie spezifisch gegen Tumorzellen zu richten. Diese Möglichkeit werden wir nun in weiteren präklinischen Studien mit Hilfe eines Mausmodells testen“, erklärt Roland Windisch, Erstautor der aktuellen Studie. „Wir haben in dieser Arbeit erstmals induzierbare Transkriptionsfaktoren genutzt, um gezielt außerhalb des Körpers große Mengen eines bestimmten Zelltyps herzustellen. Unter Einsatz anderer Transkriptionsfaktoren lassen sich nach diesem Prinzip möglicherweise auch andere Arten von Blutzellen für therapeutische Anwendungen in der Kulturschale generieren“, so Wichmann, Transfusionsmediziner am LMU Klinikum und Leiter der Studie. Möglicherweise könnten auf diese Weise auch verschiedene andere menschliche Blutzellen in großem Maßstab hergestellt werden und in Zukunft eine Alternative zur Blutspende aufzeigen.
Quelle: DKFZ
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